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Mädchen-Power: Eine Szene aus „Frankfurt 1918 – Heraus aus der Finsternis“.
© Zwerchfell

Kindercomic „Heraus aus der Finsternis“: Banden bilden

Christopher Tauber und Annelie Wagner erzählen eine spannende und grafisch abwechslungsreiche Geschichte zum Thema Frauenwahlrecht für Kinder.

Käthe, Jenny, Jossi und Franziska haben die Schnauze voll: In Frankfurt wimmelt es von Jungsbanden, die ihnen das Leben schwer machen. Die „Woschtfett-Bande“, die Affentor- oder die Klapper-Bande – in jedem Viertel lauert eine von ihnen Mädchen auf und drangsaliert sie. Das kann so nicht weitergehen, finden die vier jungen Heldinnen des Comics „Frankfurt 1918 – Heraus aus der Finsternis“. Kurzerhand gründen sie eine eigene Bande, um es den Knaben zu zeigen: den ersten Frankfurter Verein der Mädchen.

Autor Christopher Tauber und Zeichnerin Annelie Wagner arbeiteten hier erneut mit dem Jungen Museum Frankfurt als Herausgeber zusammen, nach „Das größte Fest der Welt“ 2017. Sie erzählen eine spannende und grafisch abwechslungsreiche Geschichte für Kinder ab acht Jahren. Von Anfang an liegt der Fokus auf den Erlebnissen der vier Mädchen aus unterschiedlichen Schichten: Ohne große Erklärungen schicken Tauber und Wagner ihre Leserschaft von einem spärlich möblierten Zimmer aus ins Geschehen.

Wortgefechte statt Schlagtraining

In dem Zimmer liegt Käthe – Zöpfe, dreckige Schuhe, geflicktes Kleid – auf dem Bett und betrachtet eine Murmel. Vor der Zimmertür poltert der Vater, im Zimmer ersinnt Käthe blitzschnell eine List – und ist auf und davon, als ihr Vater die Tür öffnet. All das erschließt sich anfangs fast ausschließlich über die Bilder, bis nach und nach die Geschichte auch dialogisch Fahrt aufnimmt.

Annelie Wagner zeichnet die historische Kulisse – das Frankfurter Stadtbild mit Gebäuden, Straßenszenen und Plakaten, das Innere einer Fabrik, die Stuben und Wohnungen oder die Kleidung – eindrucksvoll detailreich und entwirft Bilder voller spannender Einzelheiten. Aber sie überfrachtet ihre Zeichnungen auch nicht. Die sanfte Farbpalette setzt hier und da Akzente oder ordnet Szenen zeitlich ein.

Wie Glasmurmeln stößt auf den folgenden Seiten ein Mädchen zur nächsten. Durch ihr Aussehen und ihre Art zu reden lässt sich schließen, dass sie aus unterschiedlichen Schichten kommen. Käthe läuft barfuß vor ihrem überforderten Vater davon und zu ihrer Kameradin Jenny, klein und schmal, mit Schürze und scheuem Blick. Deren Mutter ist Witwe, schuftet elf Stunden am Tag in einer Fabrik und ist auf Hilfe von ihrer Tochter sowie ehrenamtlichen Helferinnen angewiesen.

Die beiden Mädchen aus dem Arbeitermilieu lernen in der Schlange zur Ausgabe der Essensrationen die kontaktfreudige Jossi mit dem dunklen Bubikopf kennen, deren Mutter eine Getränkebude betreibt, und ihre blondgelockte, bebrillte Freundin Franziska, die in wohlhabenden Verhältnissen lebt und für eine junge Frau in der Schlange steht, die Flugblätter für das Frauenwahlrecht verteilt.

Wer den Comic liest, erlebt vor allem mit, wie die Mädchen ihren Plan umsetzen, den Frankfurter Jungs die Meinung zu sagen, wie sie das Schlagtraining mit Stöcken rasch verwerfen, um auf Wortgefechte zu setzen – und schließlich triumphieren.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.
© Zwerchfell

Ihre Vorbilder finden sie dabei in historischen Frauenrechtlerinnen wie Tony Sender und Meta Quarck-Hammerschlag, die in dem Comic im Hintergrund vorkommen. Sie fordern zum Beispiel auf einer Kundgebung das Wahlrecht für Frauen, während Käthe, Jenny, Jossi und Franziska in der Menge vor der Bühne die Köpfe zusammenstecken und Pläne schmieden.

Schließlich berichten die Zeitungen, dass der Krieg zu Ende ist und der Kaiser abgedankt hat – und dann, dass die erste Frau in den Frankfurter Stadtrat gewählt wurde. Die große Geschichte der Umbruchzeit am Ende des Ersten Weltkriegs dient als Folie, und hier und da werden Begriffe erläutert. Aber insgesamt ist dies kein Erklärbär-Comic.

Christopher Tauber/ Annelie Wagner, Frankfurt 1918 – Heraus aus der Finsternis, Zwerchfell, 52 Seiten, 12 Euro.

Barbara Buchholz

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