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Federn lassen. Die britische Formation Forced Entertainment trat im HAU Berlin auf.
© Theatertreffen/John Glendinning

Berliner Theatertreffen: Alles auf Abschied

Claus Peymann, Chris Dercon und das Stück "Real Magic" der englischen Truppe Forced Entertainment beim Theatertreffen.

Lustige Szene vor dem Theater. Claus Peymann rückt an mit Büchertisch. Wie jeden Abend beim Theatertreffen will er dem Festivalpublikum mit seinem Berliner-Ensemble-Abschiedswälzer aufwarten. Doch AnnemieVanackere, die Intendantin des HAU, wagt es, dem abdankenden König in den Weg zu treten. Sie hat die Stirn, seinen Auftritt aus dem Eingangsbereich ein paar Meter weiter Richtung Grün zu verlegen. Daraufhin packt Peymann ein und geht.

Weiß sie denn nicht, dass er hier einmal, als das Haus noch Schaubühne am Halleschen Ufer hieß, zur berühmten Regietruppe gehörte? Es war die Spielzeit 1970/71. Unverschämt, geschichtslos, diese junge Frau mit ihrem freien Theater! Aber wahrscheinlich hat die bewundernswerte Theaterchefin einfach genug von den larmoyanten alten Männern, die kein Ende finden, die sich für die Größten halten und nur noch peinlich sind.

Es ist nicht schön, wenn man mit ansehen muss, wie herausragende Künstler sich selbst demontieren. Teile der alten Volksbühne tun das bei jeder Gelegenheit, gern unterstützt von dem allerdings noch jungen Kultursenator Klaus Lederer. Das Vergangene verschattet das Theatertreffen 2017. Das Kommende beeinflusst die Atmosphäre ebenso: Am 16. Mai wird Chris Dercon endlich seine Pläne für die Volksbühne vorstellen. Die Pressekonferenz findet statt im ehemaligen Flughafen Tempelhof; dort soll im September die neue Volksbühnenspielzeit beginnen. Dercon und sein Team platzieren sich also auch in die Theatertreffen-Zeit. Das garantiert noch mehr Aufmerksamkeit, als sie ohnehin schon haben und ihnen lieb sein kann. Es wird die Pressekonferenz des Jahres. Dercon steht unter Druck. Hoffentlich bekommt er eine faire Chance.

Reese ist ein Fehlbesetzung. Wie jeder, der nicht Peymann heißt

Dieses Problem hat Oliver Reese nicht. Er nähert sich nahezu geräuschlos dem Berliner Ensemble, das er von Claus Peymann übernimmt. Reese, naturgemäß eine Fehlbesetzung, wie jeder andere, der nicht Peymann heißt, stellt am 30. Mai das Programm für den Schiffbauerdamm vor. Ganz cool kann er sein. Und Regisseure einsammeln für das neue Haus: Frank Castorf, Ersan Mondtag, Kay Voges ...

Aber zurück zum HAU. Fast alle lustigen Sachen – siehe Peymann – sind im Grunde traurig. Das zeigt exemplarisch das zum Theatertreffen ausgewählte Stück „Real Magic“ von Forced Entertainment aus England. Die drei Akteure Jerry Killick, Richard Lowdon und Claire Marshall führen anderthalb Stunden lang unermüdlichen Fatalismus vor – fidele Gefangene einer Show mit faulem Zauber. Comedy mit Gedankenlesen. Immer wieder die eine Szene in endloser Schleife und Variation, im Hühnerkostüm. Wie lautet der gesuchte Begriff? Immer wieder dieselbe falsche Antwort. Man sieht, dass Beckett das Vaudeville liebte, die alten Tricks der Komödianten. Tim Etchells Inszenierung – eine Koproduktion des HAU mit PACT Zollverein, Künstlerhaus Mousonturm, Tanzquartier Wien u. a. – zelebriert den Wiederholungszwang mit stoischem Humor. Sisyphos als ewiger Ratekandidat. Camus hat sich ihn als glücklichen Menschen vorgestellt.

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