David Bowie und Schottland: Bleibt bei uns!
Die schweigsame Sphinx und die Politik: David Bowie appelliert an die Schotten, gegen die Unabhängigkeit von Großbritannien zu stimmen.
Bei Preisverleihungen erwartet man von den Ausgezeichneten nicht unbedingt Geistesblitze. Eher ein paar Worte der Rührung oder der Fassungslosigkeit. Lautstarker Jubel, gerne auch einige Tränen. Unerwünscht sind hingegen politische Statements. Politik stört bloß beim Feiern, jedes Bekenntnis wirkt polarisierend. An diese ungeschriebenen Regeln hielt sich Alex Turner, Sänger der Arctic Monkeys, als er am Mittwochabend bei der Entgegennahme von zwei Brit Awards für das beste britische Album und die beste britische Band ausrief: „Der Rock ’n’ Roll wird einfach nie sterben.“ Und Harry Styles von der Boygroup One Direction sorgte bei der Gala in London für Heiterkeit, als er bei der Überreichung der Trophäe für das beste Video zu spät auf der Bühne erschien und sich entschuldigte: „Es tut mir so leid, ich musste Pipi. Die Toiletten sind sehr weit weg.“
"Rockstars sind Faschisten", verlautbarte Bowie einst
Tatsächlich sehr weit weg war an diesem Abend David Bowie, der es vorgezogen hatte, in New York zu bleiben. Dabei wurde der Sänger, dem im letzten Jahr mit dem Album „The Next Day“ ein überraschendes Comeback gelungen war, als bester britischer Solo-Künstler ausgezeichnet. Und das im für einen Popstar biblischen Alter von 67 Jahren. Bowie schickte Kate Moss vorbei, um den Preis abzuholen. Sie trug einen Science-Fiction-Anzug, der für Ziggy Stardust hätte geschneidert sein können. Die Dankesworte, die das Model vorlas, endeten mit Bowies Appell: „Schottland, bleib bei uns!“
Staatstragende Worte, wie sie auch Premierminister David Cameron gefallen müssten. Am 18. September werden die Schotten darüber abstimmen, ob sie unabhängig sein oder weiter bei Großbritannien bleiben möchten. In den Umfragen entschied sich bislang eine Mehrheit gegen die Abspaltung, auch weil dafür mit Kosten von tausend Milliarden Pfund gerechnet wird. Bowie hatte sich immer zur schweigsamen Sphinx stilisiert, mit Bekenntnissen war er nicht aufgefallen. Politisch geäußert hat er sich bloß zu Beginn seiner Karriere. So schwärmte Bowie 1975, fasziniert vom Hochglanz der NS-Ästhetik: „Hitler war der erste Popstar, ungefähr so gut wie Mick Jagger.“ Und: „Rockstars sind Faschisten.“
Worte, die einen gruseln lassen. Mit seinen Einlassungen zur nationalen Einheit demonstriert David Bowie nun, dass er beim Brit Award in die richtige Kategorie eingeordnet wurde: Er ist ein britischer Künstler.