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Der Mann mit dem Schlüssel. Die Wege des Hausherren zwischen Barenboim Said Akademie und Staatsoper fallen in Zukunft kurz aus.
© Staatsoper/Holger Kettner

Neue Staatsoper in Berlin: Barenboims Kampf um den Nachhall

"Machen Sie das nicht!", warnte Richard von Weizsäcker ihn einst. Jetzt steht die sanierte Staatsoper kurz vor der Wiedereröffnung. Ein Treffen mit dem Chef.

Zurzeit wird Daniel Barenboim andauernd gefragt, ob er sich denn nun freue. Der Bebelplatz, befreit von Baucontainern, Beethovens Neunte vor der rosa getünchten Staatsoper, Generalprobe für Schumanns „Szenen aus Goethes Faust“ im neuen alten Saal. Endlich zurück Unter den Linden, nach mehr als sieben Jahren im Charlottenburger Exil. Und auf seine spezielle Art freut sich Barenboim ja auch.

Die neue Akustik, für die die Saaldecke um über vier Meter angehoben werden musste, hat sich für ihn spürbar verbessert, weg vom staubtrocken und elektronisch erzeugten Nachhall. „Ich weiß, ich habe mich mit der Forderung für mehr Nachhall nicht populär gemacht“, sagt Barenboim. „Wenn es aber zu wenig Nachhall gibt, stirbt der Ton. Gibt es zu viel, verliert er die Durchsichtigkeit.“

Deutlich bessere Akustik

Der Ton macht die Musik, niemand weiß das besser als Barenboim. Im Ringen um das Erscheinungsbild der sanierten Staatsoper hatte der Generalmusikdirektor des Hauses einen modernen Saal favorisiert, mit einem zusätzlichen Rang, bester Sicht von allen Plätzen und einem angemessen großstädtischen Restaurant auf dem Dach. Dort würde Barenboim jetzt sein Mittag einnehmen und nicht im nahe gelegenen Hotel de Rome.

Bei einem „wirklich blutigen“ Steak erinnert er sich daran, wie ihn Richard von Weizsäcker anrief. „Daniel, machen Sie das nicht. Das war einmal eine zerstörte Stadt“, mit diesen Worten bat der Altbundespräsident Barenboim, nicht länger für einen modernen Saal zu kämpfen. „Dann habe ich mich nicht mehr getraut. Dirigenten kommen und gehen, die Bevölkerung aber bleibt“, räumt der Dirigent ein. Und setzt nach: „Ich hätte mir ein Gebäude für die nächsten 100 Jahre gewünscht, dafür habe ich gekämpft.“

Geblieben ist Barenboim ein neuer Raumklang, 0,7 Sekunden mehr Nachhall. Und einen modernen Saal hat er letztlich auch bekommen, mit dem von Frank Gehry entworfenen Pierre Boulez Saal im Intendanzgebäude der Staatsoper. Zwischen diesen Welten wird er künftig wandeln, zwischen den Studenten der Barenboim Said Akademie und den Musikern der Staatskapelle. „Ich bin wahrscheinlich der Einzige, der zugleich einen Generalschlüssel für die Akademie und die Staatsoper hat“, sagt er, und da klingt jetzt schon Stolz mit.

Das Repertoire wächst

Der verzögerte, nochmals gestückelte Wiedereinzug hat auch Barenboims Pläne durcheinandergebracht. Vom geplanten Orchestertreffen, das dem Musikfest eine echte Konkurrenz gewesen wäre, bleiben jetzt noch Aufritte der Wiener und Berliner Philharmoniker in der Staatsoper. Und dann wurde Wolfgang Rihm nicht fertig mit seiner neuen Oper „Saul“, die nun im Oktober 2021 gezeigt wird. Auch 2020 wird die Saison mit einer Uraufführung beginnen. Mit Matthias Schulz, der im Frühjahr Jürgen Flimm als Intendant nachfolgt, weiß sich Barenboim in den Grundzügen einig. Neues und selten Gespieltes wie in der jüngeren Vergangenheit „Julietta“, „Die Zarenbraut“ oder „Der Spieler“ sollen das Repertoire erweitern. Unter den Linden geht es Barenboim um mehr als Spielpläne. „Die Staatsoper muss das kulturelle Zentrum sein, von Berlin, von Deutschland. Was heißt das, eine Hauptstadt zu sein? Wenn sie nicht provinziell sein will, muss sie für alle da sein. Dafür ist die Staatsoper ein Symbol.“

Zur Wiedereröffnung hat Angela Merkel zwei Karten gekauft, so wie sie es immer macht. Für Barenboim ein Zeichen des Respekts. Emmanuel Macron, der Klavierspieler und Schumann-Fan, wollte kommen. In beide Politiker setzt Barenboim Hoffnung auf einen neuen Impuls für Europa. Man kann in seinen Äußerungen zu Schumanns „Faust-Szenen“ auch ein kämpferisches Echo auf die Bundestagswahl vernehmen: „Faust ist ein deutsches Thema – und nicht unwichtig für das, was die Staatsoper repräsentiert. Die Nazis haben die deutsche Kultur nicht repräsentiert, sondern zerstört."

Ein ideales Provisorium

Die nächste Probe ruft, und Barenboim schwärmt von der enormen Weite der Bühne, wenn man jetzt bis ganz in die Tiefe sehen kann, fast bis zur Hedwigs-Kathedrale. Er greift zum Handy, ruft seinen Technischen Direktor Hans Hoffmann an und fragt nach den genauen Dimensionen. Was, nur 35 Meter, das kann doch gar nicht sein! Die Jahre in Charlottenburg haben die Raumwahrnehmung verschoben.

Bevor er wieder vor die Musikerinnen und Musiker der Staatskapelle tritt, versäumt Barenboim es nicht, sich doch noch zu bedanken. Nicht bei der Politik, die der Staatsoper eine Wiederauferstehung mit Stuck und Kronleuchter verordnet hat, sondern beim Schillertheater. „Es war für uns das ideale Provisorium. Dafür bin ich dankbar und hoffe, dass das Theater auch weiterhin bespielt wird.“

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