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Der syrische Essayist Ali Ahmad Said Asbar «Adonis», 85, hier in einer Aufnahme vom Literaturfestival in Granada 2012.
© dpa

Flüchtlinge: Adonis dankt Merkel für Deutschlands Haltung

"In Deutschland herrscht Moral", sagte der syrische Dichter und Essayist Adonis zum Auftakt des Literaturfests München - und bedankt sich bei Kanzlerin Merkel. Er selber ist wegen seiner politischen Haltung umstritten.

Der syrische Dichter und Essayist Adonis hält Deutschland anderen europäischen Staaten für moralisch überlegen. „Wir haben gesehen, dass hier in Deutschland mehr Moral herrscht“, sagte der 85-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Ali Ahmad Said heißt, am Mittwochabend bei der Eröffnung des sechsten Literaturfestes München mit Blick auf die Aufnahme von Flüchtlingen. Er sprach von einer „wunderbaren Haltung“. „Ich möchte mich bei Frau Merkel bedanken.“ Insgesamt habe Europa aber zu lange gebraucht, um überhaupt auf das Flüchtlingsdrama aufmerksam zu werden.

Die Gründe für die Flucht liegen für den Dichter nicht nur in der Gewalt in Syrien und anderen Herkunftsländern. „Sie wollen sich als Mensch fühlen mit Rechten, Pflichten und Freiheiten. Das fühlen sie nicht in ihrer Heimat“, sagte er. „Wir leben noch im Mittelalter in der arabischen Welt.“

Erst vergangene Woche hatte es anlässlich der Verschiebung der umstrittenen Verleihung des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises an Adonis eine Debatte über den Dichter gegeben. Der irakische Schriftsteller Najem Wali hatte die Jury in einem "Spiegel"-Beitrag aufgefordert, über die Entscheidung „grundsätzlich nachzudenken“. Wali attestiert Adonis eine Nähe zu politischem Extremismus und religiösen Fundamentalismus: Er verharmlose den Wahhabismus, der Al-Qaida und den IS präge, und habe einmal ein Lobgedicht auf den Ajatollah Khomeini verfasst. Die Stadt Osnabrück hatte angekündigt, die Verleihung auf das nächste Frühjahr zu verschrieben: Sie habe keine Gesprächspartner gefunden, die sich mit dem Dichter und seinem Werk auseinandersetzen wollten. Das habe sicher auch mit der öffentlich geäußerten Kritik zu tun.

Das Literaturfest München hat sich in diesem Jahr das Thema Flucht und Flüchtlinge auf die Fahnen geschrieben. „Wir wollen einander auf Augen- und Herzhöhe begegnen“, sagte der Kurator des Autorenforums, Albert Ostermaier. „Es soll ein Fest des Kennenlernens sein.“ Das Literaturfest dauert bis zum 6. Dezember. Als prominente Gäste sind unter anderem Star-Autor Salman Rushdie („Die Satanischen Verse“), die britische Schriftstellerin Jojo Moyes („Ein ganzes halbes Jahr“), Umberto Eco („Der Name der Rose“) und „Wir sind Helden“-Frontfrau Judith Holofernes mit ihrem Buch „Du bellst vor dem falschen Baum“ eingeladen. dpa

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