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Bauhaus
© ddp

Bauhaus: Als die Zukunft Form annahm

Das Bauhaus gilt als Synonym einer kalten Moderne. Die Berliner Jubiläumsausstellung zeigt nun die Vielfalt der Visionen.

Revolutionen beginnen mit Pathos. Als im März 1919 in Weimar das Bauhaus gegründet wurde, machten sich Enthusiasten an den Aufbau einer neuen, besseren Welt. „Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens“, heißt es sakral wabernd im von Walter Gropius verfassten Gründungsmanifest.

Das Bauhaus entstand an einem Nullpunkt der deutschen Geschichte, nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, und existierte genauso lange wie die Weimarer Republik. 1933 haben die Nationalsozialisten es geschlossen. Das Bauhaus wurde zum Opfer von Totalitaristen, aber auch in der Beschwörung eines „neuen kommenden Glaubens“ steckte ein totalitärer Kern. Allumfassend und radikal sollten die Neuerungen sein, es ging nicht nur um Fragen von Malerei, Design oder Städtebau, sondern auch darum, wie Menschen lernen, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen und was sie essen sollten. Der Begriff „Bauhaus“ ist zum Synonym für die strenge, funktionalistische Moderne des 20. Jahrhunderts geworden, als seine Inkarnation gilt das weiß gestrichene Stahlbetonhaus mit Flachdach. Dabei, so spottete die Künstlermuse Alma Mahler-Werfel, die fünf Jahre mit Gropius verheiratet war, sei es doch das eigentliche Charakteristikum des Bauhauses gewesen, „wenn jemand nach Knoblauch aus dem Hals stank“.

Der neunzigste Geburtstag des Bauhauses wird mit einem Aufwand gefeiert, als ob es bereits der hundertste wäre. Die ersten Ausstellungen begannen im Frühjahr, es gibt Tagungen, Filme und ganze Regale voller neuer Bücher (Tsp. vom 18. Juli). Den größten Beitrag zum Jubiläumsjahr setzt nun die Ausstellung „Modell Bauhaus“ im Berliner Martin-Gropius- Bau. Auf 2000 Quadratmetern werden knapp 1000 Exponate aufgeboten, es ist ein überwältigender, mit vielen Meisterwerken prunkender und an einem Nachmittag allein kaum zu bewältigender Rundgang durch die Kunst- und Kulturgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts, in dem auch die Verweise auf unsere Gegenwart nicht fehlen.

Denn die Inkunabeln des Bauhauses mögen zwar längst museal geworden sein – so lautet die These der Kuratoren –, aber seine Ideen sind es nicht. Das Modell lebt weiter, in den rechtwinklig organisierten Großsiedlungen der Vorstädte, in der Designmöbel-Massenfertigung von Ikea, selbst im „Mach dein Ding!“-Postulat der Baumarktketten, von denen sich eine nicht umsonst „Bauhaus“ nennt. Im Lichthof des Gropius-Baus hat die amerikanische Künstlerin Christine Hill ein großartiges „Do-it-yourself-Bauhaus“ aufgebaut, in dem die Museumsbesucher zu Bauhaus-Künstlern werden können.

Für die Ausstellung haben sich die drei großen Bauhaus-Institutionen – das Bauhaus-Archiv Berlin, die Stiftung Bauhaus Dessau und die Klassik Stiftung Weimar – zusammengetan und erstmals Stücke aus ihren Beständen zusammengebracht. Im Anschluss wechselt die Schau an das New Yorker Museum of Modern Art. Dort lautet der Titel „Bauhaus 1919–1933: Workshops for Modernity“. Der Plural ist gut gewählt. Denn das Bauhaus hatte nicht bloß drei verschiedene, zeitlich aufeinanderfolgende Standorte in Weimar, Dessau und Berlin. Auch die Visionen und Konzepte der Bauhäusler – das zeigt die historische Nahsicht dieser Ausstellung – waren vielfältiger und widersprüchlicher, als es aus der Ferne erscheinen mag.

Es beginnt mit den hochfahrenden expressionistischen Träumen der Anfangsjahre, mit Johannes Ittens „Turm des Feuers“ von 1920 und Mies van der Rohes Glashochhaus-Entwurf für die Berliner Friedrichstraße von 1922. Gleich im Raum daneben steht ein Modell der Fagus-Werke, die Walter Gropius und Adolf Meyer 1911 in Niedersachsen bauten. Mit seiner vorgehängten Glasfassade nimmt es das Dessauer Bauhaus-Gebäude vorweg. Dem Rationalisten Gropius schwebte ein Bauen im „geistigen wie im materiellen Sinne“ vor. Itten steht für das esoterische Element. Er trug eine mittelalterlich anmutende Mönchskutte und lebte streng vegetarisch. Sein „Turm des Feuers“, ein spiralförmiges, vier Meter hohes Gebilde aus Holzquadern und bunten Bleiglasschirmen, beschwört kosmologische Weltvorstellungen.

Das Bauhaus, hervorgegangen aus der von Henry van de Velde geleiteten Kunsthochschule in Weimar, war ursprünglich vor allem ein Schulreformprojekt. Es gab keine Aufnahmeprüfung, dafür mussten alle Schüler – insgesamt schrieben sich etwa 1250 ein – den von Itten geleiteten „Vorkurs“ absolvieren. Dabei kam es darauf an, das „Wesentliche“ eines Kunstwerks zu entdecken, „sein Lebendiges, das in seiner Form ruht, zu persönlichem Leben zu erwecken“. Die Schüler sammelten Holzabfälle, weggeworfene Sägeblätter oder Lampenschirme und fertigten daraus hübsche dadaistische Skulpturen. Am Ende durften sie selber darüber abstimmen, welches Kunstwerk das gelungenste sei.

Kunst und Technik sollten eine „neue Einheit“ bilden, Gropius sagte entschlossen Ja zu „unserer Welt der Maschinen, Drähte und Schnellfahrzeuge“. Sein Nachfolger Hannes Meyer, ein überzeugter Kommunist, setzte ab 1927 auf die „kollektivistische Deckung aller Lebensbedürfnisse“. Aber neben diesen avantgardistischen Tendenzen gab es auch einen Strang, der zurückwies in die Vergangenheit. Man orientierte sich zunächst an mittelalterlichen Dombauhütten, es gab „Meister“ statt Professoren. In einer Vitrine liegt kostbar aufgebahrt wie ein Reliquiar Lyonel Feiningers Holzschnitttitelbild des Gründungsmanifests von 1919: eine Kathedrale aus Prismen und Winkeln, überstrahlt vom Sternenlicht.

„Wir hatten eine ungeheure Stärke, das war der Glaube, dass wir teilnehmen an einer Erneuerung der Welt“, sagt ein Bauhaus-Veteran im Dokumentarfilm „Bauhaus – Modell und Mythos“, der am Donnerstag in die Kinos kommt. Die Filmemacher haben erstaunlich viele noch lebende Bauhäusler gefunden, die mitreißend über ihre Jahre an der Schule erzählen. In der Ausstellung findet sich dieser Enthusiasmus in den Fotos, auf denen man die Schüler beim Fußballspielen, Sonnenbaden oder bei den legendären Bauhaus-Festen sieht. Die Utopie eines guten Lebens, für ein paar Jahre scheint sie am Bauhaus Wirklichkeit gewesen zu sein.

Die schönste Pointe von „Modell Bauhaus“ ist der Ausstellungsort. Der Gropius-Bau mit seinen historistischen Fresken und goldenen Ornamenten scheint für all das zu stehen, was das Bauhaus hinwegfegen wollte: wilhelminische Eitelkeit und falschen Pomp. Er stammt von Martin Gropius, dem Großonkel des Bauhaus-Gründers. Doch Walter Gropius schätzte das Haus seines Vorfahrens durchaus. Das Bauhaus-Archiv, so heißt es, gab er erst nach Berlin, als ihm zugesagt worden war, dass der Gropius-Bau nicht abgerissen werde.

Martin-Gropius-Bau, 22. Juli bis 4. Oktober, täglich 10–20 Uhr, ab 30. September Di geschlossen. Der Katalog (Hatje Cantz Verlag) kostet in der Ausstellung 29,80 €.

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