Neues Album: Boy George is back
In den achtziger Jahre war Boy George Sänger der Band "Culture Club" und inszenierte sich als androgyne Kunstfigur. Heute kann George O'Dowd auch einfach mal nur George sein. Im Interview spricht der Popsänger über sein Comeback - und was Yoko Ono damit zu tun hat.
Mister George, ihr erfolgreichstes Jahrzehnt waren die achtziger Jahre. Was war damals anders als in der Musiker-Generation davor?
Für mich sind die Musiker der Siebziger größere Stars als die der Achtziger. Was die Siebziger so besonders machte, war ihre musikalische Vielfalt. Es gab Punk Rock, Disco, Reggae und Electro. Bei „Top Of The Pops“ und „Musikladen“ konnte man bizarre und sinnlose Sachen sehen. Erst kam Cliff Richard, dann Nina Hagen und dann irgendeine Tanzband. Das war ein sehr eklektisches Jahrzehnt. Von den Achtzigern bis heute hat sich Popmusik aber immer mehr zu einer festen Formel verhärtet. Jeder versucht irgendwie, die gleiche Platte zu produzieren.
Sie waren immer ein Freund von Reggae, und auf Ihrem neuen Album gibt es einige Songs, die einen Reggae-Einfluss haben. Wie gehen Sie damit um, dass manche Reggaekünstler sehr homophobe Texte singen?
Das Stück „Live Your Live“ behandelt dieses Thema sehr direkt. Es ist quasi ‚Reggay’. Aber im Ernst, Country- und Westernsongs können genauso homophobe Tendenzen haben. Ich mag einfach die Musik und beschäftige mich normalerweise nicht so sehr mit den Kontroversen dahinter. Ich nutze diese Musik, um auszudrücken, wie ich die Welt sehe. Ich bemühe mich nicht, etwas zu schaffen, das dem typischen Reggae-Fan gefällt.
Sie haben in den vergangenen Jahren viele Tiefpunkte erlebt. Verarbeiten Sie das in Ihren Songs?
Mit Songs kann man Dämonen vertreiben und bestimmte Fragen aufwerfen. Man darf meine Lieder aber nicht allzu wörtlich nehmen, auch wenn es sich manchmal anbietet oder sogar aufdrängt. In meinen frühen Liedern wie „Do You Really Want To Hurt Me“ oder „Church Of The Poison Mind“ steckten viel Leid und Sorgen. Die aktuellen Stücke zeigen aber, wer ich heute bin. Sie sind von einem entspannten Achselzucken geprägt.
So wie in „Nice And Slow“?
Ja, es geht um Beziehungen, und ich sage dort: „Es gibt absolut nichts, das ich tun muss.“ Diese Ansicht entspringt der buddhistischen Philosophie. Die Welt ist perfekt, so wie sie ist. Wir können wählen. Die Entscheidungen, die wir treffen, beeinflussen unsere Umwelt und haben Einfluss darauf, ob wir glücklich sind oder nicht. Meine neuen Stücke sind sehr von dieser Weltsicht geprägt und handeln auch von Beziehungen. Früher habe ich oft gedacht, ich sei verliebt, obwohl alles nur großes Drama war. Heute ist mir klar, dass die Liebe eigentlich eine recht gewöhnliche Sache ist. Sie muss nicht immer von Feuerwerk, Explosionen, Geschrei und Geheul begleitet werden.
Löst sich George Alan O’Dowd damit von der Kunstfigur Boy George?
In den vergangenen fünf Jahren habe ich mich sehr genau beobachtet, denn ich war lange im Rampenlicht und deshalb permanent mit der Frage beschäftigt, wie die Außenwelt mich wahrnimmt. Ich habe in mich hineingehorcht und mir die Frage gestellt, wie ich mich selbst gerne sehen möchte. Das hat dazu geführt, dass ich mich in meiner Haut heute wesentlich wohler fühle. Ich kann jetzt auch besser eine Grenze ziehen zwischen der Kunstfigur Boy George und dem Menschen, der ich abseits der Bühne bin. Dann bin ich einfach nur George. Natürlich ist das dieselbe Person, aber wenn ich mich schminke und den Hut aufsetze, werde ich zu dem, wofür mich die Leute halten. Damit ist also auch eine gewisse Verantwortung verbunden. Heute kann ich damit umgehen und diese Rolle ablegen. Als ich jünger war, konnte ich das nicht. Sie war rund um die Uhr meine Obsession.
Auf dem Album gibt es eine Coverversion von Yoko Onos Stück „Death Of Samantha“. Wie kam es dazu?
Ich war schon immer ein großer Fan von Yoko Ono und ihrer Musik. Ich streite mich oft mit Leuten, die behaupten, dass sie nicht singen kann und nur schreit. „Death Of Samantha“ ist ein Song, den ich schon seit Ewigkeiten toll finde. Ihre Version ist einfach umwerfend. Ich wünschte, ich hätte dieses Lied geschrieben. Ich habe die Coverversion aufgenommen und wurde anschließend nach London eingeladen, um dort auf dem Meltdown Festival aufzutreten.
Ein Festival, das in diesem Jahr von Yoko Ono kuratiert wurde.
Genau. Ich habe dort mit ihr arbeiten können und muss sagen, sie ist eine beeindruckende Person. Sie ist mittlerweile 82 Jahre alt und absolut fit. Einer der Gründe, warum ich sie so mag, ist, dass sie immer sie selbst war. Es gab nie andere Versionen von Yoko Ono. Sie hat sich nie das Gesicht liften, die Brüste vergrößern oder eine blonde Perücke aufsetzen lassen. Sie ist sich stets selbst treu geblieben. Tom Waits hat mal gesagt: „Prostituierte und Denkmäler – wenn du lange genug in ihrer Nähe rumhängst, bekommst du Respekt vor ihnen.“ Als ich Yoko in London auf der Bühne sah, merkte ich, dass das Publikum sie als musikalische Instanz wahrnahm. Ich mag sie einfach. Sie ist wie die Queen der sechziger Jahre.
Über Yoko Ono würden manche Leute sagen, sie sei ein Freak. Und was ist mit Ihnen? Sehen Sie sich als Freak?
Schon. Heutzutage ist es aber viel einfacher, schräg auszusehen. Was jemanden jedoch wirklich von anderen Menschen abhebt, ist das, was er denkt. Es reicht nicht, sich eine komische Kopfbedeckung aufzusetzen oder sich grün anzumalen. Es sind deine Ideen, die dich auszeichnen. Oft trifft man Menschen, die wahnsinnig interessant aussehen, und dann stellt man fest, dass sie völlig verquere politische Ideen haben. Man kann vom Aussehen nie auf die Person dahinter schließen. Wenn ich das Wort „Freak“ verwende, dann nicht abschätzig gemeint. Für mich ist es ein Kompliment. Manchmal fühlen sich die Leute angegriffen, aber für mich ist es ein sehr ehrenvoller Begriff.
Über Boy George
Boy George kam 1961 unter dem Namen George O’Dowd in der Nähe von London zur Welt. Bekannt wurde er als Sänger der Popband Culture Club, mit der er zwischen 1982 und 1986 Hits wie „Do You Really Want To Hurt Me“ und „Karma Chameleon“ hatte. Schrille Kostüme, viel Schminke und auffällige Hüte gehörten zu den Markenzeichen des androgynen Sängers, der heute als Ikone des Queer Pop gilt. Er hat weltweit etwa 150 Millionen Platten verkauft.
Nach der Auflösung von Culture Club startete Boy George 1987 mit dem Album „Sold“ in seine Solokarriere. Zwei Jahre später gründete er eine Plattenfirma und nahm ein Album unter dem Namen Jesus Loves You auf. In den Neunzigern etablierte er sich als DJ. Boy George war lange drogenabhängig, was ihm immer wieder Ärger mit Polizei und Justiz einbrachte. So wurde er 2006 in New York zum Straßenfegen verurteilt Inzwischen ist er clean und am Freitag erscheint „This Is What I do“, sein erstes Studioalbum seit 18 Jahren.
- „This Is What I Do“ von Boy George erscheint am 24. Januar bei Very Me Records/Rough Trade
Dennis Kastrup
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