Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Auflösen? Nicht mit uns!
Die Berliner Museumsdirektoren fordern mehr Autonomie im Reformprozess. Nach Evaluierung entscheidet der Stiftungsrat der SPK über die nächsten Schritte.
Der Vorstoß ist spektakulär. Da formulieren 19 Direktorinnen und Direktoren der Staatlichen Museen zu Berlin auf der Website der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ihren Protest gegen eine mögliche Missachtung ihrer Position bei der Umsetzung des Evaluierungsprozesses. Fast genau einen Monat nach Veröffentlichung des Gutachtens, das die Arbeit der Staatlichen Museen, der Staatsbibliothek, des Geheimen Staatsarchivs und anderer Institute in der Hauptstadt untersuchte, platzt damit doch noch eine Bombe, nachdem das Papier Mitte Juli relativ einvernehmlich aufgenommen worden zu sein schien.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die den Auftrag zur Evaluierung vor zwei Jahren an den Wissenschaftsrat erteilt hatte, zeigte sich damals zufrieden mit dem Ergebnis. Stiftungspräsident Hermann Parzinger setzte sich sogleich an die Spitze der Reformbewegung. Manchen Beobachter machte das bereits misstrauisch, war doch an den Staatlichen Museen die schärfste Kritik geübt worden. Gleichwohl schieben sie auch die größten Probleme vor sich her: zahlreiche laufende Bauprojekte, Sanierungsstau, Personalmangel und durch den coronabedingten Publikumseinbruch dramatische Einkommenseinbußen.
Die Direktorinnen wollen kämpfen
Die Stellungnahme der Direktorinnen und Direktoren zu den Strukturempfehlungen unter dem kämpferischen Titel „Wir melden uns zu Wort!“ geben nun einen Blick frei hinter die Kulissen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Dort herrscht alles andere als Einvernehmen über den Umgang mit den eigentlich explosiven Änderungsvorschlägen des Wissenschaftsrats.
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Die „Wortmeldung“ stellt einen einmaligen Vorgang in Deutschland dar, es ist der Aufstand des Mittelbaus gegen die oberste Leitung im größten Museumsverbund der Bundesrepublik, ein Aufmucken der Direktorenebene gegen die Zentralverwaltung. Genau diese Entzerrung aber ist laut Gutachten gewünscht, damit die Ausstellungshäuser ihren Aufgaben besser nachkommen können – ohne den Umweg über die nächst höhere Instanz, wo sie Projektgelder, Mittel für Erwerbungen und Personal erst einmal beantragen müssen.
Parzinger sieht Auflösung kritisch
Ist die empfohlene Autonomisierung der Museen, die alle Beteiligten zunächst als richtig erklärten, also schon wieder infrage gestellt? Es sieht so aus, zumindest von Seiten des Stiftungspräsidenten Hermann Parzinger, der zuletzt erklärte: „Eine Auflösung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sehe ich kritisch.“ Bei einer Zergliederung in eigenständige Bereiche – Staatliche Museen, Staatsbibliothek, Geheimes Staatsarchiv und Ibero-Amerikanisches Institut – würde er seine starke Position verlieren.
Fragt man genauer nach, ist immer wieder zu hören, dass in der von der Heydt-Villa, wo der Stiftungspräsident seinen Sitz hat und die Hauptverwaltung residiert, die Richtlinienkompetenz ohnehin weidlich ausgenutzt würde. Die Expertise der Direktorinnen und Direktoren werde zu wenig respektiert.
Der Aufruf der Neunzehn kommt in einem entscheidenden Moment, lanciert im Vorfeld der für den 19. August angesetzten Stiftungsratssitzung, um die Diskussion noch einmal zu entfachen. „Wir brauchen keine Gruppe, die ohne uns über unsere Köpfe hinweg darüber berät, wie die Lage der Staatlichen Museen zu verbessern ist“, schreiben die Direktorinnen und Direktoren. In der Stiftungsratssitzung, der ersten seit Übergabe des Gutachtens, soll über die Besetzung einer angekündigten vier- bis fünfköpfigen Steuerungsgruppe für den Evaluierungsprozess entschieden werden. Welche Kompetenz die eingesetzte Kommission bekommt, wird man in den nächsten Monaten erfahren.
Museen wollen gehört werden
Doch die Sorge ist in der Welt, dass die Museen nicht genügend gehört werden könnten. „Selbstverständlich wollen sich die Staatlichen Museen zu Berlin mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aktiv in den Reformprozess einbringen“, sagt Generaldirektor Michael Eissenhauer, um den es seit Veröffentlichung des Gutachtens erstaunlich still war. Unter den 19 Direktorinnen und Direktoren, die ihren Protest artikulierten, sucht man seinen Namen vergebens, obwohl Eissenhauer in Doppelfunktion auch die Gemäldegalerie leitet. Er sei zu Loyalität verpflichtet, lautet seine Erklärung.
Der Generaldirektor ist zwischen beiden Ebenen positioniert. Dort schien er in den letzten Jahren eher eingeklemmt zu sein. Anders als sein Vorgänger Peter Klaus Schuster, der brillante Masterpläne entwarf, aber auch einen anderen Präsidenten über sich hatte, der ihn gewähren ließ, ist Eissenhauer seit seiner Berufung von zwölf Jahren nie durch offensiv vorgetragene Visionen zur Umgestaltung der Staatlichen Museen aufgefallen. Als Jahrgang 1956 geht er bald schon in Pension. Das Gutachten könnte für ihn die letzte große Gelegenheit sein, die Stimme zu erheben.
Kittelmann will weg
Die Position des Generaldirektors dürfte in Zukunft bedeutend werden, entsteht tatsächlich eine neue Dachstruktur für die unabhängig gewordenen Museen. Auch die Stellung des künftigen Nationalgaleriedirektors gewinnt an Gewicht, wenn er mit seinen sechs Häusern – Neue und Alte Nationalgalerie, Hamburger Bahnhof, Berggruen Museum, Sammlung Scharf-Gerstenberg, Friedrichwerdersche Kirche – künftig nicht nur inhaltlich, sondern auch wirtschaftlich autonom agieren kann. Höchste Zeit für eine Ausschreibung dieses für die Berliner Museumslandschaft so wichtigen Postens, damit sich das Interim nach Udo Kittelmanns Abschied im Oktober nicht noch weiter verlängert. Mögliche Kandidaten für seine Nachfolge werden gerade genau beobachten, ob der Einwurf der 19 Direktorinnen und Direktoren Gehör findet.
Fragt man bei Christina Haak nach, der stellvertretenden Generaldirektorin, so nennt sie die Änderung der Verfassung für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Gesetzesdiskussion ein großes Rad, das voraussichtlich über Jahre gedreht werde. Sie hofft, dass sich dies nicht lähmend auf die Reformen auswirkt, die schneller in Angriff genommen werden sollten. Haak bezeichnet das Projekt knapp als „unsere Emanzipation“. Auch sie spricht sich für eine Rückkehr zur bis 1999 für die Museen geltenden Personal- und Finanzhoheit aus, wie sie im Gutachten empfohlen wird.
Das Label ist unwichtig
Es nennt die Probleme beim Namen: Der Apparat der Hauptverwaltung hat sich aufgebläht, die Museen fühlen sich an den Rand gedrängt. Die Stiftung als abstrakte Organisation ist zunehmend zur Marke aufgewertet worden, ohne für die Öffentlichkeit relevant zu sein. Für die Ausstellungsbesucherin, den Wissenschaftler aber spielt das Label SPK keine Rolle, sie gehen konkret ins Pergamonmuseum oder Kupferstichkabinett.
Die Staatlichen Museen befinden sich in einem Dilemma. Der Umbau der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ihre künftige Finanzierung ob mit den Ländern oder nicht, die Rolle des Kulturstaatsministeriums, die Findung eines neuen Namens – all das kann dauern. Zu lang für die Museen, denen zum Vorwurf gemacht wird, dass sie den Anforderungen einer heutigen Gesellschaft nicht genügen. Aufbruchsstimmung ist zu spüren, wo vorher verkrustete Hierarchien lähmten. Es wäre schade, wenn sie wieder verloren ginge.
Das Gutachten fordert eine „Ermöglichungsstruktur“ statt Erbhöfe. Das bedeutet, dass Stellen aus der Zentralverwaltung den Museen zugeschlagen werden müssten. Bei rund 2000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Preußenstiftung bekommt man langsam eine Ahnung, welchen Erdrutsch das Gutachten noch auslösen könnte.