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Fischli Weiss
© Fischli/Weiss

Künstlerduo Fischli/Weiss: Catwalk der Würstchen

Seit das Schweizer Künstlerduo Künstlerduo Fischli/Weiss vor knapp dreißig Jahren mit seiner Zusammenarbeit begann, hat der Humor in die sonst so strenge zeitgenössische Kunst Einzug gehalten.

Ein Riesentopf steht in der Mitte des Saals, rund und hoch, wie in den Afrikakarikaturen, in denen der unter die Wilden gefallene Forscher auf sein letztes Stündlein harrt und noch einen lakonischen Kommentar zum Besten gibt. Im Kochgefäß des Schweizer Künstlerduos Peter Fischli und David Weiss hockt zum Glück kein Safari-Delinquent. Stattdessen stehen auf der Innenwand Fragen über Fragen: „Bin ich ein Schwamm?“ – „Wandern die Seelen?“ – „Ist alles vorbestimmt?“

Oder: „Ist das Essen fertig?“– „Fährt noch ein Bus?“ Oder: „Quäle ich mich unnötig?“ – „Muss ich fröhlich sein?“ Auf den ersten Blick mag man auch Fischli/Weiss für Karikaturisten halten, die ihren Scherz nur dreidimensional betreiben. Doch wer länger seine Nase in ihren „Fragentopf“ hält, kommt aus dem Schmunzeln plötzlich ins Grübeln: Ist hier das Lachen wirklich erlaubt? Darf Kunst überhaupt witzig sein?

Seit das Schweizer Künstlerduo vor knapp dreißig Jahren mit seiner Zusammenarbeit begann, haben sie zumindest auf die letzten beiden Fragen eine klare Antwort gegeben: Ja! Mit ihnen hat der Humor in die sonst so strenge zeitgenössische Kunst Einzug gehalten. Dass gerade das Lachen eine Brücke zum Reflektieren baut, hat man bei ihnen schnell gelernt. Gerade dafür sind sie im Kunstbetrieb beliebt. Ihr erstmals 1987 auf der Dokumenta 8 gezeigter Film „Der Lauf der Dinge“, bei dem es in einer fortwährenden Kettenreaktion zischt, explodiert und kracht, ist bis heute bei den Fernsehanstalten ein Renner. Bei der Biennale di Venezia vor fünf Jahren heimsten sie mit ihrer Multimedia-Installation „Arbeit der Fragen“ den Goldenen Löwen ein. Auch die gestern eröffnete Retrospektive „Fragen & Blumen“ in den Hamburger Deichtorhallen dürfte wieder ein Publikumserfolg sein. Nach Stationen in Zürich, London, Mailand, Paris ist die Ausstellung nun an ihrem Tournee-Ende angelangt. Hier, in den riesigen Hallen, hat sie den meisten Platz. Noch nie waren die Skulpturen, Filme, Fotografien und Installationen von Fischli/Weiss so großzügig präsentiert zu sehen; und auch diese Herausforderung nehmen sie mit leichter Hand.

Die beiden Zürcher (Jahrgang 1952 und 1946) sind ein Phänomen. So spielerisch ihre Werke auch erscheinen, so grundsätzlich arbeiten sie sich an Erscheinungen der Gegenwart ab, ja erweist sich ihr Schaffen in der Gesamtschau wie ein philosophischer Traktat, angewandt auf Alltäglichkeiten. Das begann schon 1979 mit ihrer ersten Tat, der „Wurstserie“, bei der sie einfach zu Szenen zusammenbrachten, was sich bei David Weiss im Kühlschrank befand. Würste spielen da auf einmal Modeschau, bauen Unfälle oder erscheinen als Auslage in einem Teppichhaus. Damit stand ihr Konzept fest, das sich in den verschiedenen Medien bis heute wiederfindet: einerseits nah dran an Banalitäten, andererseits mit liebenswürdiger Distanz, die auch das große Ganze sieht.

Ihr Faible für das Gewöhnliche haben sie sich bewahrt. Ganze Serien sind Mietshäusern der Vorstädte gewidmet, mit Hingabe nehmen sie Blumen auf oder fotografieren Flughäfen.

Es sind unser aller Projektionsorte und Objekte einer Sehnsucht, die sich stets mit Enttäuschung paart. Wie zwei tapfere Künstlerlein sind die beiden Schweizer in die Welt hinausgezogen, um sie nach ihrer Wirklichkeit zu befragen. Geradezu rührend wirkt dieser enzyklopädische Versuch beim dreißig Meter langen Diatisch, der 3000 Aufnahmen von den fotogensten Schauplätzen in Hongkong bis San Francisco, London bis Tokio zeigt. Der Betrachter ahnt schnell: Das kann nicht alles gewesen sein. Trau den schönen Bildern nicht.

Dieser anarchische Blick, der unversehens alles aus den Angeln hebt und die komische Seite hinter den ernsten Dingen offenbart, kommt gerade in den Skulpturen zum Tragen. Berühmtheit haben die aus Polyurethan geschnitzten Stillleben und die Serie „Plötzlich diese Übersicht“ aus Ton erlangt. Mit ihren Atelier-Stillleben und vermeintlichen Ausstellungsbaustellen haben Fischli/Weiss schon so manchen Museumsbesucher genarrt. In perfekter Mimikry ist das Tohuwabohu eines Studios mit Farben, Werkzeug, Zigaretten, Holzpaletten ausgebreitet.

Allein es stimmt nicht. Auch hier hinterfragen die beiden Schweizer Schein und Sein, diesmal für ihre eigene Künstlerexistenz. Wie viel Humor das Duo besitzt, wie viel Spaß gerade diese Form der Selbstbefragung macht, zeigen ihre Tonskulpturen, die damals, Anfang der achtziger Jahre zunächst niemand ernst genommen hat. „Mick Jagger und Brian Jones befriedigt auf dem Heimweg, nachdem sie ,I Can’t Get No Satisfaction‘ komponiert haben“, steht da neben zwei Tonmännchen mit Gitarre eingraviert. Unter der Figur eines Mädchens, das in seiner Kammer schläft, heißt es „Anna O beim Träumen des Traums, der von Freud als erster gedeutet wird“.

Manchmal ist es nur eine minimale Verschiebung der Perspektive, damit die Verhältnisse zu tanzen beginnen – und manches zwar aus dem Lot, dafür ins rechte Licht gerät. Damals gab es auch noch mehr Gewissheiten, gab es noch Ost und West. Heute ist uns eine ins Schwanken geratene Lebenswirklichkeit latent präsent, für die das Werk von Fischli/Weiss durch seine heitere Betrachtungsweise eine gewisse Erleichterung verschafft. Wenn schon die Videofahrt durch die Zürcher Kanalisation eine solche Poesie besitzt, dass ein Kunstpublikum sie gebannt bestaunt, dann steht es um uns noch nicht wirklich schlecht.

Deichtorhallen, Hamburg, bis 31. August; Katalog 29 Euro.

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