Rock: AC/DC lässt die Hölle warten
Laut und lustig geben AC/DC eine fulminant altmodische Rock-Show im Berliner Olympiastadion. Mit Power-Akkorden, ein wenig Gebrüll und Kanonenschlägen bei den Zugaben nimmt sich die fünfköpfige Band selber nie richtig ernst.
Zwei riesige aufblasbare Schirmmützen mit roten Hörnchen flankieren die Bühne. Sie blinken in den Abendhimmel. Genau wie hunderte von Plastikhörner-Paaren, mit denen sich die Fans in kleine Hardrock-Teufel verwandelt haben. Was am einzelnen Kopf ein bisschen lächerlich aussieht, hat in der Masse einen tollen Effekt: Je dunkler es im Olympiastadion wird, desto mehr wirkt es wie eine gigantische Grotte voller unheimlicher Augen.
AC/DC kennen sich eben aus mit Effekten, sie wissen, wie man aus einer kleinen Sache ein Riesending macht. Eine Handvoll Power-Akkorde, ein gerader Takt und ein bisschen Gebrüll – fertig ist der nächste Song. Hauptsache es knallt. Und das tut es bei ihrem ersten Berlin-Konzert seit sieben Jahren. Mit Explosionen und einer durch die Leinwand preschenden Dampflok donnern sie los. „Rock ’n’ Roll Train“ vom 2008er-Album „Black Ice“ eröffnet die zweistündige Show der Australier. Der Sound ist gewöhnungsbedürftig krachig, die Lautstärke immens.
Angus Young hopst in purpurner Schuluniform und leuchtend weißen Söckchen mit seinem typischen Ausfallschritt über die Bühne. Er spielt auch mit 55 Jahren und lichter werdendem Haupthaar noch perfekt den durchgeknallten Irren an der Gibson SG, den er schon seit den siebziger Jahren gibt. Und natürlich legt er wie jeden Abend einen Striptease hin, bei dem er erst seine Hühnerbrust und dann seinen Slip mit Bandlogo zeigt. Die Band shuffelt sich derweil gemütlich durch „The Jack“ vom ersten Album „High Voltage“.
Den nächsten Höhepunkt bereitet Sänger Brian Johnson vor. Mit rudernden Armen geht er auf dem Catwalk in die Stadionmitte, sprintet dann zurück auf die Bühne und springt an das Seil, das an einer riesigen Glocke befestigt ist. „Hells Bells“ ist eingeläutet. Johnsons Gesang ist quäkig-gepresst wie eh und je. Manche werden nachher wieder sagen, dass er nie an seinen 1980 verstorbenen Vorgänger Bon Scott herankommen wird. Aber das dürfte mittlerweile am 62-jährigen Johnson abprallen, der in seinem typischen Outfit – Jeans, Weste, Schiebermütze – aussieht wie ein Bierkutscher.
Immer wieder geht es in seinen Ansagen und Texten darum, dass das hier Rock ’n’ Roooooll!!! ist. Und zwar die ganz altmodische, analoge Version ohne jeden Schnickschnack. Es gibt weder Keyboards noch Bläser oder Background-Sängerinnen. Cliff Williams am Bass, Phil Rudd am Schlagzeug und Rhythmusgitarrist Malcolm Young legen stoisch das Fundament auf dem sich Angus Young und Brian Johnson austoben können.
AC/DC stellen ihre Gestrigkeit geradezu aus. Dass sie dabei nicht peinlich wirken, liegt allein an ihrem Humor und ihrer Selbstironie – Qualitätsmerkmale, die normalerweise nicht zu den Hardrock-Kernkompetenzen gehören. Kiss oder Alice Cooper können unter Aufbietung von viel Schminke gerade noch mithalten, doch der clowneske Quatsch von AC/DC hat einfach eine eigene Klasse.
Das Quintett nimmt sich selbst nie richtig ernst, und so kann man ihm schwer etwas übel nehmen. Die rund zwanzig Meter hohe Gummipuppe mit den Atombusen, die bei „Whole Lotta Rosie“ auf der Dampflok reitet zum Beispiel. Doch andere Machoposen spart sich die Gruppe. Wenn Brian Johnson gelegentlich seine strammen Oberarme in die Luft reißt, erinnert er an einen Rummelplatzboxer vor dem Kampf. Irgendwie rührend. Und den Büstenhalter, der auf die Bühne fliegt, wirft er lächelnd zurück in die Menge.
Die Band hält das Energielevel konstant hoch, findet eine gute Mischung ihrer Hits mit einem Schwerpunkt auf den siebziger und frühen achtziger Jahren. Vom jüngsten Album spielt sie gerade einmal vier Titel, die sich unauffällig ins Programm einfügen. Mit großer Freude wird das inzwischen schon klassische High- Speed-Intro von „Thunderstruck“ empfangen. Der Nananaaa-Chor grölt im Innenraum los. Auf den Rängen werden die Luftgitarren ausgepackt, die Bierbäuche wippen im Takt und für ein paar Minuten ist die Welt auf die Größe eines Fußballfeldes geschrumpft – und das ganz ohne Fußball.
Das programmatische „Let there be Rock“ walzen AC/DC zu einem orgastischen Finale und einer großen Feier ihrer selbst aus. Die Leinwände hinter ihnen zeigen alte Plattencover und Fotos, Angus Young spielt auf einer Hebebühne Sinnlos-Soli, die von der Band übertönt werden. Als die Kollegen Ruhe geben, gniedelt er noch einmal richtig los, schweißüberströmt, manisch, unvergleichlich.
Die Zugaben werden von Kanonenschlägen begleitet. Und nach dem Abgang der Band lässt ein Feuerwerk über dem Dach des Olympiastadions sogar den Mond blass aussehen. Selig strömen die Teufelchen zur S-Bahn und lassen sich nach Hause schaukeln.
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