Bill Cardoso über Ali vs. Foreman: Bizarrer Glamour
Schweißtreibende Gonzo-Literatur: Bill Cardoso treibt sich in seiner Reportage „Rummel im Dschungel“ am Rand des legendären Kampfes von Muhammed Ali gegen George Foreman herum.
Als Bill Cardoso sich im New Yorker Chelsea Hotel an die Schreibmaschine setzt, ist der Jahrhundertkampf vorbei und er selbst entkommen. Fünfzig Tage und fünfzig Nächte hat er in Zaire verbracht, ohne Pass und ohne Rückflugticket, die wurden von Mobutus Schergen einkassiert. Er litt unter der Hitze, dem Chaos, dem Wahn. Der amerikanische Reporter hat Kobras in offenen Abwässerkanälen gesehen, die sechs Meter lange Haut einer Python, viel Gras und ein Boxspektakel, das Geschichte schrieb.
Und das in Bill Cardosos Augen nie auf der Kippe stand: „Es war Alis größter Kampf von allen. Er lieferte einen Zu-Null-Kampf ab. Es war, als würde der Werfer keinen Schlag zulassen, ein perfektes Word-Series-Spiel“. Die unerträgliche Leichtigkeit der Fäuste, schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene. Aber um diesen Boxkampf geht es in Bill Cardosos Reportage eigentlich nur am Rande.
Wer detailliert den zur Legende gewordenen „Rumble in the Jungle“ geschildert bekommen will, der genau vor vierzig Jahren, am 30. Oktober 1974 um vier Uhr morgens zwischen Muhammed Ali und George Foreman in Kinshasa ausgetragen wurde, der soll Norman Mailers „The Fight“ lesen oder sich die Dokumentation „When we were kings“ von Leo Gast ansehen. Der Reporter Bill Cardoso, der 1937 in Cambridge, Massachusetts, geboren wurde und seine Karriere beim „Boston Globe“ begann, hat ganz anderen Stoff aus Afrika mitgebracht, härteren, verrückteren. „Alles, woran ich mich mit Sicherheit erinnern kann, ist, dass ich im Membling-Hotel Zimmer 263 hatte und meine Telefonnummer 601 war“, schreibt er.
Seine Reportage (die im Original lediglich „Zaire“ heißt) wurde vom Chefredakteur der „New York Times“, die ihn zu dem Kampf nach Kinshasa geschickt hatte, als „blödes Geschwafel“ abgetan und nie gedruckt, sie erschien erst 1984 in Bill Cardosos Buch „The Maltese Sangweech & Other Heroes“. Jetzt liegt sie erstmals auf Deutsch vor, in einer treffsicheren Übersetzung von Franz Dobler, unter dem Titel „Rummel im Dschungel“. Verleger Klaus Bittermann würdigt Bill Cardoso in einem schönen Nachwort als Erfinder des Gonzo-Journalismus, der wohl nie besonderen Wert auf diese Urheberschaft legte.
Mit Zeitgenossen wie Hunter S. Thompson, Budd Schulberg (Autor von „Schmutziger Lorbeer“) oder Harold Conrad (vormals Pressesprecher für Mobsterboss Bugsy Siegel) hängt Cardoso in Kinshasa fest, raucht zu viel vom starken „Kongo weed“ und steigert sich in eine Paranoia, die ihn bis nach Hause verfolgen wird. Was, wenn nicht Voodoo, könnte dafür verantwortlich sein, dass ihm über der Schreibmaschine ein Zahn ausfällt?
„Rummel im Dschungel“ ist ein fiebriges, schweißtreibendes Stück Gonzo-Literatur. Ein packendes Zeitporträt. Und nicht zuletzt ein faszinierendes Afrika-Buch, das befremdet, stoned und doch mit Insider-Stolz auf den schwarzen Kontinent blickt. Bill Cardoso, der sich vorgenommen hat, „müde wie ein ausgebrannter Kampfpilot bei der Einsatzbesprechung“ von seinen Erlebnissen zu berichten, schildert einen Ausnahmezustand, der zu seinem Alltag wurde: das lange Warten auf den verschobenen Kampf (weil George Foreman sich verletzt hatte), den bizarren Glamour einer geldgeilen Boxwelt voller Figuren wie Don King, die irren Gepflogenheiten des Mobutu-Regimes. „Wenn ich die Macht hätte“, schreibt Cardoso, „würde ich diese Sorte Typen in den Wind schießen, ihre zynischen Ärsche aus den U.N. rausschmeißen und die Leute Party machen lassen“
Bill Cardoso: Rummel im Dschungel. Eine Reportage aus Kinshasa. Aus dem amerikanischen Englisch von Franz Dobler, Edition Tiamat, Berlin 2014. 112 S., 12 €. Buchvorstellung mit Klaus Bittermann: Donnerstag, 30. Oktober, 20 Uhr, Fahimi, Skalitzer Str. 133.
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