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Powerfrau. Beyoncé sagt, sie sei Feministin, „irgendwie“.
© Mason Poole

Neues Album: Beyoncé: Gaga in Georgien

Schunkelnder Säuselpop mit viel Tam-Tam: Beyoncé bringt ihr viertes Album heraus. Es heißt schlicht "4" und ist ein äußerst routiniertes Werk.

Der 27. April war ein entscheidender Tag im Leben von Beyoncé Knowles. Die Sängerin, die alle nur unter ihrem Vornamen kennen, die Madonna des R ’n’ B, eine der weltweit größten Hitmaschinen der Musikindustrie, erfuhr an jenem Frühlingstag, wie hoch ihre neue Single „Run The World (Girls)“ in die US-Charts einsteigen würde. Lady Gaga stand gerade unanfechtbar an der Spitze und die von Beyoncés Ehemann Jay-Z entdeckte Sängerin Rihanna verstopfte in Dauerrotation die Sendeplätze, die früher für Beyoncés Musik reserviert waren. Es war klar: Das Lied musste ein Hit werden.

Die gebürtige Texanerin wagt sich weit hinaus mit diesem Track. Sie singt über einen Beat, der klingt, als würde er auf hohlen Hölzern geklopft, die Rhythmen variierten, ein wuchtiges Sample des Dancehall-Projekts Major Lazer untermauert das Ganze. Dieses Projekt des Produzentenduos Diplo & Switch wirkte entscheidend an dem Titel mit. Und so erinnert der Sound denn auch an den der britischen Krawallsängerin M.I.A. – die prominenteste Kundin des Duos.

Doch es nützte nichts. Das Lied stieg nur auf Platz 33 in die Charts ein, es war eine mittelschwere Katastrophe. Noch viel schlimmer: Der Flop kündigte das lang erwartete vierte Album an, das diesen Freitag erscheint. Was ist falsch gelaufen? Die Sängerin galt als das Fort Knox der Branche, so sicher und beständig verkauften sich ihre drei Alben zwischen 2003 und 2009, über 75 Millionen Mal. Die Kritiker nahmen die Musik wohlwollend auf, ihre Fans liebten sie abgöttisch. Beyoncé stand für vernünftigen Soul, eingängige Pop-Melodien und einen windbeutelleichten Feminismus. Haben die Mädchen von ihrem Selbstermächtigungsgehabe genug? Finden Sie womöglich das knallige Angebot von Lady Gaga attraktiver, das zwar kostümschwer daherkommt, aber mit der Zelebrierung des Andersseins in allen Facetten ziemlich klare Konstanten aufweist?

Die 29-Jährige hat ein Problem – und das wird ihr neues Album „4“ nicht ändern. Es trägt das Dilemma schon im Titel. Beyoncé Knowles gibt sich unprätentiös. Und niemand nimmt ihr die raubkatzengleiche Revolutionärin ab, die im Videoclip von „Run The World“ mit zwei Hyänen vor einem Straßenschild nach Tiflis zu sehen ist – ein Motiv, das an die Revolution in Georgien erinnern soll, in diesem Zusammenhang aber nur wirr wirkt. Und von den äußeren Eindrücken erdrückt wird. Die Outfits von Alexander McQueen, Jean-Paul Gaultier, Gareth Pugh und Emilio Pucci wechseln sich rasend schnell ab. Beyoncé tanzt mit der mosambikanischen Gruppe Tofo Tofo einen Kwaito-Tanz, Dutzende Mädchen springen aus geöffneten Käfigen, es ist ein visuelles Tohuwabohu.

Was ist aus der Schmusekatze geworden, als die sie mit Hits wie „Halo“ und „Irreplacable“ berühmt wurde? Sie ist noch da, denn das „Girls“-Trampelstück ist nicht typisch für die Platte. Darauf finden sich zwölf Songs, die mehrheitlich sanft vor sich hin schunkeln. Der Opener „1+1“ erinnert an die großen Balladen einer Whitney Houston oder Mariah Carey. Streicher säuseln im Hintergrund, ein Gitarrenriff jubelt Rauheit in homöopathischen Dosen unter – und man kann sich junge Mädchen vorstellen, die das Lied zu Hause vor dem Spiegel üben und demnächst in Casting-Shows an ihm scheitern. Keinen Deut anders geht es in „I Care“ zu, das auf digitale Schlummer- Beats und einen La-La-La-Frauenchor setzt. Das ist kalkuliert unaufgeregt, sauber eingespielt, sehr sauber gesungen und natürlich völlig frei von Überraschungen.

Immer wieder bringt sich die Künstlerin selbst als ausgewogene Feministin ins Gespräch. Nicht nur in den Liedern. Der US-Zeitung „The Daily Mail“ gestand sie, sei sei eine Feministin – „irgendwie“. Der Grund: Sie habe seit früher Jugend viel Umgang mit Mädchen gehabt – und das habe sie vor viel Ärger bewahrt. Sie würde niemals die Freundschaft zu einer Frau für eine Beziehung opfern.

Ihre nächste Single „Best Thing I Never Had“ ist ein gutes Beispiel für diese schwammige Ich-trete-für-Frauen-ein- wenn-es-nicht-wehtut-Haltung. Darin erzählt sie die Geschichte einer Frau, die einen vielleicht gewalttätigen, möglicherweise aber auch nur maulfaulen Liebhaber verlässt und nun glaubt, dass der bestimmt leidet. „It sucks to be you right now“, setzt sie nach. Das ist nicht derselbe scharfe Ton der ersten Single, aber dieselbe Kerbe. Und in die haut sie schon in ihrer ganzen Karriere: Ich ziehe mein Ding durch, auch wenn ich eine Frau bin. Ihre ersten Hits hatte Knowles mit der Mädchenband Destiny’s Child. Der Hit „Bills, Bills, Bills“ handelte 1999 davon, lieber selbst ihre Rechnungen zu bezahlen, als sich von einem Mann aushalten zu lassen. Da war sie gerade mal 18 Jahre alt und hatte sicher noch keine großen Erfahrungen mit Ratenzahlungen.

Beyoncé war damals Mittelpunkt eines christlichen Familienunternehmens. Ihr Vater Mathew managte die Band, ihre Mutter Tina schneiderte angeblich in Heimarbeit die knappen Kostüme. Neben Beyoncé sang ihre Freundin Kelly Rowland, andere Mädchen kamen und gingen. Destiny’s Child wuchs bis zur Auflösung 2007 zur Band von Beyoncé an. Seit Beginn dieses Jahres ist Mathew Knowles nicht mehr Manager seiner Tochter, die Eltern ließen sich scheiden.

Für das neue Album scheint das alles irrelevant zu sein. „4“ ist Beyoncé auf Autopilot: gut produzierte Prozac-Musik, die manchmal zu viel Tamtam um hohe Noten macht. Die Sängerin scheint immer das Maximum aus ihrer Stimme herausholen zu wollen. Sie wirft sich stän dig in ein theatralisches Rauf und Runter. Wie sie mit ihrer Intonation unsichtbare Kreise zeichnet, zehrt an den Nerven. Und die möchte man gegenüber einer vernünftigen Frau wie ihr einfach nicht verlieren.

Beyoncé: 4, erscheint am Freitag, 24.6., bei Sony

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