Abschied im Deutschen Theater: Verweile noch
Schön war die Zeit: Das Deutsche Theater hat am Wochenende ausgiebig Abschied von der Ära Bernd Wilms gefeiert.
Ulrich Matthes’ Glitzeranzug aus „Endspiel“. Der heute schon legendäre Doppelmonolog von Samuel Finzi und Wolfram Koch aus den „Persern“. Noch mal Ulrich Matthes und Alexander Khuon, wie sie sich in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ über einem Teller eingelegter Gurken fertigmachen. Und Nina Hoss, Regine Zimmermann und Michael Goldberg, die in „Die Präsidentinnen“ nicht minder lustvoll übereinander herfallen.
43 Szenen aus neun Jahren: 40 Ensemblemitglieder geben sich die Ehre, zum wirklich allerletzten Abschied von der Bernd-Wilms-Ära, die Oliver Reese interimsmäßig noch ein Jahr weitergetragen hatte. Ein Finale, das zum Glück doch nicht so ganz ein Ende ist: Steht doch der neue Intendant Ulrich Khuon für Kontinuität. Und mehr als die Hälfte des Ensembles bleibt, zumindest als Gäste. Vor völlig überfülltem Haus wird noch einmal neunzig Minuten alles gegeben: Inszenierungen, die jetzt schon Theatergeschichte sind, Inszenierungen, die jetzt schon vergessen sind, und das alles, klug eingerichtet von Christoph Mehler und Nils Wendtland, als unterhaltsame Nummernrevue auf Stichwort, jederzeit offen für Soloeinlagen. Da singt Bernd Stempel sich in Dylan Thomas „Unter dem Milchwald“ mit einer Bierdose um den Verstand, Ingo Hülsmann ätzt als Goebbels über den Zustand des gegenwärtigen Theaters und der Intendanz, Katharina Schmalenberg probt als schmaler, blonder Hitler den Abschied, Constanze Becker versucht noch einmal, mit Würde die Marquise de Merteuil im Karnickelkostüm zu geben. Überhaupt ist der Abend auch ein Gruß des Kostümbildners: mit dem Schrillsten, Scheußlichsten, Absurdesten, was das Theater zu bieten hatte: Die Schlafsackraupe. Der ausgestopfte Mann mit Schlips um den Bauch. Die Greifswalder-Straße-Penner. Und Jörg Gudzuhn in Barock-Perücke.
So funkelnd, so gegenwärtig ist dieses Theater, oft das Beste, was in Berlin zu haben war in den letzten Jahren. Natürlich schwebt der Geist des vor genau einem Monat verstorbenen Jürgen Gosch über der Bühne. Er hat hier zuletzt mehr als alle anderen inszeniert – warum merken wir es erst im Rückblick so richtig?
Inge Keller eröffnet mit ihrer wunderbaren klaren Altersstimme die Szene, mit Max Reinhardts Versprechen an das Theater, Sven Lehmann gehört das letzte Wort, den Mephisto-Monolog aus „Faust II“ spricht er mit Reibeisenstimme und leichter Bitterkeit: „Vorbei? Ein dummes Wort.“ Nicht enden wollender Jubel, „Wish you were here“ von Pink Floyd, Polonaise auf der Bühne. „Verweile doch“ bittet die Leuchtschrift vor dem Deutschen Theater, zum letzten Mal. Es war so schön.
Christina Tilmann
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