Ausstellung: "Based in Berlin": Das nächste große Ding
Eine Ausstellung sucht nach den Künstlern der Zukunft - und nach Kriterien für die Auswahl. "Based in Berlin" gibt sich betont subkulturell.
Die Kunst muss sich beeilen. In Berlin hat sie lange dem Prinzip der charmanten Improvisation gehorcht und sich in Baulücken, baufällige Häuser und andere ungeliebte Architektur gezwängt. Nun wird saniert oder abgerissen wie vor Jahren der Palast der Republik. Weil das einstige Repräsentationsgebäude der DDR politisch unerwünscht und allen Plänen für das neue alte Stadtschloss im Weg war. Bis dahin aber gab es eine einzigartige Spielwiese für die Kunstszene ab. Ausgerechnet hier hat 2005 eine Geschichte begonnen, die inzwischen ganz und gar zum Politikum geworden ist.
Man muss an die Palastruine noch einmal erinnern, um die Wurzeln von „Based in Berlin“ freizulegen. Einer Ausstellung, die nächsteWoche an einem anderen zentralen Ort eröffnet und mit der sich so viele Hoffnungen wie kritische Diskussionen verbinden. Es hat sich viel angestaut seit jenem Ereignis vor sechs Jahren, das „White Cube Berlin“ hieß und zur Projektionsfläche wurde. Dabei war es eine schnell zusammengezimmerte, von Künstlern getragene Schau – beseelt jedoch vom Geist Berlins. 36 Künstler, darunter Thomas Scheibitz, Christoph Schlingensief und Olafur Eliasson, organisierten mit Unterstützung zweier Kuratorinnen in knapp drei Wochen eine großartige Ausstellung im Palast der Republik. Sie machte das kreative Potenzial der Stadt für alle deutlich.
Der Erfolg von damals befeuert jetzt „Based in Berlin“. 80 junge, nicht etablierte Künstler stellen aus, was für Furore sorgen soll. Auch wenn die Initiative diesmal von Klaus Wowereit und damit von offizieller Seite ausgeht, gibt sich das Projekt betont subkulturell. Es wird Performances, etwa von Mariechen Danz, geben, dazu Lesungen und Diskussionen. Und es sind Off-Galerien wie After the Butcher oder Autocenter, die seit Jahren in Lichtenberg und Friedrichshain bemerkenswerte Ausstellungen machen, zur Dokumentation ihrer Arbeit eingeladen. Nicht zuletzt wählte man zur Zwischennutzung erneut ein Gebäude, das es bald nicht mehr geben wird: Das ehemalige Atelierhaus im Monbijoupark rottet vor sich hin und soll abgerissen werden. Hier zieht ein Großteil der Arbeiten ein.
Nun war schon zu „White Cube“-Zeiten die Zahl der hier ansässigen Künstler nicht eben gering. Inzwischen aber ist der Kreis der potenziellen Kandidaten explodiert: 6000 Künstler arbeiten nach Schätzungen in der Stadt. Wer wie die fünf Jungkuratoren nur Platz für 80 Teilnehmer hat, braucht also weitere Maßstäbe für die Auswahl. Neben der Konzentration auf Künstler mit dem „Lebensmittelpunkt in Berlin“ hat sich das Team um Magdalena Magiera, Jakob Schillinger und Angelique Campens auf das Kriterium des „emerging artist“ geeinigt. Was immer das genau heißen mag, „aufregend“ muss man in den letzten fünf Jahren gewesen sein.
Inzwischen ist die Liste der Teilnehmer offiziell. Tatsächlich verzichtet „Based in Berlin“ auf die ganz Etablierten. Namen, die im Palast noch Zugpferde waren, sucht man vergeblich. Dafür tauchen Youngsters wie Danh Vo auf, der 2009 für den Preis der Freunde der Berliner Nationalgalerie nominiert war. Oder Keren Cytter, die im selben Jahr mit ihren Videos um die Auszeichnung konkurrierte. Eingeladen ist auch Kitty Kraus, aktuelle Kandidatin für den hoch dotierten Preis und im September im Hamburger Bahnhof zu sehen. Nina Canell oder Tue Greenfort, der 2008 mit einer großen Einzelausstellung im Braunschweiger Kunstverein zu sehen war, sind dabei. Und Matthias Fritsch, dessen mehrminütige Filmsequenz „Kneecam No. 1“ über Youtube schon über 20 Millionen Klicks generiert hat. Dass es keine Berührungsängste mit neuen medialen Formaten gibt, vermag die Liste zu vermitteln. Nicht aber, weshalb eine ganze Riege von Künstlern fehlt, die nach Demand oder Eliasson das exzellente Niveau Berlins gehalten hat: Alicja Kwade, Gregor Hildebrandt oder Katja Strunz.
Es scheint, als wolle „Based in Berlin“ so tief wie möglich graben, um die Talente von morgen zu präsentieren. Und vergisst dabei, dass die Ausstellung noch andere Funktionen erfüllen muss. Vor knapp zwei Jahren träumte Wowereit von einer ständigen Ausstellungshalle am Humboldthafen, die er gegen alle Vorbehalte durchsetzen wollte. Die Künstler fühlten sich instrumentalisiert, die Institutionen übergangen. Dann verweigerte auch die Berliner SPD ihre Gefolgschaft und kippte das Projekt aus finanziellen Gründen. „Based in Berlin“ ist das Resultat dieser Diskussion um einen institutionellen Ort mit überregionaler, wenn auch nicht internationaler Ausstrahlung. Und sicher schadet es nicht, wenn der Regierende Bürgermeister bis zu den Wahlen im September noch ein spektakuläres Projekt vorweisen kann.
Vielleicht geht deshalb nun alles ganz schnell. Mit einem Tempo, das auch gleich wieder Unmut hervorrief. Im Oktober kursierte das unglückliche Wort einer „Leistungsschau“, für die alle in Berlin lebenden Künstler ihr Portfolio einreichen konnten. Ziel war laut Wowereit eine „Bestandsaufnahme, um die Debatte um eine ständige Berliner Kunsthalle zu beleben und so zu qualifizieren, dass Senat und Abgeordnetenhaus mit dem nächsten Haushalt eine Entscheidung fällen können“. Weit über 1000 Mappen wurden daraufhin eingereicht, doch der open call brachte nicht das gewünschte Ergebnis. Stattdessen formierte sich überall Widerspruch: „Die Leistungsschau instrumentalisiert künstlerische Arbeit zu Zwecken des Stadtmarketings und der Ökonomisierung der Kultur“, hieß es Anfang des Jahres in einem Offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister. 2500 Künstler, Kritiker und Kuratoren unterschrieben, zahllose Debatten folgten. Wo stehst du? Und willst du dich als Ausweis für die Produktivität einer Stadt vorführen lassen? Viele Kandidaten schickten erst gar keine Bewerbung los.
Verstummt ist die Kritik nicht, aber sie ist leiser geworden. Was auch daran liegen mag, dass sich „Based in Berlin“ zu einem Machtfaktor entwickelt hat. Den jungen Kuratoren stehen mit Klaus Biesenbach (MoMA New York), Christine Macel vom Centre Pompidou in Paris und Hans Ulrich Obrist (Serpentine Gallery London) einflussreiche Berater zur Seite. Von den ursprünglichen Bewerbern wurde bloß ein Bruchteil eingeladen, die übrigen Teilnehmer hat man nach zahllosen Atelierbesuchen direkt angefragt. Das Budget der Ausstellung beträgt insgesamt 1,6 Millionen Euro, ein Teil davon fließt in die Produktion neuer Arbeiten – für Künstler einer jungen Generation eine ungewohnte Unterstützung. Dennoch vermisst man nach wie vor Aussagen zum Konzept.
Als jüngst drei Dutzend Galeristen aus Berlin zu einem Gespräch mit den Kuratoren geladen wurden, kam ähnliche Kritik auf. „Da mussten wir Galeristen fragen, ob die Kuratoren nach ihren Atelierrundgängen nun ein paar Thesen formulieren können; oder erklären und in der Ausstellung deutlich machen, worin das Spezifische für Berlin besteht. Das ist absurd“, sagt ein Teilnehmer. Antworten darauf sind die Organisatoren bislang schuldig geblieben. Mehr Zeit für konzeptuelle Überlegungen hätte dem Projekt gut getan. Auch für die dringend notwendige Anstrengung, mit der man das ewig Improvisatorische endlich abstreifen will, um im künstlerischen Sektor ähnlich professionell zu arbeiten, wie man es von London, New York oderParis kennt. Berlin muss sich beeilen, das ist sicher. Aber doch nicht so.
Based in Berlin: Ausstellung Berliner Gegenwartskunst. Atelierhaus Monbijoupark, 8. Juni bis 24. Juli 2011, Eintritt frei.
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