Arztbrief: Zehenfehlstellung - Hallux valgus
Unser Experte Markus Steinmetz ist Chefarzt der Orthopädie am Vivantes Klinikum im Friedrichshain. Die Klinik ist das von den niedergelassenen Orthopäden Berlins für die Operation eines Hallux valgus am häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).
ERLÄRUNG Der menschliche Fuß ist nicht für ein Leben in hochhackigen Schuhen gemacht. Wird er auf Dauer in enge, spitze und stark nach vorn geneigte Schuhe gepresst, kann er Schaden nehmen. Dann geraten die Zehen, und darunter besonders häufig der große Zeh, in Schräglage. Die häufigste Zehenfehlstellung beim Menschen ist der sogenannte Hallux valgus - „die auswärtsgerichtete große Zehe“. Bei dieser Fehlstellung ist das Grundgelenk der Großzehe nach außen aus der Spur geraten. Dadurch verändert sich auch die Zugrichtung der Sehnen. Die lange Strecksehne des dem großen Zeh benachbarten langen Zehs und die Abspreizersehne ziehen den ersten Mittelfußknochen in Richtung des Großen Zehs. Der große Zeh kann so weit in Richtung der Kleinzehen gezogen werden, dass er den langen Zeh bedrängt und sich entweder über oder unter ihn schiebt.
SYMPTOME Durch das nach außen gerichtete Grundgelenk entsteht der für den Hallux valgus charakteristische Ballen an der Fußinnenseite, kurz unterhalb des Zehenansatzes. Dieser Ballen ist also kein Knochensporn, sondern der Gelenkkopf des Mittelfußknochens. Durch die exponierte Lage reibt dieser häufig am Schuh und verursacht Druckstellen, reizt die Haut oder führt zu Schwellungen und Entzündungen. Und es kann noch schlimmer kommen: Der Knorpel des Großzehengrundgelenkes kann durch die Fehlstellung nämlich stark beschädigt werden - dann droht eine Arthrose, also die unumkehrbare Beschädigung der schützenden Knorpelschicht. Auch Gelenke der Kleinzehen und die Mittelfußknochen können durch den verschobenen großen Zeh stark belastet werden. Die Folge sind meist schmerzhafte Druckschwielen unter den Grundgelenken der Zehen.
URSACHEN Der Hallux valgus ist meist genetisch bedingt, häufig tritt er in Verbindung mit einem Spreizfuß auf. Verstärkt wird die Fehlstellung jedoch durch hochhackige, spitze und enge Schuhe. „Neun von zehn Betroffenen sind Frauen“, sagt Markus Steinmetz, Chefarzt der Orthopädie am Vivantes Klinikum im Friedrichshain. Doch der Hallux valgus ist nicht allein dem Tragen hoher Absätze geschuldet. Studien zeigen, dass zwei Drittel der Krankheitsfälle vererbt werden und ein Drittel dem Tragen schlechten Schuhwerks geschuldet ist. Eine wichtige Rolle spiele häufig auch eine Bindegewebsschwäche - von der ebenfalls häufiger Frauen betroffen sind als Männer. Auch schlecht oder nicht versorgte Knochenbrüche der Zehen, die dann in einer Fehlstellung verheilen, können einen Hallux valgus verursachen.
DIAGNOSE Da der Hallux valgus mit seinen charakteristischen Merkmalen bereits äußerlich gut erkennbar ist, genügt es Medizinern meist, sich den betroffenen Fuß anzuschauen, um eine Diagnose zu stellen. Vorbereitend für eine Operation lassen Chirurgen den Fuß im Stehen röntgen: Die Bilder zeigen ihnen die Fehlstellung sehr genau und lassen auch eine Arthrose im Großzehengrundgelenk oder Knochensporne erkennen.
THERAPIE „Die Therapie eines Hallux valgus richtet sich danach, wie schwer die Fehlstellung ausgeprägt ist“, sagt Chefarzt Steinmetz. Leichte Deformitäten können zunächst konservativ, das heißt ohne eine Operation behandelt werden. Ziel der Therapie ist es dann, den Fuß zu entlasten, insbesondere den Großzehenballen. Hochhackige, spitze und enge Schuhe sind dann tabu. Stattdessen sollte häufiger barfuß gelaufen werden und weites, bequemes Schuhwerk mit weichem Obermaterial getragen werden. Auch Schaumpolster und Einlagen sind geeignet, den Druck vom Fuß zu nehmen. Gegen Schwellungen und Entzündungen helfen feuchte Umschläge und Salbenverbände.
Doch oft bedürfen selbst leichtere Fehlstellungen der chirurgischen Korrektur. „Der Hallux valgus ist wie ein Teufelskreis“, sagt Steinmetz. „Die Fehlstellung verändert die Zugrichtung der Sehnen und zieht so den Zeh immer stärker in die falsche Position.“ Um das zu korrigieren, stehen rund 150 verschiedene Verfahren zur Verfügung. Meist wird dabei der erste Mittelfußknochen durchtrennt.
Nachdem der Chirurg den Knochen durchsägt und Knochenmaterial entfernt hat, schiebt er den vom Zeh kommenden Mittelfußknochen in Richtung des zweiten Mittelfußknochens, also dorthin, wo er ursprünglich hingehört. Anschließend werden die zusammengeführten Knochenteile fixiert. Auch dabei kann sich der Operateur diverser Techniken bedienen. Er kann die Knochenteile ineinander verstauchen, mit Titanschrauben befestigen, mit Draht umwickeln oder eine besonders stabile Titanplatte befestigen und so den Zeh in Form bringen.
Nach dem Eingriff muss der Patient den Fuß noch vier bis sechs Wochen schonen, damit die Knochen verheilen können. Ein Spezialschuh erlaubt ihm jedoch, den Fuß bereits zu belasten.
In einigen Fällen muss das Gelenk versteift werden: Ein arthrosegeschädigtes Gelenk oder ein übermäßig bewegliches Gelenk zwischen dem ersten Mittelfußknochen und der Fußwurzel, das die Fehlstellung begünstigt, können dafür die Gründe sein. Um das Gelenk zu versteifen, fixieren Chirurgen die beiden Knochen mit Titanschrauben.
Neben allgemeinen Risiken wie Thrombosen, Embolien, Blutungen, Wundheilstörungen oder Infektionen können die verwendeten Schrauben, Drähte oder Platten bei Bewegungen stören. Selten lockern sich die Fixierungen aus. Auch der Nerv des Großzehs kann verletzt werden. Zu dem kann der Hallux valgus erneut auftreten, Mediziner sprechen dann von einem Rezidiv.
„Die beste Operation ist vergebens ohne eine richtige Nachbehandlung“, sagt Steinmetz. Acht bis zwölf Wochen könne die Rehabilitation in Anspruch nehmen. So wird mit einer ambulanten Krankengymnastik verhindert, dass sich das operierte Gelenk des großen Zehs ungewollt versteift.
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