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Gespielte Demut. Hitler gibt Hindenburg in Potsdam die Hand.
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Tag von Potsdam: Als Hitler und Hindenburg zusammenfanden

Der Händedruck von Adolf Hitler und Paul von Hindenburg schrieb Geschichte: Der Tag von Potsdam heute vor 80 Jahren gilt als das Gründungsdatum des „Dritten Reichs“. Dabei konnte nicht die NS-Bewegung, sondern die bürgerliche Rechte ihn zunächst für sich reklamieren.

Der Tag von Potsdam am 21. März 1933 ist im Gedächtnis unserer Zeit als klassisches Beispiel einer listig berechneten Verführung gespeichert. Kaum ein Schulbuch zur deutschen Zeitgeschichte verzichtet auf den berühmten Händedruck vor der Potsdamer Garnisonkirche, mit dem ein als Biedermann kostümierter Reichskanzler Hitler in verlogener Verbeugung vor Reichspräsident Hindenburg das Bündnis von deutschnationaler Reaktion und nationalsozialistischer Revolution besiegelte.

Längst ist diese Sicht von der Forschung überholt und der totalitäre Verführer Hitler in einen Interpretationsrahmen gestellt worden, der seine Macht und zunehmende Handlungsradikalität auf die messianische Führersehnsucht in der deutschen Gesellschaft zurückführt, auf ihre Bereitschaft, „dem Führer entgegenzuarbeiten“. Doch die Deutung des Tags von Potsdam als perfekt inszeniertem Volksbetrug hält ihre Stellung unangefochten, bis in den Streit um die Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche hinein. Aber dieses Bild ist nicht nur unmodern, es ist vor allem unhaltbar: Der Tag von Potsdam war keineswegs das Produkt einer raffinierten geschichtspolitischen Regie.

Schon die Wahl des Veranstaltungsorts ging in ihrem Ursprung nicht auf den Willen der von Hitler geführten Reichsregierung zurück, sondern auf den Brandanschlag vom Abend des 27. Februar 1933, der den Berliner Reichstag in eine rauchgeschwärzte Ruine verwandelt hatte. Da Hitler sich angesichts der Brandstiftung – die der KPD zugeschrieben wurde – ein noch besseres Wahlergebnis erhoffte, drängte er in der ersten Kabinettssitzung nach dem Reichstagsbrand darauf, den am nächsten Sonntag zu wählenden Reichstag zur Eröffnungssitzung nach Potsdam in das Stadtschloss einzuberufen. Erst als die Sondierungen bei der Schlösserverwaltung erfolglos blieben, weil weder das Schloss noch ein anderer Repräsentativbau einen Saal für 600 Abgeordnete vorweisen konnte, kam ein Potsdamer Obermagistratsrat auf die kühne Idee, die Garnisonkirche als Ort der Reichstagseröffnung vorzuschlagen. Die bot sich als Sakralraum und Grablege zweier Preußenkönige aber eher aus deutschnationaler als aus nationalsozialistischer Sicht für die konstituierende Parlamentssitzung an.

Deshalb stufte der zuständige Reichsinnenminister Frick (NSDAP) die Angelegenheit als derart brisant ein, dass er den Beteiligten zunächst ein striktes Schweigegebot auferlegte, um sich nicht durch eine etwaige Ablehnung Hitlers zu desavouieren. Doch ein Alternativvorschlag stand in der nächsten Kabinettssitzung nicht zu Gebote. So erklärte sich Hitler zur Verblüffung seines Vizekanzlers Papen einverstanden, den Reichstag an einem Ort zu eröffnen, der das neue „Dritte Reich“ ganz in die Kontinuität des 1918 untergegangenen Zweiten Reichs stellen würde.

Der Widerstand der evangelischen Kirche, die sich sofort an den Reichspräsidenten wandte, verhinderte die Umsetzung dieses Vorschlags. Er führte nach einigem Hin und Her am 7. März zu einem Kompromiss, der die Versammlung in der Garnisonkirche auf einen feierlichen Staatsakt reduzierte. Vorangestellt wurde ihr ein nach Konfessionen getrennter Auftaktgottesdienst in der evangelischen Nikolaikirche und der katholischen Stadtpfarrkirche. Die eigentliche Reichstagseröffnung aber blieb einem gesonderten Akt in einem benachbarten Profangebäude vorbehalten, dem Langen Stall.

Als Symbol nationalsozialistischer Verführungskraft taugt der Tag von Potsdam nicht

Kurz darauf wurde auch diese Festsetzung gegenstandslos, als Hitler und Göring bei einem Lokaltermin zur allgemeinen Überraschung entschieden, den Eröffnungsakt auf den 21. März vorzuziehen. In zwei Wochen aber war der Lange Stall nicht versammlungstauglich umzubauen, so dass am Ende die eigentliche Reichstagseröffnung aus bautechnischen Zwängen nun doch in die Berliner Kroll-Oper verlegt werden musste. Für Potsdam blieb nur eine zeremonielle Auftaktveranstaltung ohne politische Bedeutung übrig.

Erst nachdem all diese Entscheidungen getroffen waren, trat mit Joseph Goebbels jener Akteur auf, dem die Legende die ganze Verantwortung für die Potsdamer Großveranstaltung zuschreibt. Von souveräner Regie kann bei dieser Vorgeschichte keine Rede sein. Zufälle, Kompromisszwänge und Ad-hoc-Entscheidungen spielten eine erheblich größere Rolle als der von Goebbels im Nachhinein reklamierte Anspruch, die Reichstagseröffnung „zum ersten Mal im Stil nationalsozialistischer Formgebung“ abzuhalten.

Ein interessantes Indiz dafür, dass die von den Umständen erzwungene Festlegung auf die Potsdamer Garnisonkirche eine ungewollte Signalwirkung zu entfalten drohte, lieferte die NS-Führung selbst. Denn weder Hitler noch Goebbels nahmen an dem auftaktbildenden Gottesdienst in der katholischen Stadtpfarrkirche teil. Sie entwanden sich dem Korsett des konservativen Zähmungskonzepts, indem sie stattdessen in trotzig-revolutionärer Kämpferhaltung den Luisenstädtischen Friedhof in Berlin-Kreuzberg aufsuchten und dort Kränze an den Gräbern zu Tode gekommener SA-Männer niederlegten.

Als Symbol nationalsozialistischer Verführungskraft taugt der Tag von Potsdam also nicht. Ebenso wenig stützt er die Behauptung, dass die nationalkonservativen Eliten hier ihre symbolische Kapitulationsurkunde unterzeichnet hätten. Hinter der vermeintlichen Versöhnung von „alter Größe und junger Macht“, die die Propaganda im „Dritten Reich“ herausstrich, verbarg sich in Wirklichkeit eine Konkurrenz um die symbolpolitische Vorherrschaft innerhalb des rechten Lagers, aus dem an diesem 21. März der bürgerliche Nationalismus und nicht die NS-Bewegung als Sieger hervorging.

Die Zuschauer erlebten die Potsdamer Feier als eine Überwindung der nationalen Zerrissenheit

Potsdam stand an diesem Tage weitgehend im Zeichen der monarchisch-konservativen Tradition. Nichts deutete darauf hin, dass die bürgerliche Rechte vor Hitler kapituliert habe. Es sah eher danach aus, als ob das von Hindenburg und Papen verfolgte Zähmungskonzept anschlüge und die bislang so plebejische und gewaltorientierte Hitlerbewegung sich am Ende in die Tradition eines restaurativen Preußentums eingefügt hätte. Dass der 21. März 1933 dennoch zum symbolpolitischen Gründungstag des „Dritten Reichs“ werden konnte, erklärt sich also weniger durch nationalsozialistische Beeinflussungskunst oder bürgerlich-konservative Handlungsschwäche als durch den Drang der deutschen Mehrheitsgesellschaft nach einer historischen Zeitenwende. Diese suchte sich in der Zeremonie der Parlamentskonstituierung ihr ausdrucksstarkes Symbol. Dieser Wille zum grundlegenden politischen Stilwechsel einte die von dicht gestaffelten Polizeiketten nur mühsam zurückgehaltenen Massen auf den Potsdamer Straßen mit den Hörern der reichsweiten Rundfunkübertragung und den Teilnehmern an den zahllosen Parallelfeiern überall im Reich. Sie alle erlebten die Potsdamer Feier als eine Überwindung der nationalen Zerrissenheit und als eine Versöhnung zwischen Vergangenheit und Zukunft, die die Weimarer Jahre symbolisch aus der Geschichte ausradierten.

Die Verbindung der frenetischen Massenbegeisterung mit der augenfälligen Einhegung Hitlers und seiner Bewegung ließ an diesem Tag Hindenburgs letzte Vorbehalte gegenüber seinem Kanzler dahinschmelzen. „Gott sei Dank, dass wir endlich so weit sind!“, fasste er seine innere Bewegtheit zusammen. Er fand nun nichts mehr dabei, zwei Tage später ein Ermächtigungsgesetz zu unterzeichnen, das die letzten verfassungsmäßigen Sicherungen gegen die NS-Diktatur aufhob.

Kurz: Der Tag von Potsdam wurde zu einem machtpolitischen Erfolg des NS-Regimes, gerade weil er ihm symbolpolitisch in vieler Hinsicht so missraten war. Am 21. März 1933 zerbrach das konservative Zähmungskonzept, gerade weil es sich so eindrucksvoll bewährt zu haben schien.

Martin Sabrow leitet das Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung und lehrt Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Humboldt-Uni Berlin.

Martin Sabrow

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