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Präsident als Nachtgestalt. Das Empire State Building mit Trump-Projektion. Michael Moore warnte schon früh davor, den Mann zu unterschätzen.
© Midwestern Films LLC

Trump-Doku von Michael Moore: Auf Kuschelkurs mit dem Feind

Beste Absichten, konfuser Film: In „Fahrenheit 11/9“ rechnet Michael Moore mit dem US-Präsidenten Donald Trump ab.

Michael Moore hat sich über die Jahre eine Menge Feinde gemacht. Und einige Fans, auf die er durchaus verzichten könnte. Zu denen gehörte auch mal Donald Trump. „Ich mag ,Roger & Me’“, sagte Trump Ende der Neunziger über Moores Debütfilm von 1989, der jetzt auch schon wieder 30 Jahre zurückliegt. Und lachte: „Ich hoffe, er wird nie einen Film über mich machen“. Das hätte sich Moore sicher auch gewünscht. Aber wie das Leben spielt: Man trifft sich immer zweimal.

Der Fernsehausschnitt findet einen prominenten Platz in „Fahrenheit 11/9“, dessen Ankunft in den deutschen Kinos etwas unzeitig anmutet. Der Film war sein Beitrag zu den Midterm-Wahlen im November, er wollte noch einmal Wähler mobilisieren. Wenn es den Demokraten nicht gelänge, den Kongress zurückzuerobern, verkündete Moore damals auf seiner PR-Tour, stünde Amerika eine düstere Zukunft bevor. Der Coup gelang bekanntlich, eigentlich hatte sich sein Anliegen damit erledigt. 2004 war er mit dem in Cannes ausgezeichneten „Fahrenheit 9/11“ noch mit seinem Projekt gescheitert, den Irak-Krieger Bush aus dem Weißen Haus zu jagen.

Auch „Fahrenheit 11/9“ zielt nicht primär auf ein europäisches Publikum ab. Dass der Film trotzdem noch in den deutschen Kinos startet, hat nicht zuletzt mit Michael Moores hierzulande anhaltender Popularität als aufrechter Linker zu tun. Zwischenzeitig war man seiner schon ein wenig überdrüssig geworden. Moores Hemdsärmeligkeit und sein Hang zur verkürzten Analyse in Verbindung mit teils lustigen, teils selbstverliebten Streichen waren in den Filmen „Sicko“ (2007) über das US-Gesundheitssystem, „Capitalism: A Love Story“ (2009) und der Europe-Eloge „Where to Invade Next“ (2015) zur Masche verkommen. Doch wie so viele Medienprotagonisten profitierte auch Moore vom Aufstieg Trumps.

Er warnte früher als alle anderen Polit-Experten

Michael Moore warnte früher als alle anderen pundits, den zahllosen Polit-Experten, die in den einschlägigen Talkshow von CNN bis MSNBC beim Wahlkampf 2016 in sich dramatisch multiplizierenden Splitscreens um die Meinungshoheit rangen, vor einem künftigen Präsidenten Donald Trump. Im Fernsehen profilierte er sich mehr als zuletzt mit seinen Filmen als strukturierter, unpolemischer Erklärer der US-Politik. Und als einfühlsamer Versteher der kleinen Leute im geografischen Zentrum Amerikas, die sich frustriert vom elitären Politbetrieb abgewandt hatten.

Moores Analysen waren Balsam auf die geschundenen Seelen der einfachen Amerikanerinnen und Amerikaner, die – diese steile These belegt der Film mit Zahlen – im Herzen immer schon liberal gewesen seien. Nur einmal bei den letzten sieben Präsidentschaftswahlen ging die Mehrheit der Stimmen an einen Republikaner. Der Titel „Fahrenheit 11/9“ ist eine Anspielung auf seinem bekanntesten Film: In der Nacht des 9. November 2016 verkündeten die Nachrichtensender den Sieg Trumps. „How the fuck did this happen?“, fragt Moore noch immer entgeistert.

„Fahrenheit 11/9“ beschreibt dieses Phänomen sehr pointiert, der Filmemacher nimmt sich selbst von der Kritik nicht aus. Auch er ist als Mitglied der Medienöffentlichkeit, die von Trumps Eskapaden gut lebt, Teil des Problems. Steve Bannon verdiente in seinem früheren Leben als Filmproduzent Geld mit Moore, der in gar nicht mal so alten Aufnahmen auch von Trumps Wahlkampfstrategin Kellyanne Conway geherzt wird. Das vergiftetste Lob allerdings erhielt er von Jared Kushner: „Michael ist gut darin, ein Argument zusammenzuzurren und es für Leute leicht verdaulich zu präsentieren“. Auf Kuschelkurs mit dem Feind. „Ein bösartiger Narzisst hat die Medien zum Narren gehalten“, konstatiert Moore in „Fahrenheit 11/9“ zerknirscht. Oder in den Worten des damaligen CBS-Chefs Leslie Moonves: „Trump mag nicht gut sein für Amerika, aber er ist gut für CBS“.

Trump hat alle Stürme überlebt

Auch Moonves ist längst Geschichte, aus dem Chefsessel gefegt von einer Welle von Missbrauchsvorwürfen. Wie übrigens so manch anderer Y-Chromosomträger des "Old Boys Club" in den Medien, die sich genüsslich an der Kandidatin Hillary Clinton abarbeiteten. Zuvor hatte man den Wählern schon deren „sozialistischen“ Gegenkandidaten Bernie Sanders madig gemacht. Trump hingegen hat alle Stürme überlebt.

Moore zieht daraus den richtigen Schluss: Trump ist nicht das Grundübel der amerikanischen Politik, bloß deren Symptom. Das Präsidenten-Bashing erledigen schon die Late-Night-Talkshows in zunehmend ermüdender Monotonie. Moore versucht lieber zu erklären, wie so ein Präsident überhaupt möglich wurde.

Dass er ausgerechnet Amerikas Schwiegersohn Nr.1, Jared Kushner, als Kronzeugen vorführt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie – in doppelter Hinsicht. Denn „Fahrenheit 11/9“ ist bei allen guten Absichten ein konfuser Film, der seine Argumente selten stringent zu Ende führt, sich manchmal auch unnötig lange auf Nebenschauplätzen aufhält oder sich in individuellen Schicksalen verliert. „Zusammengezurrt“ beschreibt dieses Konvolut an guten und gut gemeinten Ideen ganz treffend. Eine durchdachte Dramaturgie wäre zielführender gewesen.

Dennoch ist Michael Moore als Kommentator unschätzbar wertvoll, weil er – im Gegensatz zu den Politexperten in den Küstenmetropolen – tatsächlich noch aus dem heartland auf Amerika blickt. Seine Heimatstadt Flint im Bundesstaat Michigan, der im November an die Republikaner ging, dient in fast allen seinen Produktionen als Seismograf für die prekäre Arbeiterklasse. In seinem Erstling „Roger & Me“ zog er gegen den General-Motors-Boss Roger Smith in den Kampf, der 30000 Arbeitsplätze von Flint nach Mexiko verlegen wollte. Jahre vor seiner Kritik an Bill Clintons Nafta-Politik ahnte Moore da nicht einmal, als wie prophetisch sich sein Film erweisen würde.

Im überzeugendsten Segment von „Fahrenheit 11/9“ erinnert er an die sogenannte Wasserkrise in Flint 2014, die in Hillary Clintons Wahlkampf zum zentralen Thema wurde. Moore behauptet, Trump habe sich Michigans Gouverneur Rick Snyder zum Vorbild genommen. Snyder hatte die Privatisierung der Verwaltung vorangetrieben und kappte im Zuge dessen auch die Frischwasserzufuhr Flints. Die Bevölkerung wurde über Monate mit dem bleihaltigen Brackwasser der lokalen Autoindustrie versorgt.

Die Menschen verlieren den Glauben an die Demokratie

Als nach fast zwei Jahren Barack Obama in Flint medienwirksam an einem Glas Leitungswasser nippte – statt den Notstand auszurufen – , habe die Politik ihren Kredit endgültig verspielt. „Obama kam als mein Präsident“, erzählt eine Afroamerikanerin, „als er uns verließ, war er es nicht mehr.“ Moore nennt die Vergiftung der Bevölkerung eine „ethnische Säuberung“: In Flint leben überwiegend Schwarze. Snyder wird wohl ungeschoren davon kommen. Wie vermutlich auch Trump. Wer die eigene Bevölkerung derart skrupellos im Stich lässt, so Moore, dürfe sich nicht wundern, wenn die Menschen irgendwann den Glauben an die Demokratie verlieren. Die 100 Millionen Nichtwähler nennt er die stärkste Partei in Amerika.

Auch deswegen verbringt er viel Zeit mit Alexandria Ocasio-Cortez, dem Shooting Star der demokratischen Partei, mit den Überlebenden des Parkland-Schulmassakers, die für härtere Waffengesetze demonstrieren, und den Lehrerinnen und Lehrern in West-Virginia, die eine landesweite Protestaktion für die Stärkung ihrer Rechte initiiert haben. Moore hofiert, wie Bernie Sanders, dem anderen "Angry White Man" der amerikanischen Linken, die Millennials, deren Zukunft auf dem Spiel steht. Er war schon immer mehr Graswurzelaktivist als Dokumentarfilmer.

Denn seine populistischen Stunts sind dem 64-Jährigen wohl nicht mehr auszutreiben, ob er nun Rick Snyder mit Hilfe der Feuerwehr dessen eigenes Wasser in den Garten pumpt oder im Schlussplädoyer Trump mit Hitler vergleicht. Wohlwissend, wie tendenziös seine Methode ist, hakt er alle Diktatoren-Eigenschaften für Trump ab, zieht in der Manier rechter Verschwörungstheoretiker sogar eine Parallele von 9/11 zum Reichstagsbrand.

Andererseits: Haben wir tatsächlich schon wieder den Fehlalarm über Hawaii vor einigen Monaten vergessen, als Amerika sich zwei Minuten lang im Kriegszustand wähnte? Moore nicht. Die Frage, ob der amtierende Präsident nun gefährlich ist oder nur ein irrlichternder Narzisst, beantwortet er unmissverständlich: Bisher habe Trump noch jede seiner vermeintlich scherzhaften Drohungen wahr gemacht. Für sein Versprechen einer mexikanischen Grenzmauer lässt das nichts Gutes erahnen.

Ab Donnerstag in den Berliner Kinos.

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