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Kultur: Asterix in Gagaland

Wie sich eine Legende selbst demontiert

„Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt…“ Nein, natürlich nicht. Nicht ganz Gallien, das weiß jeder. Ein kleines Dorf leistet hartnäckig Widerstand. Aber es kommt noch dicker. Denn längst ist Chr. geboren und wieder umgebracht, der Buchdruck erfunden und wieder abgeschafft worden, haben sich die Römer aus Gallien zurückgezogen, wo seither eine Revolution stattfand, eine Musik namens Chanson erfunden und das Land erneut besetzt wurde, allerdings nicht von den Römern. Das kleine Dorf aber ist geblieben, was es schon vor 2055 Jahren war: streitsüchtig, unmusikalisch und drogenabhängig. Da erscheint eines Tages: die Zukunft. Asterix und Obelix erkennen sie nicht gleich, obwohl sie merkwürdige Worte benutzt wie „Gravitation“, „Klon“ und „Konfiguration“ und aussieht wie Mickymaus – bloß in einem lila Kostüm. Name: Tuun. Das glupschäugige Wesen entsteigt einer riesigen schwebenden Kugel. Da bekommen sogar die wackeren Gallier einen furchtbaren Schreck, denn das Einzige, was ihnen Angst einjagt, ist, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Es ist dann doch nicht der Himmel, sondern nur ein Raumschiff. Ja, so weit ist es gekommen in Gallien. Zwei Hyperraumzivilisationen kämpfen um die Macht im All, und wer den Zaubertrank der Gallier zu fassen kriegt, der kriegt alles.

Autor und Zeichner Albert Uderzo jongliert wild mit Versatzstücken aus dem Disney-Universum, Supermann taucht ebenso auf wie der Marshmallow-Man („Ghostbusters“). Das ganze Science- Fiction-Tamtam ist denn auch als Hommage an den großen Walt gedacht. Uderzo bezeichnet ihn in einer Widmung als Druiden, „der es mir erlaubte, in einen Kessel mit Zaubertrank zu fallen, dessen Geheimnis er allein kannte“.

Dabei hatten sich Uderzo und sein 1977 verstorbener Kompagnon René Goscinny mit ihrer Erfindung eines gallischen Helden einst ausdrücklich gegen die amerikanische Dominanz zur Wehr setzen wollen. Doch seit Uderzo für Asterix alleine verantwortlich ist, sind die Geschichten nur noch ein blasser Schatten ihrer selbst. Nicht nur, dass das Abenteuer aus den Comics gänzlich verschwand, der Humor ist plakativ, Anspielungen auf politische Ereignisse sind vordergründig, und kaum ein Heft kommt mehr ohne popkulturelle Verweise aus. Was sich jenseits des Pallisadenzauns in der Welt ereignet, weiß der 78-jährige Uderzo als Realität nicht zu gestalten. Mit „Gallien in Gefahr“ wird diese Tendenz ins Groteske gesteigert. Zwar hebt die Story wie gewöhnlich mit einer Wildschweinjagd an, aber gleich darauf schon hebt sie ab – willkommen im Gagaland. Man bekommt eine Massenkeilerei geboten („Meine Fische stinken nicht!“), auch die Römer werden verhauen, und Häuptling Majestix hat immer noch Schwierigkeiten, sich auf seinem Schild zu halten. Mehr als nostalgische Selbstzitate, sind das nicht. Es dröhnen („Broooooffff“) die Kampfroboter so aufdringlich durch die mit ganzseitigen Bildern gestreckte Science-Fiction-Szenerie, dass sich die Helden-Legende wie von selbst demontiert. Ein Jammer, dass der alte Mann modern sein will.

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