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Wunderkammer: Eines der 15 Plakate, auf denen die Spring-Zeichnerinnen diesmal ihre Geschichten erzählen, hier Nina Pagalies.
© Spring

Zeichnerinnen-Magazin „Spring“: Achtung, jetzt kommt ein Karton!

Wunder gibt es immer wieder. Und vielleicht ist es sogar ein kleines Wunder, wenn das unabhängige Zeichnerinnen-Magazin „Spring“ nun schon im elften Jahr erscheint. Ein Atelierbesuch bei einer der Macherinnen. 

Um „Wunder“ geht es im diesjährigen „Spring“-Magazin, und es erscheint nicht wie sonst in Heftform, sondern in einer kompakten Schachtel aus dickem grauem Karton, wunderschön mit Fabelwesen und anderen seltsamen Gestalten in schwarzer Scherenschnittoptik bedruckt. Im Schuber finden sich 15 großformatige Plakate und dazu ein Heft mit Texten.

„Tatsächlich ist diese Schachtel wie ein Wunderkammer, die man betritt“, sagt die Berliner Illustratorin Nina Pagalies – eine der 15 Frauen, die an der aktuellen „Spring“-Ausgabe mitgewirkt haben. Der Fußboden ihres Neuköllner Arbeitszimmers ist übersät mit den ein Meter auf einen halben Meter großen Postern. „Man entfaltet dann diese Bildwelten und Geschichten und wundersamen Berichte. Es gibt musikalische Wunder, es gibt die religiösen, die poetischen und sogar erotische Wunder sind dabei.“ Nina Pagalies lacht, als sie das sagt. Die Arbeiten auf dem Boden changieren in allen Schattierungen der zwei Druckfarben: Tiefrot und Türkisgrün. Besonders auffallend: eine leuchtende Collage der Illustratorin Stephanie Wunderlich, die vom wahren Wunder der wiedergefundenen Schwester erzählt, oder auch die surreale Körper-Landschaften, gezeichnet von der Comic-Künstlerin Ulli Lust.

Bildergeschichten aus weiblicher Sicht

Seit seinen Anfängen bewegt sich das jährlich erscheinende „Spring“-Magazin immer irgendwo zwischen Illustration, Comic und Kunst und ist mittlerweile zu einer festen Größe im deutschsprachigen Comic-Geschehen geworden. Gegründet wurde „Spring“ vor elf Jahren von den Zeichnerinnen Claudia Ahlering und Claire Lenkova, die damals bei der Comic-Künstlerin und Kunstprofessorin Anke Feuchtenberger an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften studierten.

Bildergeschichten erzählen aus weiblicher Sicht, auch darum ging es den Gründerinnen. „Vor zehn oder mittlerweile elf Jahren war die Comic-Szene natürlich noch viel stärker männerdominiert“, sagt Nina Pagalies. „Mit dem Gebiet Graphic Novel, mit diesem neuen Interesse an anderen Geschichten, ist auch die Seite der Frauen gestärkt worden. Es sind inzwischen viel mehr bekannte Comic-Zeichnerinnen in diesen Kreis dazugekommen.  Und wer weiß, vielleicht hat „Spring“ ja auch dazu beigetragen“, sagt Pagalies, während sie die beidseitig bedruckten Plakate nach und nach wieder in Leporello-Form faltet und in den Karton zurücklegt.

Irgendwo zwischen Illustration, Comic und Kunst: Der Beitrag von Birgit Weyhe.
Irgendwo zwischen Illustration, Comic und Kunst: Der Beitrag von Birgit Weyhe.
© Spring

Vor dem „Wunder“ ging es in den monothematischen „Spring“-Heften bereits um „Verbrechen“, „Familiensilber“, „Happy Endings“ oder auch um das „ABC of Tragedy“ – das Tragödien-Alphabet. An dieser Jubiläumsausgabe zum zehnten Erscheinen des Magazins 2013 beteiligten sich über 30 Zeichnerinnen, darunter Paula Bulling, Line Hoven, Anke Feuchtenberger oder Barbara Yelin.

Als Gäste sind Männer durchaus willkommen

Seit der Gründung erscheint das „Spring“-Magazin im Selbstverlag. Das Heft trägt sich gerade so, auch weil alle Mitwirkenden umsonst für „Spring“ arbeiten. Nina Pagalies ist froh um diesen kreativen Freiraum: „Das ist so eine Philosophie von „Spring“, dass man ohne Auftraggeber vollkommen frei wirken kann. Natürlich am besten noch, wenn man unkommerziell ist. Da machen wir dann lieber so verrückte Sachen, dass wir in einen Wunder-Schuber investieren und dafür all unser erspartes Spring-Geld auf den Kopf hauen.“

Auch wenn die Zusammensetzung der „Spring“-Belegschaft sich immer wieder ändert, ein Frauen-Heft ist „Spring“ seit der ersten Ausgabe. Mittlerweile weniger aus dogmatischen, denn aus praktischen Gründen, betont Nina Pagalies: „So ein demokratisches System in Frauenhand scheint einfach gut zu funktionieren, das haben wir gemerkt. Deshalb sind wir bisher dabei geblieben. Als Gäste sind Männer durchaus willkommen, aber nicht unbedingt in diesem inneren Zirkel der Entscheidung.“ Tatsächlich finden sich auch Männer im diesjährigen „Spring“-Schuber. Die Texte im Wunder-Heft, das sich neben den Plakaten im Karton befindet, stammen unter anderem von dem Berliner Schriftsteller Jochen Schmidt:

Wunder gibt es immer wieder: Der elfte Spring-Band im Schuber.
Wunder gibt es immer wieder: Der elfte Spring-Band im Schuber.
© Promo

Ich glaube nicht an Gott, aber ich glaube an Wunder, weil ich schon so viele im Leben gesehen habe.

Die riesigen ausgelatschten Pantoffeln von meinem Vater. Fleischfressende Pflanzen. Ein Boomerang. Die Puffer am Ende der Bahnschienen. Blitzableiter. Tiefflieger. Gebratene Flunder. Blutorangen. Lebensmüde Menschen. Lianen im Urwald. Dass die Vitamine in der Schale vom Apfel sind. Der Hohlraum, in dem der Bäcker geschlafen hat.

Spring #11: Wunder. 15 Plakate von 15 Zeichnerinnen im Siebdruck-Schuber (Gestaltung: Katharina Geschwendtner) plus Extraheft mit Texten von Teresa Präauer, Jochen Schmidt, Michael Weins, Tessa Müller, Benjamin Maack und Katharina Hartwell, 25 Euro. Zu bestellen unter www.springmagazin.de.

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