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Florian Illies, Autor von "1913 - der Sommer des Jahrhunderts"
© dpa-bildfunk

Bestseller von Illies bis Ebert: 1812 und 1913 schlagen 2666

Wer zu spät kommt, den bestraft der Buchmarkt: Der Bestseller dieser Tage muss eine Jahreszahl im Titel haben, dann verkauft er sich von selbst.

Im Jahr 2001 war es, als der im kalifornischen Stanford lehrende Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht sein Buch „1926. Ein Jahr am Rand der Zeit“ veröffentlichte. Einfach so, um „eine historische Umwelt präsent zu machen“, natürlich auch, um ein vernachlässigtes, aber historisch relevantes Jahr zu seinem Recht kommen zu lassen. Was Gumbrecht weniger im Sinn hatte, trotz der 75 Jahre, die zwischen seinem Buch und dessen Untersuchungsgegenstand lagen: ein Jubiläum zu begehen.

Elf, zwölf Jahre später, 2012, 2013, scheint es, als jähre sich alles zum hundertsten und zweihundertsten Mal. Und: als brauche nur ein Datum auf dem Buchdeckel zu stehen und schon stapeln sich die Bestseller. Das Buch „1913. Der Sommer des Jahrhunderts“ von Florian Illies, der sich die Form des synchronen Erzählens nicht zuletzt bei Gumbrecht abgeguckt hat, dürfte 2013 nicht mehr aus den Bestsellerlisten verschwinden. Mehrere Wochen fand sich ein paar Ränge dahinter auch Adam Zamoyskis Buch über Napoleons Russlandfeldzug mit dem schlichten, aber eben marktgängigen Titel „1812“, veröffentlicht natürlich schon im Herbst 2012, wie im übrigen Illies’ Buch auch. Denn merke: Wer zu spät kommt, den bestraft der Buchmarkt.

Insofern ist Sabine Ebert (Was war da los, Droemer-Verlagsgruppe? Nicht fertig geworden? Geschlafen?) geradezu eine Nachzüglerin mit ihrem historischen Roman zum 200. Jahrestag der Leipziger Völkerschlacht, betitelt, natürlich, mit der Jahreszahl „1813 – Kriegsfeuer“, veröffentlicht im März und seit zwei Wochen, natürlich, vorn in den Buchcharts. Was haben die Leute bloß? Ist das die Sehnsucht nach fixen, historisch einigermaßen abgesicherten Ereignissen, die uns das Fluide, Ungesicherte, zunehmend Virtuelle unserer Existenz besser ertragen lässt? Früher waren noch nicht so viele Jahreszahlen auf den Buchcovern, da drehte sich nicht so viel um bestimmte Jahre, Bertoluccis Filmepos „1900“ und Orwells „1984“ hin, die Emmerich-Filme „10000 BC“ und „2012“ her. Und das 2014 steht uns ja erst bevor, der Erste Weltkrieg will ja noch einmal intensivst untersucht und als Jubiläum begangen werden, „1914“ wird der Top-Bestseller 2014, von wem und als was auch immer geschrieben, Roman, Sachbuch, Facton etc.

Nur gut, dass es auch Zahlen auf Buchcovern gibt, die nichts bedeuten, die sich eher in der Kunst der Verschleierung als der der Enthüllung oder historischer Verweise üben. „2666“ von  Roberto Bolaño ist dafür das Paradebeispiel. In dem Roman des chilenischen Schriftstellers gibt es keinen Hinweis auf die Bedeutung dieser Zahl. Wenngleich selbst sie solch eine Magie ausübte, dass Bolaños weit über tausend Seiten zählendes literarisches Rätsel-und Meisterwerk 2011 wochenlang in den Bestsellerlisten stand. Oder gab es doch eine Verbindung zwischen 2011 und 2666?

Gerrit Bartels

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