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Daniel Barenboim (li.) und Sir Simon Rattle beim gemeinsamen Auftritt in der Philharmonie.
© Stephan Rabold

Rattle und Barenboim: Alte Freunde, neue Freundschaft

Daniel Barenboim gab 1964 mit Bartóks Klavierkonzert Nr. 1 sein Debüt bei den Berliner Philharmonikern. Jetzt widmet er sich – mit Simon Rattle als Dirigent – erneut diesem Stück.

In seiner letzten Saison als Philharmoniker-Chef blickt Simon Rattle auch zurück auf das, was seine Berliner Jahre ausgemacht hat. Dabei tauchen Lieblingsstücke wieder auf wie jetzt Dvoraks zweites Set der Slawischen Tänze op. 72 oder Janaceks Sinfonietta. Zwischen ihnen blickt Rattle noch weiter rückwärts in der Geschichte des Orchesters, bis zum Juni 1964. Damals debütierte ein 21-jähriger Pianist bei den Philharmonikern, der heute einer der Großen in Berlin und im Rest der Welt ist. Daniel Barenboim nutzte die Chance, die ihm der damalige Intendant Wolfgang Stresemann gab. Bartoks erstes Klavierkonzert hatte er bis dato nie gehört, geschweige denn einstudiert. Doch er griff beherzt zu und überzeugte auch den Kritiker des Tagesspiegels: „Nicht nur die technische Beherrschung war zu bewundern, noch schöner war das spontane Temperament des Vortrags, das jede Note zu lebendiger, mitreißender Musik machte.“ Das Konzert war der Beginn von Barenboims Freundschaft mit Pierre Boulez, dem Dirigenten jenes Abends.

Barenboim hatte das Stück zuvor nie gehört

Dass Barenboim nun noch einmal mit Bartoks vertracktem Stück als Solist zu den Philharmonikern zurückkehrt, ist Ausdruck von Vertrauen, in das sich auch etwas Tollkühnheit mischt. Rhythmische Delikatesse, strahlender Anschlag und perkussiver Furor lassen sich nur schwer mit Barenboims gegenwärtigem Klavierspiel in Verbindung bringen. Doch ohne kann das Bartok-Abenteuer nicht gelingen. Ohne drängenden Impuls tritt der erste Satz auf der Stelle, ohne zuspitzende Beharrlichkeit entfaltet der zweite keine mystische Aura, ohne scharfe Kante läuft das Finale ins Nichts. Die Musik kauft Barenboim den Schneid ab – ein seltenes Erlebnis.

Dvoraks Slawische Tänze hingegen entwickeln nach erster Unschärfe ein traumhaft mattiertes Klangbild, in dem Überschwang und Melancholie unauflöslich verschmolzen sind. Dass es sich dabei um Paradenummern für sein Orchester handelt, weiß Rattle sehr wohl. Er verschiebt Akzente, löst hier und da Stimmen heraus, ein Spiel für Fortgeschrittene, die sich nicht miteinander langweilen wollen. Janaceks Sinfonietta mit ihrem archaischen Bläserchor schließlich will ins Hymnische wachsen und entfacht auf dem Weg dorthin einen Schmelz, dem man schwer widerstehen kann. Rattles Liebe zu dieser Musik klingt nach (noch einmal in der Philharmonie an diesem Samstag, 19 Uhr).

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