Kultur: Augen zu, Augen auf
In Hamburgs Deichtorhallen eröffnet mit „A Clear Vision“ ein neues Fotomuseum
Licht und Schatten liegen bekanntlich dicht zusammen. Doch selten fallen sie so krass ins Auge wie jetzt, bei der Eröffnung des „Internationalen Hauses der Photographie“ in der südlichen Deichtorhalle. Sicher: Es ist wunderbar, dass Hamburg nun das erste deutsche Museum für Fotografie hat. Wunderbar, dass die exquisite Sammlung von F.C. Gundlach dort ein Haus gefunden hat und somit der Hansestadt erhalten bleibt. Aber hätte es keinen geeigneteren Ort gegeben? Abgesehen davon, dass die Deichtorhallen als internationales Kunstzentrum in alter Form gestorben sind – was ist mit dem nassen Keller, den Licht,- Klima-, und Finanzproblemen? Kein Wort darüber.
Stattdessen Harmonie, so weit das Auge reicht: Voll des gegenseitigen Lobes eröffneten der frisch gebackene Gründungsdirektor des Fotomuseums, F.C. Gundlach, und der ehemalige Deichtorhallen-Chef, Zdenek Felix, gemeinsam eine Übergangs-Ausstellung, die „einen Vorgeschmack“ (Gundlach) auf das geben soll, was die Besucher – nach den Umbauarbeiten im Frühjahr – im „Internationalen Haus der Photographie“ erwartet. Unter dem Titel „A Clear Vision“ hat Felix eine „sehr persönliche Auswahl“ von 400 Fotografien aus der Sammlung Gundlach zusammengestellt, die das „Bild des Menschen in allen seinen Ausprägungen“ vor Augen führt. Wer hätte daran gezweifelt: Es ist Foto-Kunst auf höchstem Niveau.
Sie kennen und schätzen sich seit langem: Schon die Deichtorhallen-Schau „Das deutsche Auge“ zur ersten Foto-Triennale kuratierten Zdenek Felix und F.C. Gundlach gemeinsam. Damals nahm der Deichtorhallen-Chef das erste Mal Einblick in die rund 12000 Werke umfassende Kollektion Gundlachs, die zu den weltweit bedeutendsten in privater Hand zählt, und entwickelte die Idee, die verschiedenen Facetten dieser Sammlung exemplarisch vorzustellen. „Mit den Augen eines Außenstehenden“ hat er seine Auswahl getroffen und dabei das große Kapitel „Mode“ komplett ausgespart („Das ist Stoff für mehrere kommende Ausstellungen“).
Felix konzentrierte sich vielmehr auf fünf thematische Stränge: Straßenfotografie, inszenierte Fotografie, Porträts, Akte und Künstlerfotografie. Zudem richtete er einen Fokus auf die Sammlungsschwerpunkte USA, Deutschland und Osteuropa. Unter den 56 alten und neuen Fotografen, deren Werke hier vertreten sind, befinden sich so berühmte Namen wie Erwin Blumenfeld, Diane Arbus, Lisette Model, Richard Avedon, Irving Penn, Robert Frank Lee Friedländer, Cindy Sherman, Nan Goldin, Fischli & Weiss und Wolfgang Tillmans. Aber auch unbekannte wie Antanas Sutkus aus Litauen oder die ehemaligen DDR-Fotografen Ute Maler und Gundula Schulze Eldowy .
Felix’ Auswahl ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Aber eine mit „untrüglichem Spürsinn für gute Bilder“, wie Gundlach betont. Selbst ihm, dem Sammler, hätte sie „in ihren Brüchen und Korrespondenzen überraschend neue inhaltliche Zusammenhänge“ offenbart. Zwischen den futuristisch anmutenden Riesenköpfen von Michael Najjar und der Reihe kleinformatiger Steckbriefe von Gefängnisinsassen beispielsweise. Oder zwischen Larry Clarks pornografischer Folge „Teenage Lust“ aus den Jahren 1972–1973 und dem etwa zeitgleichen Porträt des blutjungen Andreas Baader (aufgenommen von Herbert Tobias). Spannend auch seine Gegenüberstellung mit der 90er-Jahre-Jugend, die Wolfgang Tillmans provokativ in Szene gesetzt hat. Wie ein Puzzle setzt der Kurator das Sittenbild einer ganzen Generation zusammen.
Internationales Haus der Photographie, Deichtorhallen Hamburg, bis 25.1.2004, Di–So 11–18 Uhr.
Isabelle Hofmann
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