Der Tagesspiegel-Fragebogen (23): 15 Fragen an - Daniel Clowes
Wir haben Comicschaffenden je 15 Fragen gestellt - zu ihrer Arbeit, zu ihren Vorbildern und zur Lage der Comic-Nation. Heute: Daniel Clowes, von dem dieser Tage zwei Bücher neu auf Deutsch erscheinen.
1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?
Es kommt darauf an. Manchmal beginnt es mit einem Titel. Alles über fünf Seiten braucht eine Hauptfigur, die stark genug ist, damit die Geschichte interessant genug für mich ist, um dabei zu bleiben. Damit fängt es meist an, um reinzukommen.
2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das?
Nein, außer wenn ich Sachen mache wie Panels zeichnen. Manchmal denke ich an die Struktur eines Liedes oder einer Symphonie, wenn ich eine Geschichte plane, aber nur als Ausgangspunkt. Meist hilft es mir nicht sehr viel weiter. Ich bin ein Liebhaber der Stille - auch wenn das nur noch eine entfernte Erinnerung ist, weil ich einen Tinnitus habe.
3. Was essen und trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?
Das ist eine eigenartige Frage. Ich würde sagen, ich trinke eine Menge Eistee.
4. Angenommen, Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
Ich würde wohl erst mal alles andere in meinem Haus retten. Meine Comics kann ich wieder kaufen. Außer der einen Kiste mit seltenen selbstverlegten Comics. Die würde ich mir wohl schnappen, die wären schwer zu ersetzen.
5. Welche Zeichner/Autoren waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?
Robert Crumb, Harvey Kurtzman, Wallace Wood, Charles M. Schulz, Crockett Johnson und viele andere.
6. Welches Comic-Buch/Heft/Album würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?
Chris Ware ist immer ein guter Tipp für fortgeschrittene Leser mit gutem Sehrvermögen.
7. Glauben Sie, dass dem Comic die Aufmerksamkeit zuteil wird, die er verdient?
Wahrscheinlich sogar mehr als er verdient. Kürzlich war im New York Times Magazine ein Interview mit Sophie Crumb - da, wo sonst normalerweise der Verteidigungsminister interviewt wird.
8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/innen verdienten mehr Aufmerksamkeit als sie sie im Moment haben?
Tim Hensley and Rick Altergott - zwei Genies.
9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
Kann ich mir den selbst unter einem falschen Namen verleihen?
10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Das wäre eine unerträgliche Aufgabe.
11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
Ich habe gerade mit der Arbeit an einem neuen Buch begonnen. Es heißt "Mr. Wonderful" und kommt im Mai 2011 heraus.
12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comiczeichner/-autor zu werden – und wieso würden Sie ihm davon abraten?
Ich würde niemals jemanden ab- oder zuraten. Das ist eine Entscheidung, die aus der Notwendigkeit entsteht, wenn man einfach nicht in der Lage ist, es nicht zu tun.
13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Das ist das höchste Stadium der Kunst. Es ist fast immer eine herbe Enttäuschung, aber wenn es so aussieht, wie Du es gehofft hast, ist es das beste Gefühl der Welt. Als ich meine fertigen Exemplare von "Wilson" bekam, habe ich sie den ganzen Tag mit mir herumgeschleppt, um sie in unterschiedlichem Licht zu betrachten. Ich habe mich wahnsinnig gefreut.
14. Welche Note hatten Sie im Kunstunterricht?
Ich glaube eine der besten Noten. Ich war eine ziemliche Nervensäge.
15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?
Mit Pferden habe ich große Probleme. Aber wenn ich es müsste, könnte ich wohl lernen, wie man die zeichnet. Und ich finde Flugzeuge, Autos, Boote und so weiter unerträglich langweilig, aber wenn nötig, kann ich die zeichnen.
Daniel Clowes, Jahrgang 1961, ist einer der wichtigsten US-amerikanischen Comicautoren und Zeichner der Gegenwart. Seine erste Heftserie "Lloyd Llewellyn" begann er 1985 bei Fantagraphics Books. 1989 erschien das erste Heft der Reihe "Eightball", die bis heute über zwanzig Ausgaben erreicht hat. Die Arbeiten von Daniel Clowes sind in mehrere Sprachen übersetzt worden. Zusätzlich betätigte er sich über die Jahre erfolgreich als Illustrator. Er kommt aus der Tradition der US-Underground-Comics, ist inzwischen aber durch Veröffentlichungen in Zeitungen wie der New York Times und durch die Verfilmung seiner Erzählungen wie "Ghost World" oder "Art School Confidential" weit über die Comicszene hinaus bekannt. Auf Deutsch sind bei Reprodukt bislang die Bücher "Wie ein samtener Handschuh in eisernen Fesseln", "Karikatur" und "Ghost World" von ihm erschienen. Außerdem wird diese Tage die ebenfalls bei Reprodukt erscheinende deutsche Fassung seines Buches "David Boring" ausgeliefert. Sein aktuelles Buch "Wilson" erscheint an diesem Montag auf Deutsch im Eichborn-Verlag - mehr dazu hier. Über die Jahre hat Clowes bei den großen nordamerikanischen Comicpreisverleihungen eine ganze Reihe Harvey-, Ignatz- und Eisner Awards gewonnen. Daniel Clowes lebt und arbeitet in Kalifornien. Zu seiner Website geht es hier.
Alle bisher erschienenen Folgen unserer Fragebogen-Serie finden Sie unter diesem Link.
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