Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: Bass erstaunt
Marek Janowski und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin spielen Bach und Beethoven in der Philharmonie
Zunächst ist der Seltenheitswert des Programms zu begrüßen, das in den Brunnen der Musikgeschichte steigt. Eine „Cantata“ ohne Chor und Bibelwort steht für den Newcomer im Repertoire des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin: Johann Sebastian Bach. Das Werk „Geist und Seele wird verwirret“ macht es dem heutigen Publikum nicht leicht, weil der erste Teil seines barocken Textes die Wunderheilungen Jesu auf Erden preist und der zweite die Sehnsucht nach dem Tod. Diese Arie im Dreiachteltakt hat zudem noch tänzerischen Charakter: „Ich wünsche mir bei Gott zu leben, ach! wäre doch die Zeit schon da.“
Hinter der Kantate versteckt sich das Bruchstück eines Solokonzerts, und die Rarität begegnet uns mit obligater Orgel, die von der Lettin Iveta Apkalna mit vehementem Einsatz gespielt wird. Koloratur- und intonationssicher singt die Österreicherin Elisabeth Kulman die Altpartie, ohne ihren Vortrag mit besonderen Eigenschaften auszustatten.
Das RSB führt auch Mitropoulos' Orchesterfassung von Beethovens Streichquartett op. 131 auf
Nur wer eine so wunderbare Streicherkultur erworben hat wie das RSB unter seinem Chefdirigenten Marek Janowski, kann sich an die Orchesterfassung wagen, die Dimitri Mitropoulos aus Beethovens Opus 131 gemacht hat. Dieses cis-Moll-Werk zählt zu den späten Streichquartetten des Komponisten, wird verehrt, gefürchtet, gelobt und weniger gehört. Die Bearbeitung, die Leonard Bernstein entzückt hat, ein historisches Dokument aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, macht die sieben Sätze leichter konsumierbar. Das heißt, dass die Adagio-Fuge sanfter, gefälliger klingt, als wenn „das Schwermütigste, was je in Tönen ausgesagt worden“ (Richard Wagner), etwa vom Alban-Berg- Quartett intoniert wird.
Im Chorischen des großen Orchesters verliert die erste Violine an Aussagekraft, während hier die Pizzikati höchst brillant durch die Stimmen des Presto fliegen. Raffiniert geht die Instrumentierungskunst mit den acht Kontrabässen um, die der Cellogruppe als Grundgewalt nicht durchgehend, sondern im Sinn von klanglicher Steigerung zur Seite treten. Das bringt Hell-dunkel-Charaktere ein, weniger jedoch die im Uraufführungsjahr 1828 erkannten „seelenkranken Stimmungen“ des Komponisten.
Da Janowski die Partitur mit der ihm eigenen Inbrunst dirigiert, wird sie in der Philharmonie zu einer Art von romantischem Meisterwerk.