Der Tagesspiegel-Fragebogen (30): 15 Fragen an – Thilo Krapp
Wir haben Comicschaffenden je 15 Fragen gestellt - zu ihrer Arbeit, Vorbildern und zur Lage der Comic-Nation. Heute: Thilo Krapp, der derzeit an der Fortsetzung seiner schwulen Abenteuergeschichte „Damian & Alexander“ arbeitet.
1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?
Meistens habe ich ein Motiv vor Augen, das ich schon immer mal in einem Comic haben wollte, und es bildet sich darum eine Geschichte. Diese ist im Folgenden dann recht gleichberechtigt beeinflusst sowohl von weiteren Bildideen, die ergänzend dazu kommen, und von Dialogen, die mir spontan einfallen oder die ich auch schon immer mal im Kopf hatte.
2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das?
Manchmal höre ich Musik zur Unterstützung bei einer Szene, wo ich weiß: Etwas vom Gehalt der Musik fließt dann wohltuend und das Ergebnis verbessernd in die Zeichnungen ein. Sozusagen „Hintergrundmusik“, die den nötigen Schub gibt, etwas noch besser zu gestalten, als ich es ohne Musik tun würde. Meistens höre ich aber gar keine Musik.
3. Was essen oder trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?
Ich esse gar nichts beim Zeichnen, aber trinke ab und zu gerne einen Kaffee. Am besten als „Pause“.
4. Angenommen, Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
Hm, von vorn betrachtet, würde ich zunächst meinen Freund, dann meinen Kater, und DANN die Originalseiten meiner eigenen Comics retten, falls das überhaupt noch klappt. Dann würde ich wahrscheinlich eine Festplatte mit bereits gescannten und kolorierten Seiten retten. Und dann, wenn noch Zeit ist: „Sammy“ von Berck und Cauvin, weil es meine erste und prägendste Comic-Erfahrung ist.
5. Welche Zeichner/Autoren waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?
Henk Kuijpers und Berck/Cauvin. Uderzo, Franquin, Goscinny. Offenbar muss aber auch etwas Hergé dabei sein.
6. Welches Comic-Buch/Heft/Album würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?
Ich weiß nicht, ob es einen Unterschied für mich macht, ob jemand bisher noch keinen Comic gelesen hat, oder doch. Ich würde, glaube ich, immer uneingeschränkt „Lucky Luke“ empfehlen, dann ein paar Graphic Novels wie „Blankets“, „Persepolis“ oder „Cash“, die man gelesen haben muss. Aber auch ganz neue, bisher zumindest hier noch nicht so bekannte Künstler wie Bastien Vivès oder Matthias Picard... die Liste der Empfehlungen - durch alle Stile und Genres hindurch – wird sehr lang, weil es so viele tolle Leute gibt, ob bereits etabliert oder recht neu dabei.
7. Glauben Sie, dass dem Comic die Aufmerksamkeit zuteil wird, die er verdient?
Ich denke, die Frage bezieht sich auf Deutschland, oder? Es könnte noch mehr werden. In gewisser Hinsicht wird dem Comic schon mehr Aufmerksamkeit zuteil, aber die Empfindungen schwanken noch zu sehr zwischen Euphorie und Ablehnung, finde ich. Viele Leute scheinen sich für Comics zu interessieren – oder ihnen zumindest aufgeschlossen gegenüber zu stehen. Aber ob das für das gesamte Spektrum an Comics gilt, weiß ich nicht... Vor allem den autobiographischen Comics und solchen, die sich sehr nah an dem Objekt „Buch“ und den Sujets von Romanen orientieren, kommt schon recht viel Aufmerksamkeit zu, denke ich. Der Comic insgesamt – ich meine hier: seine gesamte Bandbreite an Stoffen und Spielarten – verdient aber noch viel mehr Beachtung, Akzeptanz und dafür eben noch mehr Aufmerksamkeit, als ihm heute zuteil wird.
8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/innen verdienten mehr Aufmerksamkeit als sie sie im Moment haben?
Da gibt es bestimmt einige, aber spontan fallen mir ein: Regina Haselhorst und Leo Leowald, Line Hoven und Gerda Raidt verdienen noch mehr Aufmerksamkeit, finde ich.
9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
Jijé.
10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Detailverliebtheit, auch in der Beschreibung von inneren Zuständen.
11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
An Kinder- und Bilderbüchern – darunter den „Drei ???“ und auch eigenen -, sowie dem zweiten Teil meiner Abenteuerreihe über meine beiden schwulen Figuren Damian & Alexander, der da heißen wird: „Dschungelliebe“.
12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comiczeichner/-autor zu werden – und wieso würden Sie ihm davon abraten?
Ich würde ihm gar nicht abraten, aber ihm dringend nahe legen, sich finanziell nicht allein auf das Gelingen dieses Berufes zu verlassen. Ansonsten würde ich ihm wegen den vielen Möglichkeiten für einen Künstler, sich auszudrücken, uneingeschränkt zuraten.
13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Wie eine – nein, eine endlich geglückte lange Geburt.
14. Welche Note hatten Sie im Kunstunterricht?
Ich glaube, immer „Sehr Gut“, bis auf die Grundschule, aber da hatte ich wirklich eine schlechte Lehrerin.
15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?
Etwas, was mich überhaupt nicht interessiert und mich gar nicht berührt.
Thilo Krapp, 1975 in Herdecke geboren, ist der Autor und Zeichner der Abenteuerreihe „Damien und Alexander“, deren schwule Hauptfiguren im ersten Band „Der grüne Jaguar“ in Italien auf Schatzsuche auf dem Meeresgrund gehen. Für das Hamburger Magazin StadtlicHH hat der in Berlin lebende diplomierte Kommunikationsdesigner zusammen mit Martin Petersen die Serie „Piratten“ geschaffen. Außerdem hat er diverse Kinder-und Jugendbücher illustriert, zuletzt erschien der von ihm bebilderte Reise- und Kulturführer: „Wir entdecken die Türkei“. Mehr über seine Arbeiten findet man auf der Website www.thilo-krapp.com.
Alle bisher erschienenen Folgen unserer Fragebogen-Serie finden Sie unter diesem Link.
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