Forderung nach festen Ausstellungsetats: Berliner Landesmuseen brauchen Sicherheit
Berlinische Galerie, Kolbe-Museum und Bröhan-Museum glänzen mit eigenen Ausstellungen, haben dafür aber keinen eigenen Etat.
Eigentlich war Museumsdirektor Thomas Köhler fest entschlossen, die Eröffnung der Jeanne-Mammen-Retrospektive Anfang Oktober freudig zu begehen. Schließlich hatte er für die wichtigste Ausstellung des Jahres in der Berlinischen Galerie zu guter Letzt doch noch alle gewünschten Leihgaben zusammenbekommen, wenn auch nach einer Zitterpartie. Der Transport zweier Gemälde aus New York nach Berlin gelang ihm am Ende nur durch einen Spendenaufruf. Die Lotto-Stiftung hatte einen Antrag nicht vollständig genehmigt, prompt klaffte eine Lücke im Ausstellungsbudget und die Berlinische Galerie musste sich selbst trickreich um die Finanzierung des Transfers kümmern.
Doch ausgerechnet bei der Mammen-Eröffnung verhagelte es Thomas Köhler wieder die Laune. Kurz zuvor hatte er erfahren, dass ihm die Lotto-Stiftung diesmal einen Wunsch komplett versagt hatte – und das für die wichtigste Ausstellung des darauffolgenden Jahres, zur „Novembergruppe“. Ausgerechnet die Jubiläumsschau, ein Jahrhundert nach Gründung dieser bedeutenden Künstlervereinigung, die wie keine andere die Verbindung von Kunst und Politik in der Weimarer Republik verkörperte, war damit gefährdet und der wichtigste Beitrag zum Themenjahr „Ende des Ersten Weltkrieges“ infrage gestellt. 617 000 Euro sollte sie kosten, 400 000 Euro waren bei Lotto beantragt. Die Ablehnung kam völlig unerwartet.
Inzwischen sieht es für das Projekt wieder besser aus. Der Hauptstadtkulturfonds, bei dem die Berlinische Galerie einen abgespeckten Antrag eingereicht hatte, hat gerade seine Entscheidungen für 2018 bekannt gegeben: 7,613 Millionen Euro für insgesamt 100 Projekte, darunter auch die „Novembergruppe“. Von den beantragten 467 500 Euro bekommt die Berlinische Galerie zumindest 120 000 Euro, auch die Ernst-von-Siemens-Stiftung gibt Geld. Die Schau ist damit so gut wie gerettet.
Warum ein Antrag abgelehnt wird, erfahren die Antragsteller nicht
Dagegen befand sich Julia Wallner nach Bekanntgabe der Entscheidungen zunächst in einem Zustand der Schockstarre, wie sie es beschreibt. Die Direktorin des Georg-Kolbe-Museums hatte mit ihrem Antrag beim Hauptstadtkulturfonds weniger Glück und muss sich nun überlegen, wie sie 2018 ihre geplante Ausstellung „Körperkult und Rassenwahn“ doch noch stemmt. Sie untersucht jenen „Kippmoment“, in dem sich die Körperbegeisterung in der Skulptur der 20er Jahre in ideologische Überhöhung wandelt.
Berlinische Galerie wie Kolbe-Museum haben in den letzten Jahren mit hervorragenden Ausstellungen auf sich aufmerksam gemacht – die Berlinische Galerie zuletzt mit „Wien, Berlin“ und „Dada Afrika“ und eben Jeanne Mammen, das Kolbe-Museum mit Präsentationen zu Alfred Flechtheim, Hans Arp und Auguste Rodin. Die beiden engagiert geführten Häuser hätten es verdient, auf solider Grundlage arbeiten zu können.
Was die Gründe für eine Absage sind, erfahren die Antragsteller grundsätzlich nicht: Gab es zu viele weitere historische Ausstellungen? Sollten diesmal andere an die Reihe kommen? Doch Julia Wallner will sich nicht unterkriegen lassen. „Man schafft es immer irgendwie – aber es geht schon an die Substanz, und gute Museumsarbeit zeichnet sich eben durch Stetigkeit aus“, so die Museumsdirektorin. Im Frühjahr will sie nochmals einen Antrag stellen. Doch diese „Jonglage“ zum Jahresende, das unsichere Gefühl noch immer im Januar, das alles belastet, beklagen die Museumsmanager.
Berlins Landesmuseen haben es nicht leicht, wenn es um ihre Jahresetats geht. Die Grundversorgung ist zwar gesichert. Seit vier Jahren werden Tarif- und Preisindexsteigerung ausgeglichen. Unter Wowereit mussten die Häuser das noch selber hinkriegen. Das von Hans Werner Schmidt, bis April 2017 Direktor des Leipziger Museums der bildenden Künste, einst geprägte Bonmot, die museale Trias aus Sammeln, Bewahren und Forschen werde ersetzt durch „Wasser, Strom, Heizung“, trifft auf die Berliner Häuser nicht mehr zu.
Auch beim Ankaufsetat sieht es zumindest für die Berlinische Galerie seit dem vergangenen Jahr besser aus: Sie verfügt mit 250 000 Euro über ein festes Budget, um ihrem Auftrag gerecht zu werden, „zeitgenössische, in Berlin produzierte Kunst“ zu erwerben. Die gleiche Summe steht auch der Förderkommission des Landes zur Verfügung, um Werke für Stadtmuseum, Kupferstichkabinett, die Videosammlung des Neuen Berliner Kunstvereins und Berlinische Galerie zu erwerben. Untereinander aufgeteilt bleibt trotzdem nicht genug. Dann springen die Fördervereine ein, die sich häufig auch bei Ausstellungen engagieren. So übernimmt der Freundeskreis der Berlinischen Galerie die Finanzierung einer Ausstellung pro Jahr, 2017 war es „Die fotografierte Ferne“.
Die Landesmuseen müssen sich von Antrag zu Antrag hangeln
Über den Landesmuseen schwebt trotzdem ein Damoklesschwert, anders als die Staatlichen Museen besitzen sie keine Planungssicherheit. In der Direktionskonferenz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ringen allerdings Jahr um Jahr 15 Sammlungen um einen gemeinsamen Topf: 4,8 Millionen standen 2017 zur Verfügung, plus Drittmittel inklusive der Gelder von Freundeskreisen in Höhe von 2,5 Millionen Euro – macht durchschnittlich etwa 120 000 Euro pro Ausstellung. Die Gesamtsumme hat sich in den letzten drei Jahren zwar sukzessive gesteigert, doch für Großprojekte wie „Hello World. Revision einer Sammlung“ ab März im Hamburger Bahnhof müssen auch die Staatlichen Museen Anträge stellen, wenn das Geld nicht reicht, etwa bei der Kulturstiftung des Bundes.
Die Landesmuseen aber haben für jedes einzelne Ausstellungsvorhaben Anträge zu schreiben: beim Hauptstadtkulturfonds, bei der Lotto-Stiftung oder dem City-Tax-Topf, aus dem jedoch bisher eher die Off-Szene subventioniert wurden. „Der ganze Antragswahnsinn verschleißt die Institutionen“, dessen ist man sich auch in der Kultursenatsverwaltung bewusst, eine Reform des Fördersystems ist dennoch nicht geplant.
Dabei steht der Kulturhaushalt besser denn je da. 2018 würde er sich gegenüber dem Vorjahr um knapp 100 Millionen Euro (inkl. 40 Millionen Euro Investitionen in die Infrastruktur) auf 625,6 Millionen Euro erhöhen, stimmt das Abgeordnetenhaus am 14. Dezember dem Doppelhaushalt 2018/2019 zu. Während es in Hamburg einen Projekttopf mit einer Million Euro für die Museen des Stadtstaates gibt, besteht in Berlin weiterhin Spartenkonkurrenz. Um die bereitgestellten Gelder bemühen sich gleichermaßen die Macher aus Tanz, Film, Musik, Literatur und darstellender Kunst. Genau hier setzt die Kritik der Museumsleute an. Es sei zwar schön, dass die Kultur pluralistischer werde, so Julia Wallner, aber die Museen leisteten zugleich Forschung, aus der heraus sie ihre Ausstellungen entwickelten. Ein verstetigtes Budget würde diese besondere Arbeit honorieren. Ob sie es wollen oder nicht, die einzelnen Sparten werden gegeneinander ausgespielt, Gerechtigkeit gibt es nicht.
Umso dringlicher formuliert Thomas Köhler seinen Appell, dass die Landesmuseen endlich feste Ausstellungsetats erhalten, um zuverlässig arbeiten zu können. Für die Berlinische Galerie schweben ihm 450 000 Euro vor. Mit Charme und Hartnäckigkeit verfolgt er sein Ziel: Wann immer Kultursenator Lederer im Hause weilt – etwa zur Bekanntgabe, dass die Stelle für Provenienzforschung entfristet werden kann –, richtet er sein „Ceterum censeo“ an ihn und verbindet es mit einer deutlichen Warnung: Für die Landesmuseen bestehe die Gefahr, dass sie von den großen Häusern der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zunehmend an den Rand gedrückt werden.
Die Gefahr: Museumsinsel und Humboldt-Forum dominieren die Szene
Den Mitte-Sog mit den großen Tankern auf der Museumsinsel sieht Direktor Köhler skeptisch, zumal wenn das Humboldt-Forum erst einmal eröffnet ist und auch noch freien Eintritt bietet. Die Landesmuseen dagegen brauchen ihre Eintrittsgelder, um damit die nächsten Ausstellungen zu finanzieren. Mit Jeanne Mammen läuft es gerade wieder gut für die Berlinische Galerie. Rund 40 000 Besucher haben die Ausstellung bereits gesehen, mindestens ebenso viele dürften es auch in der zweiten Halbzeit werden.
Die bisher weniger bekannte 20er-Jahre-Künstlerin würde sich damit auf gleicher Höhe wie Weltstar Max Beckmann befinden, dessen Retrospektive 2015/16 über 80 000 Besucher mobilisierte. Ihr Bild, das Köhler durch den Spendenaufruf im letzten Moment aus New York nach Berlin holen konnte, brachte auch ein Stück Geschichte zurück: Darauf zu sehen ist ein Paar auf der Terrasse des Café Reimann am Kurfürstendamm, in dem einst Marlene Dietrich, Alfred Kerr, Friedrich Hollaender verkehrten. Zum ersten Mal ist es dort öffentlich zu sehen, wo es entstand. Die nächste Spendenaktion, diesmal für die „Novembergruppe“, ist schon geplant.
Berlinische Galerie, Alte Jakobstr. 124–128, „Jeanne Mammen. Die Beobachterin“, bis 15. 1.; Mi–Mo 10–18 Uhr.
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