Kultur: Billy Wilder: Seine Farce hat die Mauer überlebt
1961, nach dem 13. August, musste das Brandenburger Tor in München nachgebaut werden, für damals stolze 200 000 Mark, und das kam so: Billy Wilder drehte im Sommer 1961 am echten Brandenburger Tor die Kalte-Kriegs-Klamotte und Coca-Cola-Komödie "Eins, Zwei, Drei", inzwischen als die turbulenteste und intelligenteste Farce über den Ost-West-Konflikt in Berlin längst kanonisiert, und da besaßen die Vorläufer der PDS die Frechheit, gegen die Interessen Wilders und - angeblich - für die Interessen des Friedens eine Mauer durch die Stadt zu bauen.
1961, nach dem 13. August, musste das Brandenburger Tor in München nachgebaut werden, für damals stolze 200 000 Mark, und das kam so: Billy Wilder drehte im Sommer 1961 am echten Brandenburger Tor die Kalte-Kriegs-Klamotte und Coca-Cola-Komödie "Eins, Zwei, Drei", inzwischen als die turbulenteste und intelligenteste Farce über den Ost-West-Konflikt in Berlin längst kanonisiert, und da besaßen die Vorläufer der PDS die Frechheit, gegen die Interessen Wilders und - angeblich - für die Interessen des Friedens eine Mauer durch die Stadt zu bauen. Die Mauer hat nicht überlebt, der Film schon.
Und er dokumentiert aufs Schönste, dass Billy Wilder, der heute 95 Jahre alt wird, nicht nur den Hollywoodfilm aller Hollywoodfilme ("Sunset Boulevard"), den schwärzesten Schwarze-Serie-Krimi ("Double Indemnity"), die heißeste Klamottenkomödie und den schärfsten Monroe-Film ("Some Like It Hot"), das Sittenstück der beginnenden Sechziger ("Das Apartment"), einen der besten "Hitchcocks" ("Zeugin der Anklage"), den ultimativen Film über den Sensationsjournalismus ("Ace in the Hole") mit Kirk Douglas, das definitive romantisch sarkastische Fünfziger-Jahre-Melodram "Sabrina" (mit der unvergleichlichen Audrey Hepburn) gemacht hat - nein, er war auch der Berlin-Filmer per excellence.
Schon in der Stummfilmzeit schrieb Wilder als Drehbuchautor den dokumentarisch-veristischen Film "Menschen am Sonntag", ein Gemeinschaftswerk von Kurt und Robert Siodmak, Eugen Schöfftan, Fred Zinnemann und Edgar G. Ulmer - der Elite der Berliner Film-Avantgarde, die allesamt nach Hollywood emigrierte. Für Gerhard Lamprecht schrieb Wilder 1931 "Erich und die Detektive" nach Erich Kästner. Der Film, unter Berliner Gören spielend, ist ein liebevolles Porträt der Stadt, die mitspielt und die Wilder (damals noch nicht Wailder ausgesprochen) aus dem Effeff und dem Romanischen Cafe kannte: als "BZ"-Reporter wie als Eintänzer im "Hotel Eden". In "A Foreign Affair" von 1946 (einem leider in den Archiven verschwundenen bitterbös-komischen Meisterwerk) ist Berlin kaum wiederzuerkennen - es ist so, wie es Wilder als Kulturoffizier der US-Army wieder sah. Die Komödie über das Fraternisieren, den Schwarzen Markt, die untergetauchten Nazis mit der unvergleichlichen Marlene Dietrich und ihren mit rauchiger Stimme gesungenen Friedrich-Hollaender-Liedern ist auch ein Dokument der Kriegsverheerungen: Wilder durfte offizielle Luftaufnahmen des zerbombten Berlin verwenden. Am Schluss dann, wie gesagt, "Eins, Zwei, Drei": längst ein Kultfilm, und Wilder hätte aus Lieselotte Pulver und Horst Buchholz mühelos Hollywood-Stars gemacht, hätte ihm der Mauerbau nicht den Spaß vermasselt - ihm, der ganzen Stadt und dem Rest der Welt. Tempi passati. Aber wenn Lilo Pulver im Gepunkteten vor den Russen auf dem Tisch tanzt, dann ist sie, gut gelaunt, selbstironisch, komisch und sexy, wirklich so etwas wie eine deutsch-schweizerische Cousine der Marilyn Monroe mitten im geteilten Berlin.
Hellmuth Karasek
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