Kulturpolitische Debatte um Guggenheim-Lab: "Ausgerechnet Kreuzberg lehnt die Interaktion ab"
Lust und Last der Logos: Der thailändische Aktionskünstler Rirkrit Tiravanija über seine Rolle als Berater des BMW Guggenheim Lab.
Herr Tiravanija, Sie gehören zum Berliner Beraterteam des BMW Guggenheim Lab. Wie kam es dazu?
Ich wurde von den Kuratoren des Projekts gebeten, eine Liste mit Künstlern, Wissenschaftlern und anderen aufzustellen, die spannend für das Lab sein könnten. An dem Punkt war mir noch nicht klar, dass es eine Zusammenarbeit mit BMW geben würde. Allerdings war es für mich als Hugo-Boss-Preisträger des Guggenheim keine Überraschung, dass das Museum mit einem Unternehmen wie BMW kooperiert oder sich ein Projekt sponsern lässt. Schließlich ist bekannt, dass die Deutsche Bank bereits eine Partnerschaft mit dem Guggenheim hat.
Was halten Sie von dieser Art Sponsoring?
Ich denke, dass es heutzutage für solche Institutionen normal ist, Kooperationen mit Unternehmen aller Art einzugehen. Vielleicht sollten wir uns die Rolle von Sponsoring in der Kultur noch einmal genauer anschauen. Aber ich glaube, die Tage sind vorbei, in denen etwa ein Unternehmen wie der Tabakkonzern Philip Morris das Berliner Künstlerhaus Bethanien mehr als ein Jahrzehnt lang diskret unterstützt hat. Die Realität für viele Institutionen in den USA sieht so aus, dass sie mit Sponsoren aus der Wirtschaft zusammenarbeiten müssen, weil kaum staatliche Gelder für die Kultur übrig sind, seit die Neokonservativen sowohl das Weiße Haus als auch den Kongress kontrollieren.
Wie sieht Ihre Rolle als Berater aus?
Ich arbeite mit den Guggenheim-Kuratoren zusammen, die das Projekt entwickelt haben, um die Strukturen von Urbanismus und nachbarschaftlichem Leben zu untersuchen. Sie stellen sich ein Labor vor, das Menschen aus verschiedenen Feldern zusammenbringt, um zu diskutieren, zu kommentieren und vielleicht mit städtischen Strukturen und deren Bewohnern zu interagieren. Wir hatten einige Treffen, auf denen wir als Berater Vor- und Nachteile sowie mögliche Probleme des Projekts besprochen haben. Zu keinem Zeitpunkt haben wir die Beziehung zu BMW als Sponsor diskutiert. Aus meiner Sicht trifft BMW weder kuratorische, also inhaltliche Entscheidungen, noch beeinflusst das Unternehmen in irgendeiner Weise die Ergebnisse des Labors.
Hätte man die Probleme mit den Kreuzberger Nachbarn vorhersehen können?
Das ursprüngliche Lab wurde in der Lower Eastside / East Village in Manhattan installiert. Dies war, und ist es heute nur noch teilweise, eine umstrittene Gegend. In den Neunzigern gab es dort viele Kundgebungen und Konfrontationen mit der Stadt in Sachen Gentrifizierung. In den Beratersitzungen haben wir früh die Problematik angesprochen, wie ein solches Projekt von den Nachbarn aufgenommen werden würde. Es wurden deshalb auch die örtlichen Interessensvertretungen konsultiert. Dies war integraler Bestandteil der Lab-Präsentation vor Ort. Es gab auch Bewohner vor Ort, die sich aktiv daran beteiligten, wie und warum das Lab sich in ihrem Viertel betätigen sollte. Ich bin davon ausgegangen, dass dies auch integraler Bestandteil des Labs in Berlin gewesen ist.
Der Arbeitstitel für das Lab lautet „confronting comfort“. Hätten Sie sich diese Art von Konfrontation vorstellen können?
Von meinem Verständnis her geht es bei der Interaktion mit den Bewohnern exakt um solche Fragen, angefangen mit der Lebensbedingungen der Menschen, die in der Nähe leben. Die Lab-Teilnehmer – Künstler und Wissenschaftler – beschäftigen sich genau damit. Die Konfrontation ist Teil der Befragungen. Ironischerweise aber lehnt Kreuzberg als ein sehr vielschichtiger Kiez genau diese Art der Interaktion ab. Hier geht der Titel dem Prozess voraus.
Ist das BMW Guggenheim Lab eine neue Form des Product-Placement – für eine Automarke und ein Museum zugleich?
Die Zusammenarbeit der Tabakkonzerns Philipp Morris und dem Künstlerhaus Bethanien war ein erstes Beispiel nach dem Mauerfall, aber die Zeichen waren damals noch nicht so deutlich wie gegenwärtig. Wir leben heute im Zeitalter des Product Placement: Jedes Fußballteam in der Bundesliga trägt Logos, jeder US-Pavillon auf der Biennale von Venedig. Schauen Sie nur auf Facebook, wo bewusst und unbewusst Produkte beworben werden. Diese Tendenz ist vielleicht sichtbarer in den USA als in Deutschland, aber die Kultur war immer schon abhängig von den Zuschüssen der Förderer. Das war schon bei den Medicis so. In Zukunft wird es immer mehr private als staatliche Förderung geben. Die öffentliche Hand wird sich zunehmend zurückziehen. Die Entwicklung in diese Richtung ist offensichtlich. Nehmen Sie nur als Beispiel die Neueröffnung privater Museen wie der Pinault Collection und die Prada Collection, beide in Venedig, oder Hugo Boss, der den Kunstpreis des New Yorker Guggenheim finanziert.
Die Fragen stellte Nicola Kuhn.
Rirkrit Tiravanija, 51, ist international einer der wichtigsten Aktionskünstler. Bekannt wurde er mit seinen Kochaktionen. 2004 erhielt er den Hugo Boss Preis des Guggenheim Museums.