Porträt des Rappers Tarek K.I.Z.: Auf der Spur der Dämonen
Als erstes Mitglied der Berliner Rap-Band K.I.Z. bringt Tarek ein Soloalbum heraus. "Golem" gibt Einblick in harte Zeiten.
Tarek Ebéné sitzt in dem Büro seines Managements in Kreuzberg und schaut abwesend vor sich hin. Für heute ist ein Pressetag anberaumt. Es ist zwar keiner, bei dem mehrere Journalisten gleichzeitig mit ihm in einem Raum sitzen, aber der K.I.Z.-Rapper führt viele Interviews an diesem Tag – da schweifen die Gedanken schon mal ab. Allerdings man kennt diese Abwesenheit in Tareks Augen schon von Gesprächen mit Maxim, Nico und DJ Craft. Von Gesprächen also, die sich um Alben der Berliner Hip-Hop-Formation K.I.Z. drehten. Tarek Ebéné wirkte schon damals oft nachdenklich, in sich gekehrt und jetzt meint man den Grund dafür zu kennen.
Ebéné, der sich der Einfachheit halber Tarek K.I.Z. nennt, wird ein Soloalbum herausbringen und dieses Soloalbum ist so geworden wie Soloalben werden sollten: Ganz anders als ein Album seiner Hauptband. Als Punks der deutschen Rapszene wurden K.I.Z. schon bezeichnet, als Anarchos, als Skandal- und Kult-Rapper sowieso.
Tarek ist Teil dieser Formation, die seit mehr als 15 Jahren das Spiel mit Deutschrapklischees ad absurdum führt: Ihre Texte strotzen vor Gewaltfantasien, vor sexistischen Ausfällen, jedenfalls ist dies eine legitime Lesart – wenn man auf dem humoristischen Ohr taub ist.
Tareks Soloalbum heißt „Golem“ und ist sein audiovisueller Brief an den Vater, nur dass Tarek keine Komplexe aufzuarbeiten hat wie Kafka einst – dafür vieles andere. Die Krebserkrankung seines Vaters, die dieser nicht überlebte, ist ein solches Ereignis, ein Ereignis das Spuren hinterlassen hat.
„Mir ist klar geworden, dass das Leben kurz ist und dass ich mich ärgern würde, wenn ich mir diesen Kindheitstraum eines Solo-Albums nicht erfüllen würde. Einen Traum, der für meinen Vater nie wahr wurde - denn auch er hat Musik gemacht“, sagt Tarek.
In den Jahren ab 2016 sei das gewesen, als sich viel in seinem Umfeld geändert habe. Der Tod, nicht nur seines Vaters, fiel in diese Zeit, die Zeit nach dem bis heute letzten K.I.Z.- Album „Hurra, die Welt geht unter“, der ersten Nummer-eins-Platte der Band. Eine Band, über die Vater Ebéné immer stolz sprach, so stolz, dass es Tarek fast unangenehm war. Es ist ein wohltuendes unangenehmes Gefühl.
„Ich hatte den Eindruck, dass ich jetzt an einem Punkt bin, an dem ich was zu erzählen habe und die technischen Fähigkeiten, dass so wie ich mir das vorstelle auszugestalten.“ Fähigkeiten, die er ohne seinen Vater vielleicht nie entwickelt hätte. Er sei der Grund dafür gewesen Musik zu machen, erzählt Tarek.
Was wahr ist, lässt er bewusst offen
Vieles was auf „Golem“ thematisiert wird, lag bereits hinter ihm, als Tarek an seinem Solo-Debüt arbeitete. Er sei nicht „durchgehend mit einer offenen Wunde herumgelaufen“ sagt er, der Schreib- und Aufnahmeprozess als Therapiemaßnahme gilt hier also nur bedingt, und natürlich habe er in alter K.I.Z.-Manier auch das Mittel der Übertreibung genutzt.
Was wahr ist, lässt er bewusst offen. Genauso bewusst löst er sich von seiner Geschichte und spielt andere, reale wie fiktive Figuren, um eigene Erfahrungen zu erweitern, zu unterstreichen, weiter zu tragen.
Das Thema häusliche Gewalt sei so eins, das er zwar erlebt habe und auch einfließen lasse auf „Golem“, allerdings nicht 1:1. So kann die Fiktion des Künstlers womöglich den 1:1- Schmerz eines Hörers spiegeln.
Schicksalsschläge führten zur Reflexion
Dieser wird hier abgeholt, wie es Tarek mit K.I.Z. nicht annähernd hätte schaffen können. Dabei ist „Golem“ nicht nur inhaltliches, sondern auch musikalisches Neuland für K.I.Z.-Fans, denn der viel gehasste Autotune-Effekt kommt hier häufig zum Einsatz.
Zusammen mit Produzent Philipp Hoppen, der schon für Kraftklub und Die Ärzte arbeitete, hat Tarek K.I.Z. mit „Golem“ ein Album geschaffen, das man im Hintergrund laufen lassen kann, das einem aber auch etwas gibt, wenn man genau zuhört.
Genau zu-, besser, in sich reinhören müssen, hat Tarek selbst in den letzten Jahren lernen müssen. Der Tod des Vaters und anderer nahestehenden Personen diente als Anlass um festzustellen, dass diese situationsbedingte Traurigkeit doch eigentlich schon länger da war.
„Ich habe im Hinterkopf immer gewusst, dass da was ist, um das ich mich kümmern sollte. Aber ich habe die Schicksalsschläge gebraucht, um in mich zu gehen und auch Konsequenzen zu ziehen“, sagt er. Wie etwa, nicht nur die eigenen Süchte zu besiegen, sondern sich auch von denen zurückzuziehen, deren Verfall man sich nicht mehr angucken will und kann – um sich selbst zu schützen.
Kampf mit Kokainsucht
„Weißer Drache“ heißt der Song, indem sich Tarek mit den Verlockungen des weißen Pulvers und seinen früheren Suchtproblemen auseinandersetzt. Er habe viele Freunde an Drogen und das Nachtleben verloren, sagt der Rapper.
Doch das Leid, der Schmerz, die Wut dieses Albums speisen sich nicht nur aus seinem Leben, sondern auch aus den Umständen, die hier und jetzt unser Leben prägen. Mit dem täglichen kleinen und großen Wahnsinn, den wir fast alle ablehnen und uns doch hingeben. „Ich brauche das Ticket hier raus / Ticket hier raus, irgendwann ticke ich aus“, singt er im Eröffnungssong, der die Verrohung der Gesellschaft thematisiert.
Gewaltfantasien gegen die AfD
Die Frustration scheint sich bei ihm wiederrum in Gewaltfantasien zu entladen: Das Video zur Single „Nach wie vor“ spielt im Jahr 2021, Tarek wird gefesselt durch einen grölenden Neo-Nazi-Mob geführt. In einem Raum mit AfD-Spitzen-Look-Alikes wird er abfällig gemustert – bis er sich losmacht und alle im Raum niedermetzelt, wobei Alice Weidel ihre Innereien in den Schoß fallen. Hier blitzt die typische K.I.Z.-Überzeichnung wieder auf. Einst imaginierten sich die Rapper ja als Selbstmordattentäter ins Haus des Ehepaars Sarrazin.
Geprägt ist „Golem“ jedoch von persönlichen Themen, die Tarek unaufdringlich rüberzubringen versteht, ohne dabei an Dringlichkeit einzubüßen. Und nebenbei beweist er noch, dass Autotune und Tiefe sich nicht ausschließen. Gute Bilanz für ein Solodebüt.
Kevin Goonewardena
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