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Filmstill aus "Abschied von gestern".
© Berlinale

Retrospektive bei der Berlinale: Aufbruch und Kahlschlag

Die Retrospektive bei der Berlinale porträtiert das Jahr 1966. Damals feierte der Westen den Neuen Deutschen Film – und in der DDR wurde ein halber Kinojahrgang verboten.

Auf den ersten Blick wirkt das Jahr 1966 nicht sehr aufregend. Nicht so furchteinflößend wie das Mauerbaujahr 1961, nicht so revolutionär wie 1968, als die Studenten marschierten. Aber im deutschen Kino markiert 1966 einen Wendepunkt. Deshalb wird es von der Berlinale 50 Jahre danach mit der Retrospektive gefeiert. Während der Neue Deutsche Film der westdeutschen Jungfilmer den internationalen Durchbruch schaffte, wurde in der DDR zensiert. Nach dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED wurde im Dezember 1965 die Hälfte aller DEFA-Spielfilme verboten, die 1966 in die Kinos kommen sollten. Aufbruch und Kahlschlag.

Triumphe: Peter Schamonis Debüt Schonzeit für Füchse wird mit einem Silbernen Bären dekoriert, Volker Schlöndorffs Musil-Verfilmung Der junge Törless erhält in Cannes den Kritikerpreis. Alexander Kluges Abschied von Gestern, ein Spielfilmkaleidoskop mit dem Schwung der Nouvelle Vague, wird in Venedig mit Silber ausgezeichnet, Ulrich Schamonis Film Es bekommt beim Deutschen Filmpreis gleich vier Mal Gold.

Verluste: Hermann Zschoche porträtiert in Karla eine ehrgeizige, die Richtlinien klar ignorierende Lehrerin, die von Jutta Hoffmann gespielt wird. Jürgen Böttcher zeigt in seinem hinreißenden Film Jahrgang 45 eine Liebe, Trennung und Wiederannäherung am Prenzlauer Berg. Die Retro zeigt diese Verbotsfilme sowohl in den Zensurfassungen als auch in den Verleihfassungen von 1990.

Das Programm umfasst rund 20 Spiel- und Dokumentarfilme, hinzu kommen über 30 kurze und mittellange Filme. Einige, wie die hölzerne Grass-Verfilmung Katz und Maus von Hansjürgen Pohland sind schlecht gealtert. Andere – etwa Christian Rischerts Ehekrisen-Drama Kopfstand, Madam! – sind Entdeckungen.

Die Reihe BERLINALE CLASSICS kündigt zwei Highlights an: Heiner Carows autobiografischen Film „Die Russen kommen“, frisch restauriert. Und Fritz Langs Stummfilmklassiker „Der müde Tod“ von 1921, aufwendig digital restauriert, mit neuer Livemusik und dem 70-köpfigen Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: eine Uraufführung, am 12. Februar im Friedrichstadtpalast.

Der Kameramann MICHAEL BALLHAUS, der nach seiner deutschen Karriere 25 Jahre lang in Amerika wirkte, wird mit dem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnet (am 18. 2., 21.30 Uhr im Berlinale-Palast). Zur Gala wird Gangs of New York gezeigt. Berühmt wurde Ballhaus für seine 360-Grad-Kamerafahrt, die er für Fassbinders Martha erfand – einer der zehn Hommage-Beiträge, ausgewählt unter 127 Ballhaus-Werken. Außerdem dabei: Good Fellas undThe Color of Money von Scorsese, The Fabulous Baker Boys von Steve Kloves, Coppolas Bram Stoker’s Dracula sowie 3096 Tage von der Regisseurin und Ballhaus-Ehefrau Sherry Hormann.

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