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Ein Wohlfühlort ist die Schulbibliothek der Lenau-Grundschule in Kreuzberg im Laufe der Jahre geworden – und ein Ort, an dem sich Ideen entfalten können.
© 2019LeseWelt/Lenau-Grundschule

Schulbibliotheken in Grundschulen: Inseln der Leselust

Wie Kindern der Zugang zu Wörtern und Sprache eröffnet wird.

In Ruhe in einem Bilderbuch blättern, gespannt einer Geschichte folgen, die ein Erwachsener vorliest, oder mit anderen gemeinsam überlegen, was einer Figur aus einem Buch wohl als nächstes bevorsteht. Es sind Momente wie diese, die bei Kindern im Grundschulalter die Fantasie anregen und Neugierde wecken. Auf eine Welt, die sie mit Bildern und Worten erobern können, und auf Abenteuer, die sich allein in ihren Köpfen abspielen. Anschauen, zuhören, mitdenken – wer früh die Magie einer packenden Erzählung erlebt, will irgendwann selbst lesen und sich von Wörtern und Sätzen fesseln lassen.

Im Alltag vieler Mädchen und Jungen, in deren Familien Bücher kaum oder gar nicht vorkommen, gibt es allerdings fast keine Gelegenheit, sich lauschend oder lesend in eine Geschichte zu vertiefen. „Umso wichtiger ist es, Schulbibliotheken in Grundschulen zu lebendigen Orten der Lesekultur zu gestalten“, sagt Helena Stadler, die im Team der Bürgerstiftung unter anderem für Bibliotheken zuständig ist. Ein paar Regale mit Büchern in einem abgelegenen Raum der Schule, der nur unregelmäßig geöffnet ist, das mache heute keinen Sinn mehr. Wenn Helena Stadler über eine kreative Schulbibliothek spricht, dann sind ihre Schlüsselworte „anregen“, „begeistern“ und „ermuntern“.

So wie es die Bürgerstiftung in Kooperation mit der Lenau-Grundschule in Kreuzberg seit knapp 15 Jahren mit Erfolg praktiziert. Die Schulbibliothek ist über die Jahre zu einem Wohlfühlort geworden, an dem die Kinder etwas erleben und an dem sie Spaß haben. Ein gut eingespieltes Team aus Honorarkräften und Ehrenamtlichen sorgt dafür, dass es in der Bibliothek ein vielfältiges Angebot rund um Bücher gibt. „Die Mitarbeiter sind im positiven Sinne ‚Animateure’, die den Kindern den Zugang zu Wörtern und Sprache, zu Leselust und Lesevergnügen eröffnen“, sagt Stadler. Die Bibliothek sei nicht mehr nur ein Raum, in dem Dinge untergebracht werden, sondern ein Raum, in dem sich alle erdenklichen Ideen frei entfalten können.

Schulbibliotheken sind Schnittstellen zur Freizeit

All das ist nur möglich geworden, weil die Bibliothek im Kollegium und in der Schulleitung immer stärker als wertvolle Bildungsinsel wahrgenommen wurde und Bonusmittel in ihre Finanzierung investiert werden konnten. Im Laufe der Zeit ist sie zu einem festen Bestandteil im Unterrichtsablauf geworden. So besuchen zum Beispiel regelmäßig ganze Klassen das „Bilderbuchkino“, in dem Bilder einer Geschichte per Beamer an die Wand geworfen werden und die Kinder gemeinsam mit einem Vorleser überlegen, wie die Handlung weitergeht. Auch andere, über Jahre erprobte Angebote – wie die Lesepaten oder die Hausaufgabenhilfe – finden in der Bibliothek statt. Sie ist der Ort, in dem die Jungen und Mädchen entspannt und ohne Druck individuelle Erfolge erleben können. Der eine lernt einen neuen Begriff kennen, die andere entschlüsselt ein schwieriges Wort, alle zusammen lassen sich von einem Abenteuer gefangen nehmen – so wird die Schulbibliothek in der Assoziationswelt der Kinder zu einem positiv besetzen Raum.

„Die vielen guten Erfahrungen, die wir mit unseren Angeboten in der Lenau-Grundschule und seit ein paar Jahren auch in der Teltow-Grundschule in Schöneberg gemacht haben, würden wir gerne auch auf andere Schulen ausweiten“, sagt Stadler. Doch dafür fehlt es oft an den Grundvoraussetzungen. „Wir brauchen eine Bibliothek, die vor allem personell so ausgestattet ist, dass wir unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter dort anbinden können“, sagt Stadler. Der Senat oder die Bezirke müssten zusätzliche Stellen schaffen, die sich vorrangig um die Ausgestaltung und die Koordinierung eines kontinuierlichen Bibliotheksangebotes kümmern. An vielen Schulen bleiben solche Aufgaben engagierten Eltern oder Fördervereinen vorbehalten, deren Einsatz aber oftmals wieder verpufft, wenn die eigenen Kinder auf weiterführende Schulen wechseln.

In Sachen Spracherwerb und -förderung haben sich die von der Bürgerstiftung aufgebauten und unterstützten Schulbibliotheken zu wertvollen Schnittstellen zwischen Unterricht und Freizeit entwickelt. „Wer einmal erlebt hat, wie kreativ die Kinder im Bilderbuchkino mitgehen, kann den Wert von regelmäßig betreuten Bibliotheken erst richtig ermessen“, meint Helena Stadler.

Klaus Grimberg

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