Das letzte Album der Beastie Boys: Aggro New York
Klassenkeile: Die Beastie Boys und ihr grandioses Album „Hot Sauce Committee Part Two“
Es ist eine unwirklich menschenleere Stadt, durch die drei betrunkene, mit Bierdosen bewaffnete Typen taumeln. Nicht weniger befremdlich ist die Kleidung der Männer in diesem halbstündigen Video. Sie tragen den Hip-Hop-Habit der mittleren achtziger Jahre: Fila-T-Shirt, speckige Lederjacke, Plastik- Hütchen, eine riesige Goldkette und dicke Sneaker.
In der gleichen Uniform trat einst die damals erfolgreichste Hip-Hop-Crew MCA, Mike D und Ad-Rock auf, drei weiße jüdische Burschen aus Brooklyn, denen der „Rolling Stone“ attestierte, drei „Idioten haben ein Meisterwerk geschaffen“. „Licensed To Ill“ heißt jenes Album, das 1986 der ganzen Welt in die Ohren brüllte: Hip-Hop ist wieder da und wird sicherlich auch bleiben. Neun Millionen Mal verkaufte sich das von Rick Rubin produzierte Amalgam aus bombastischen Beats, Metal- Riffs und geschmacklosen Witzen. Mit „(You Gotta) Fight For Your Right (To Party!)“ enthielt dieses Pflichtprogramm für Pubertierende eine Hymne, die bis heute bei jedem Abi-Abschlussball läuft. Das Video dazu zeigt drei böse Jungs, die eine harmlose Party sprengen und das traute Heim der Gastgeber zerlegen.
25 Jahre später setzt der Promo-Film „Fight For Your Right-Revisited“ für das achte Studioalbum der Gruppe genau dort ein, wo die Party zu Ende war. Die Klamotten des Trios haben den Zeitsprung gut überstanden. Zwei der Boys aber sind aus dem Leim gegangen – Schmerbäuche spannen die T-Shirts, Haare wurden grau, dafür wuchs das Doppelkinn. Nur den kindischen Spaß am Zerstören haben sie nicht verloren. Stockt der Biernachschub, wird einfach die Scheibe des geschlossenen Supermarktes eingeschlagen, und wie einst dienen Bierdosen als Waffen gegen die Welt der Erwachsenen. So marodieren die drei durch ein zu Tode gentrifiziertes East Village, dem echte Typen längst abhanden gekommen sind. Dafür wandeln seelenlose Gestalten umher, denen die Jungs Büchsen an den Schädel werfen. Das Ganze ist natürlich ein Witz. Ein ziemlich gut gemachter.
Adam Yauch, Michael Diamond und Adam Horowitz, so die bürgerliche Namen der Musiker, werden von Elijah Wood, Danny McBride und Seth Rogen verkörpert. Und noch für die kleinste Nebenrolle dieser surrealen Traumreise konnte Regisseur Adam Yauch große Namen wie Susan Sarandon oder Jack Black gewinnen. Denn längst sind die Rüpel von einst arrivierte Veteranen, deren Projekte man selbstverständlich unterstützt. Bis zu diesem Status hat das Trio einen weiten Weg zurückgelegt. Gegen die Lehrer- und Kunsthändler-Eltern rebellierten die Teenager mit Punkrock. Nach dem historischen Erfolg des Debüt-Albums gingen sie ins kalifornische Exil, wo mit „Paul’s Boutique“ ein raffinierter Meilenstein des New-School-Hip-Hop entstand, der sich aber längst nicht so gut verkaufte. Der One-Hit-Wonder-Hölle entkam die Band mit einer radikalen Abkehr vom aktuellen Rap-Geschehen und der Gründung eines eigenen Imperiums aus Studiokomplex, Plattenfirma, Modemarke und Magazin.
Und als Mitte der Neunziger die meisten ihrer Kollegen zu Karikaturen mutierten oder in der Versenkung verschwanden, gelang den Beastie Boys mit Alben wie „Ill Communication“, noch immer Großes, mit der Single „Sabotage“ gar ein Jahrzehntsong. Doch die Pausen zwischen den Platten wurden immer länger. 2001 ging Grand Royal pleite. Politische Aktivitäten lähmten in der Folge spürbar die Kreativität des Unternehmens. Das Album „To The Five Boroughs“, eine Liebeserklärung an New York, wurde vom britischen Journalisten Peter Shapiro als „politisch motiviert, aber musikalisch und textlich uninspiriert“ bezeichnet. Wie ein Konter darauf wirkte drei Jahre später das rein instrumentale Funk-Jazz-Album „The Mix-Up“, für das die Band einen Grammy bekam. Die anschließenden Konzerte zeigten die Beastie Boys in bester anarchischer Form: je nach Tageslaune spielten sie stundenlange Jams, beschworen die alten Punkzeiten oder lieferten packende Freestyle-Hip-Hop-Sessions ab.
Das alte Feuer brannte wieder und eigentlich sollte Ende 2009 die neue Platte „Hot Sauce Committee“ erscheinen. Doch als bei Adam Yauch Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert wurde, stoppte die Beastie-Maschine. Die Krankheit sei behandelbar, sagte Yauch. Aber bis heute hat er sie nicht besiegt.
„Hot Sauce Committee Part Two“ ist die neu bearbeitete Fassung der Aufnahmen von damals. Und die Band hat alles richtig gemacht. Sie beschwört den Geist von 1988 und lässt gleich zu Beginn in „Make Some Noise“ die Battle-MC-Sau raus: „Yes, here we go again, give you more, nothing lesser/ Back on the mic is the anti-depressor/ Ad-Rock, no pressure, yes, we need this /The best is yet to come, and yes, believe this.“ Übersteuert, wie durch ein Megafon gebrüllt, klingen die Stimmen. Dazu knarzen verzerrte Keyboards über verhallte, handgeschlagene Beats und abgrundtiefen Basslinien.
Wo bei anderen Rappern ganze Kohorten von Gast-Stars für Glamour sorgen oder über mangelnde Ideen hinwegtäuschen sollen, laden die Beastie Boys gerade mal zwei Gäste ein: Der legendäre Nas ist auf der Single „Too Many Rappers“ zu hören. Und die Pop-Erneuerin Santigold singt bei „Don’t Play No Game That I Can’t Win“ mit, einem Ganja-verrauchten Reggaesong, der die Liebe der Beasties zum Dubmeister Lee Perry beteuert.
Nichts an diesem Album ist neu oder weist in die Zukunft. „Hot Sauce Committee“ stellt bloß fest, dass die große Vergangenheit des Hip-Hop eine ganz famose Gegenwart besitzt. Und dass drei gealterte Jungs aus Brooklyn immer noch ganz schön aggro sind. Am Ende von Adam Yauchs Kurzfilm tauchen übrigens kurz die echten, erstaunlich vital aussschauenden Beastie Boys auf. Als Polizisten. Sie klettern aus einem Streifenwagen und verprügeln ihre fett gewordenen Alter Egos.
Beastie Boys: „Hot Sauce Committee Part Two“ ist bei Capitol erschienen
Andreas Müller
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