Werkausgaben: Alter Held in neuen Büchern
Ob „Andy Morgan“, „Blueberry“ oder „Buck Danny“ – klassische Comic-Figuren erleben ein opulentes Comeback.
Back in the Saddle again! Die unerschrockenen Recken im Kampf gegen das Böse sitzen wieder fest im Sattel. Oder im Cockpit eines Kampf-Jets, auch am Steuer einer Hochsee-Jacht machen sie eine gute Figur. Die Rede ist von Westernhelden wie „Blueberry“, von Fliegerassen namens „Buck Danny“, von Globetrottern wie „Andy Morgan“. Diese klassischen Comic-Helden der 60er und 70er Jahre, allesamt aus der berühmten frankobelgischen Zeichenschule hervorgegangen und weitgehend in den Ruhestand verabschiedet, feiern zurzeit ein opulentes Comeback.
Werkausgabe heißt das Zauberwort, mit dem Verlage wie Carlsen, Kult, Splitter, Cross Cult, Salleck Publications oder die Ehapa Comic Collection Kasse machen. Denn die genannten und viele weitere Klassiker-Reihen werden in prächtiger Aufmachung und oft um redaktionelle Sonderseiten ergänzt neu aufgelegt. Dabei erscheinen drei oder vier der in aller Regel 48 Seiten starken Abenteuer im prallem Buch-Überformat und meist in der ultimativen, vom Autor einst so erhofften Editierung.
Andreas Detering, Betreiber des Fachgeschäfts „Kult“ in Wuppertal, sieht darin „den gelungenen Versuch, zum dritten oder vierten Mal Geld vom selben Käufer zu bekommen“. Die Leute, die diese Geschichten in den 70er und 80er Jahren meist noch im Softcover-Format gelesen haben, würden noch einmal investieren, um sich ihre Lieblingscomics repräsentativ ins Buchregal stellen zu können.
Den damals noch zaghaften Trend mit angestoßen hat Georg F. W. Tempel. Der Chefredakteur des Comic-Magazins „Zack“ war früher bei der Ehapa Comic Collection, neben Carlsen der Marktführer in Deutschland. Tempel ist allerdings nicht überzeugt, dass der aktuelle Boom dem Comic-Markt nur Gutes bescheren wird. „Obwohl ich zu meiner Zeit bei Ehapa einer der Initiatoren der Gesamtausgaben von ,Blueberry’ oder ,Lucky Luke’ war, stehe ich diesem Trend kritisch gegenüber“, sagt er. Denn es gebe mittlerweile unzählige Titel bei den verschiedensten Verlagen. Und ein Ende sei nicht abzusehen. „Luc Orient“ bei Ehapa, „Valerian und Veronique“ bei Carlsen, „Buck Danny“, „Natascha“ und „Harro und Platte“ bei Salleck Publications oder „Comanche“ und „Storm“ bei Splitter – „da frage ich mich, wie lange das der Geldbeutel des Sammlers noch durchhält?“
Keine unberechtigte Frage, denn neben den Gesamtausgaben alter Serien erscheinen seit einigen Jahren auch viele aktuelle Serien, die ebenfalls den klassischen Erzählmustern der frankobelgischen Abenteuer-Comics folgen. Und damit ein ähnliches Klientel ansprechen dürften wie die Klassiker.
Verantwortlich für diesen neuen Output an frankobelgischer Comic-Literatur ist in erster Linie der mittelständische Splitter Verlag. Den gab es in den späten 80er und frühen 90ern Jahren schon einmal, bevor der damalige Eigentümer das Unternehmen trotz eines lange Zeit attraktiven Programms in die Insolvenz führte. Vor fünf Jahren aber besannen sich Dirk Schulz, Leiter einer Werbe-Agentur und im alten Splitter Verlag unter anderem mit „Indigo“ auch als Comic-Künstler erfolgreich, und seine beiden Mitgesellschafter Delia Wüllner-Schulz und Horst Gotta des Namens Splitter.
Nach seiner Karriere als Comic-Zeichner habe er auch für den Carlsen Verlag gearbeitet, erzählt Schulz. „Als Carlsen dann die frankobelgische Schiene mehr und mehr zu Gunsten der Mangas vernachlässigte, habe ich immer wieder mal darüber nachgedacht, selbst einen Verlag zu gründen. Und eines Morgens bin ich mit dem Gedanken aufgewacht, den alten Namen ,Splitter’ wieder aufleben zu lassen, der schon früher für hochwertige Comics aus dem frankobelgischen Raum stand.“ Gestartet sei man 2006 mit der Vorgabe, den Alben-Markt neu anzukurbeln. Und das habe viel besser geklappt als zunächst erhofft. „Anfangs haben wir nur zwei Titel pro Monat herausgegeben, heute sind es elf“, sagt der Verleger.
Dass Schulz mehr als nur eine Schnapsidee hatte, bestätigt auch Stefan Huppert, der in Wuppertal mit seinem „Medien-Service“ die Auslieferung für mehr als 40 kleinere und mittlere Verlage übernommen hat. Unter dem Label „Kult Editionen“ verlegt auch er frankobelgische Abenteuer-Klassiker wie „Andy Morgan“ oder „Rick Master“. Diese Renaissance sei das Verdienst von Splitter.
Schon etwas länger hält das Engagement von Salleck Publications an. Auch der rührige Ein-Mann-Betrieb von Eckart Schott hat sich ganz den Klassikern aus Belgien und Frankreich verschrieben, setzt aber im Gegensatz zu Splitter, wo man etwa die Werkausgabe von „Comanche“ oder „Storm“ in Einzelbänden verlegt, auf die gestrafften Intégrales. „Nur so kann ein kleiner Verlag eine Serie wie ,Natascha’, die zuvor zerstückelt bei vier oder fünf anderen Verlagen erschienen ist, wirtschaftlich veröffentlichen.“ Das bestätigt auch Ralf Keiser, Comic-Redakteur bei Carlsen: „Bei ,Yoko Tsuno’ hatten wir die Wahl, 24 Einzelausgaben oder acht Gesamtausgaben zu drucken. Natürlich ist die Chance höher, das gut zu verkaufen, wenn man acht Gesamtausgaben macht, die der Comichandel dann als Neuheit präsentiert.“
Wirtschaftlich ist allerdings relativ. Denn während Schott „mit 1500 Exemplaren“ klarkommt, reicht das für die Branchenriesen Carlsen oder Ehapa nicht. Alexandra Germann, Programmleiterin der Ehapa Comic Collection, tut sich schwer mit Zahlen, „Fakt ist aber, dass bei uns die Gesamtausgaben von ,Asterix’ oder ,Lucky Luke’ in der Auflage weit höher liegen als ,Blueberry’ oder ,Jeff Jordan’.“ Während die Auflage von „Asterix“ etwa bei 10 000 Stück liege, schafften selbst die schwächeren Titel noch über 2000. „Ansonsten würden wir diese Titel nicht machen“, sagt Germann. Zudem verkaufe man diese in der Regel auch über die Backlist sehr ordentlich.
Auch bei Splitter bewegt man sich in ähnlichen Regionen. „,Comanche’ startet etwa mit 3000 Stück“, sagt Dirk Schulz. Band 1,2 und 3 seien inzwischen bereits in der zweiten Auflage, damit liege die Serie im vorderen Drittel des Verlagsprogramms. Schulz ist stolz darauf, „dass wir nicht nur diese Klassiker für in die Jahre gekommene Alt-Leser zu neuem Leben erweckt haben, sondern mit unseren moderneren Titeln auch Neu-Leser dazugewinnen.“ Deshalb setze man – im Gegensatz zur Konkurrenz – auch nicht auf Intégrales, weil hier der Einstiegspreis für Erstkäufer einfach zu hoch wäre.
Genau daran, an Neuleser mag Georg F. W. Tempel nicht so recht glauben und wiederholt seine Befürchtungen. „Ältere Männer produzieren alte Comics für ältere Männer“, lautet sein Urteil über den Trend und deren Macher. Der selbst 50-Jährige sieht die Gefahr, „dass die Albenschwemme, die Anfang der 90er Jahre schon mal in die Hose gegangen ist, den Markt irgendwann implodieren lässt.“ Ralf Keiser von Carlsen teilt die Skepsis. „Die Kollegen bei Splitter werden das anders sehen“, sagt er, aber er glaube nicht, dass das Publikum so stark wachse wie das Angebot. Andreas Detering („Kult“) hält die Vielzahl der Verlage, die glauben, nun jeden Monat einen gewissen Output haben zu müssen, auf Dauer für schädlich. Bei seinen Kunden sei bereits zu erkennen, dass das Überangebot die Leute verschrecke und zu stärkerer Selektion zwinge.
Aktuell ist das große Angebot – nach Jahren des Darbens – für Fans frankobelgischer Abenteuer ein Segen. Denn wer sich bisher nicht getraut hat, die Helden seiner Kindheit im Wohnzimmer auszustellen, dem nehmen die opulenten Bände die Scheu. „Blueberry“, „Buck Danny“, „Comanche“, „Andy Morgan“ und Co. sind im hohen Alter endlich regal-, ja gesellschaftsfähig geworden.
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