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Gruppenbild mit Damen und Herren. Der Rias Kammerchor.
© Promo/Matthias Heyde

Rias Kammerchor im Konzerthaus Berlin: Aus dem Innern entspringt der Klang

Karfreitag im Konzerthaus: Der Rias Kammerchor singt die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach.

Matthew Halls dirigiert mit der Körpersprache eines Ausdruckstänzers und spielt bei den Rezitativen selber das Orgelpositiv. Eine beschwingte Johannes- Passion geht am Karfreitag im Konzerthaus über die Bühne, mit dem Rias Kammerchor und dem Konzerthausorchester: keine Tragödie vom Sterben, kein wütender Mob, der sein einstiges Idol ans Kreuz genagelt sehen will, sondern ein bewegendes Passionsspiel, bei dem sich alle in ihre Rolle fügen, auf dass die Schrift sich erfülle.

Schlanke Besetzung, verhaltene Innerlichkeit, geschliffener Chorklang, wie Elfenbein schimmernd: Der junge britische Dirigent und Alte-Musik-Spezialist gestaltet mit den Musikern ein Oratorium ohne Theatralik. Die vibratolose, lupenreine Intonation und Instrumentation (mit Laute und Viola da gamba) sind der historischen Aufführungspraxis geschuldet, erlauben auch Lautmalereien, etwa beim Bass-Arioso „Betrachte, mein Seel“ mit fast tonlos spielenden, Leichenblässe imaginierenden Streichern.

Der Rias Kammerchor hält souverän die Balance zwischen Melodiefluss und Textverständlichkeit. Schön, wie selbstverständlich die historische und die moderne Spieltechnik inzwischen in eins gehen: Manchmal ist der Mittelweg der Königsweg, gerade bei Bach.

Der Ton macht kleinlaut und legt doch die Nerven blank

Letztes Jahr hatte der Kammerchor die Johannes-Passion in der Philharmonie mit René Jacobs und der Akademie für Alte Musik ansatzweise szenisch interpretiert. Die Solisten standen mitten im Chor, womit die oft als antisemitisch empfundene Konfrontation der mordlustigen „Jüden“ mit dem Märtyrer Jesus aufgehoben war. Es geht auch anders, selbst bei klassischer Aufstellung: Halls eilt federnden Schritts durch die Passionsmusik, bleibt dokumentarisch nüchtern und bewahrt die emotionale Erschütterung für den Schluss-Chor „Ruht wohl“ auf, während die Choräle einen entwaffnend persönlichen Ton anschlagen. Die Bassarie „Mein teurer Heiland“ begleiten die Sänger im Sitzen, behutsam, leise. Der Tod macht kleinlaut und legt doch die Nerven blank. Kein Fanatismus: Das Volk tritt als selbstbewusster Souverän auf.

Von den Solisten hätte man sich insgesamt mehr Volumen gewünscht, vor allem Martin Lattkes Tenor bleibt gedeckelt. Aber Julia Sophie Wagners zunächst etwas kurzatmiger Sopran findet bei der Grab-Arie „Zerfließe, meine Herze“ zu höchster Innigkeit (trotz der Unruhe im Saal – ein Besucher erlitt einen Schwächeanfall). James Gilchrist als lebhaft erzählender Evangelist macht ohnehin alles wett. Jedes Wort gestaltet er, knapp, aber treffend, das Krähen des Hahns, die Tränen des Petrus, die Geißeln der Kriegsknechte. Vielleicht stimmt es ja, dass die Sprache in der Musik ihren Ursprung hat.

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