Rapperin Sookee: Alles muss lila werden
Sie ist die Quing von Berlin, Queen und King des Hip-Hop zugleich. Die Rapperin Sookee mag keine Stereotypen, ihr Ziel ist es, Grenzen zu verwischen. Treffen mit einer Sprachrebellin.
„Boah, bist du schön!“ Für Sekundenbruchteile fehlen Sookee die Worte – und das fällt auf bei einer, die sonst alles andere als auf den Mund gefallen ist. Aber jener Satz, der auf dem Tresen der Neuköllner Eckkneipe prangt, schmeichelt der 28-jährigen Rapperin gleich doppelt, denn er ist ein Zitat aus ihrem Lied „Siebenmeilenhighheels“ von ihrem kürzlich erschienenen Album „Bitches, Butches, Dykes & Divas“.
Wie die Protagonistin aus dem Song ist Sookee heute ungeschminkt, trägt Brille, leicht zerbeulte Jogginghosen sowie ein schlichtes gestreiftes Sweatshirt – alles ausschließlich in Schwarz und Lila, den programmatischen Farben der Rapperin. „Meine Wohnung ist lila, meine Klamotten sind lila, mein Leben ist lila: Lila ist meine Farbe!“, sagt sie. Einerseits ist das eine Referenz an die lila Latzhose und die feministische Tradition. Andererseits ist die Farbe für Sookee vor allem eine Mischung aus Rot und Blau, „also aus zwei Farben, die jeweils eindeutig geschlechtlich konnotiert sind.“
Mit der offensiven Entgrenzung von Männlichkeits- und Weiblichkeitskonzepten ist die Musikerin spätestens seit ihrem vorletzten Album „Quing“ zur Szenegröße und Heldin nicht nur queerer Hip-Hop-Fans avanciert. Als „weder Queen noch King, dabei aber beides zugleich“ sieht sie sich und mischt mit der Forderung nach geschlechtlicher Veruneindeutigung auch die restliche Rapszene auf, wie etwa im Track „Purpleize Hip Hop“.
Grenzen zu verwischen ist ihr Ziel, folglich gibt es auch kaum eine Trennung zwischen ihrem Leben und dem, was die Rapperin ihren „kreativen Output“ nennt: „Ich benutze so ungern den Begriff ,Kunst’, weil ich nie so genau weiß, was dieses große Wort eigentlich bedeutet“, sagt sie. Vielmehr verarbeitet sie alle Themen, die sie umtreiben, zu überwiegend basslastigen Tracks, die regelmäßig ganze Konzertsäle zu kollektivem rhythmischen Kopfnicken bringt. „Es fängt eigentlich alles immer mit ganz persönlichen, individuellen Erfahrungen an.“
Die Begeisterung der zweiten Tochter Mecklenburgischer DDR-Flüchtlinge für die Hip-Hop-Kultur beginnt, als sie ein Graffiti auf dem Federmäppchen der älteren Schwester sieht. „Die Ästhetik des Schriftzugs hat mich sofort total umgehauen“, so ihre Erinnerung an die sprichwörtliche Liebe auf den ersten Blick. Als die damalige Waldorfschülerin herausfindet, dass es zu dieser Ästhetik auch einen Sound gibt und dass dieser Sound Rapmusik heißt, ist der Fall klar.
Beschenkt mit einer üppigen Portion Sprachgewandtheit, macht Nora Hantzsch, so ihr bürgerlicher Name, allerdings zuerst frustrierende Erfahrungen mit den „mackerigen“ Berliner Hip-Hop-Typen: „Weil ich anfangs noch keine Frauen kannte, mit denen ich mich hätte zusammentun können, war ich überwiegend in meiner Jungscrew unterwegs“, erinnert sie sich an die späten Neunziger. „Von vermeintlich nett gemeinten Bemerkungen à la ,Hey, für ’ne Frau gar nicht so schlecht ...’ bis zu ganz platten Sexualisierungen habe ich alles zu hören bekommen, was es an übergriffigem Mist gibt.“
Sookee will Normativität angreifen
Sie versucht vergeblich, sich in diesem Umfeld Anerkennung zu verschaffen, indem sie das Dominanzverhalten imitiert und sich an Tracks beteiligt, die sie heute als „sexistisch und scheiße“ bezeichnet: „Am Anfang habe ich Diskriminierungen eher als persönliches Ding empfunden und gar nicht so gecheckt, was da an gesellschaftlichen Strukturen dahintersteckt.“
Einen umfassenderen Blick auf diese Strukturen, etwa auf das Verhältnis von Frauen und Männern, Homo- und Heterosexuellen, Migranten und Herkunftsdeutschen entwickelt Sookee während ihres mittlerweile abgeschlossenen Studiums der Germanistischen Linguistik und Gender Studies. Doch auch wenn während dieser Zeit „einiges an Politisierung passiert ist“ – weltanschaulichen und kreativen Input zieht sie vor allem aus ihrem grenzgängerischen Leben zwischen den Konzertauftritten am Wochenende und ihrer Lehrtätigkeit an einer reformpädagogischen Schule. Das Lied „In der Ferne Bildungsnähe“ ist davon inspiriert.
Außerdem ist Sookee mit dem „Hip-Hop-Vehikel“ unterwegs und entwickelt mit Kindern und Jugendlichen Rap-Texte: „Ich empfinde die pädagogische Arbeit durchaus als politisch, außerdem lerne ich dabei super viel“, erklärt sie ihre Entscheidung, nicht allein aufs Musikmachen zu setzen. Um unabhängig zu sein von Menschen, „die mir mehr mit Scheinen winken können als andere“, hat sie mit einigen Freundinnen und Freunden das Plattenlabel-Kollektiv Springstoff gegründet: einerseits, um sich die vollständige künstlerische Freiheit zu bewahren und andererseits, um sich aussuchen zu können, wann, wo und vor wem sie auftritt – sei es nun bei der Verleihung des Frauenpreises im Berliner Rathaus oder bei feministischen Ladyfesten in linken Zentren.
Die linke Szene kommentiert Sookees Schaffen teilweise durchaus kritisch. „Da machen mich netterweise häufig Leute darauf aufmerksam, wenn mal was nicht so super läuft in meinem kulturellen Output,“ sagt sie. So habe sie etwa im Lied „Pro Homo“ lediglich die Intoleranz gegenüber Lesben und Schwulen im Hip-Hop im Blick gehabt und dabei versäumt, auch die Ausschlüsse von Trans- oder Intersexuellen zu thematisieren. Dass sich Sookee nicht scheut, mit derartigen blinden Flecken in ihrer Arbeit offensiv umzugehen, ist in den Tracks „Lernprozess“ und „Lernprozess 2“ nachzuhören. „Letztlich will ich eigentlich alle Auswüchse von Normativität angreifen und dagegen ankämpfen, dass Menschen auf bestimmte Plätze festgeschrieben werden,“ sagt sie.
Ist auch das wieder eine Parallele zu ihrem eigenen Leben, in dem sie abwechselnd und gleichzeitig Lehrerin, Plattenlabelgenossin und Musikerin ist, die an einem Tag bei hochoffiziellen Anlässen auftritt und am nächsten in einem besetzten Haus spielt? Sookee zupft grinsend ihren lila Schal zurecht. „Grenzen überwinden, das ist halt meine Leidenschaft.“
Konzert: 6. April, 21 Uhr, About Blank, Markgrafendamm 24 c, Friedrichshain.
Sonja Erkens
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