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Gefahr im Krankenhaus. Im Volksmund werden „MRSA“ auch Krankenhausbakterien genannt. Im Klinikalltag mangelt es vielfach an elementaren Hygienemaßnahmen wie Händedesinfektion.
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Hygienemanagement: Wenn uns Keime krankmachen

Krankenhausinfektionen stellen Kliniken vor große Aufgaben – multiresistente Erreger verschärfen das Problem.

Hygiene und Sauberkeit spielen bei der Infektionsprävention eine große Rolle, sie sind aber nur ein Teil des Problems. Die meisten Krankenhausinfektionen werden durch die körpereigene Bakterienflora des Patienten hervorgerufen. Jeder von uns hat rund zwei Kilogramm Bakterien in seinem Darm und zusätzlich große Mengen von Bakterien auf der Haut und Schleimhaut. Diese Bakterien, das sogenannte „Mikrobiom“, haben eine wichtige Funktion: Sie sind notwendig für die Verdauung, den Stoffwechsel und die Immunabwehr des Körpers.

Problematisch kann es aber werden, wenn diese Bakterien während der Behandlung im Krankenhaus in Körperbereiche gelangen, die normalerweise keimfrei sind und ihr Eindringen Infektionen hervorrufen kann. Das ist zum Beispiel möglich, wenn die Erreger entlang von Gefäßkathetern in die Blutbahn eindringen oder über Harnwegkatheter in die Harnblase. Deshalb sind auch Patienten im Krankenhaus besonders gefährdet, denn solche invasiven Prozeduren wie Legen von Gefäßkathetern, Harnwegkathetern oder Beatmungstherapie finden in erster Linie im Krankenhaus statt.

Auch Therapien, die als Nebeneffekt das Immunsystem des Körpers schwächen, wie etwa bei Krebspatienten, werden vor allem im Krankenhaus durchgeführt und fördern ebenfalls das Eindringen von Bakterien in die normalerweise keimfreien Körperbereiche. Deshalb wird es auch nie möglich sein, alle Krankenhausinfektionen vollständig zu vermeiden.

Patienten bringen multiresistente Erreger bei Aufnahme mit

Fast immer zu verhindern sind aber solche Infektionen, bei denen ein Erreger von einem Patienten auf den anderen übertragen wird. Deshalb hat die Händedesinfektion insbesondere vor allen Patientenkontakten, vor allen invasiven Maßnahmen am Patienten wie Spritzen geben, Infusionen anlegen sowie nach dem Patientenkontakt einen sehr hohen Stellenwert im Krankenhaus. Das gilt ebenso für gründliche Reinigungs-, Desinfektions- und Sterilisationsmaßnahmen, um eine Übertragung von Erregern aus der Patientenumgebung oder über Instrumente sicher auszuschalten.

Die Häufigkeit von Krankenhausinfektionen insgesamt hat sich in Deutschland in den letzten 20 Jahren kaum verändert, immer mehr häufiger beobachten wir aber das Auftreten von Infektionen mit multiresistenten Erregern. Das sind Bakterien, bei denen einige für die Therapie wichtige Antibiotika nicht mehr wirksam sind, so dass dann auf andere Antibiotika, sogenannte Reserveantibiotika, ausgewichen werden muss. Vor etwa zehn Jahren wurden solche Bakterien noch überwiegend bei Krankenhauspatienten gefunden, inzwischen bringen sehr viele Patienten bereits bei Aufnahme in die Klinik multiresistente Erreger mit.

Für die Charité wissen wir beispielsweise, dass etwa jeder zehnte Patient bei Krankenhausaufnahme bereits mit solchen Erregern besiedelt ist. Dabei handelt es sich weniger um die in der Bevölkerung relativ bekannten MRSA (Methicillin resistente Staphylococcus aureus), die vor allem in der Nase und auf der Haut zu finden sind, sondern um multiresistente Erreger, die sich im Darm der Patienten aufhalten. Teilweise beobachten wir bereits Erreger, bei denen alle üblicherweise eingesetzten Antibiotika nicht mehr wirksam sind, und die Ärzte in eine Situation zurückversetzt werden wie vor dem Zweiten Weltkrieg, als es noch keine Antibiotika gab.

Die Kliniken allein können das Problem nicht lösen

Damit ergeben sich für die Kliniken erhebliche zusätzliche Probleme. Um die Verbreitung solcher Erreger im Krankenhaus zu verhindern, müssen sie ein extremes Augenmerk auf die Händehygiene, die Reinigung und Desinfektion legen. Je nach Art des Erregers und Umständen des Patienten sind zusätzliche Screening- und Isolationsmaßnahmen erforderlich und soweit möglich auch Dekolonisationsmaßnahmen.

Aber die Kliniken allein können das Problem nicht lösen, gesamtgesellschaftlich muss der Einsatz von Antibiotika reduziert und optimiert werden, um die Ausbreitung von multiresistenten Bakterien zu vermeiden. Das betrifft sowohl die Landwirtschaft als auch die Humanmedizin. Hinzu kommt, dass in den meisten Ländern der Erde multiresistente Erreger weit mehr verbreitet sind als in Deutschland. Damit besteht auch ein hohes Risiko, dass man während Auslandreisen unbemerkt solche Erreger aufnimmt und diese sich im eigenen Darm für Wochen, Monate oder Jahre ansiedeln.

Notwendig sind vor allem auch erhebliche zusätzliche Forschungsanstrengungen, um neue Antibiotika wie auch andere neue Therapien für den Einsatz bei Patienten mit multiresistenten Erregern zu entwickeln. Auch sehr schnelle, neue diagnostische Tests werden gebraucht, die es zum Beispiel dem Allgemeinmediziner in der Praxis oder dem Arzt in der Nothilfeaufnahme erlauben, in wenigen Minuten sicher zwischen Patienten mit und ohne bakterieller Infektion zu unterscheiden.

Nur so kann der Arzt die Anwendung von Antibiotika auf die Patienten beschränken, bei denen sie wirklich notwendig und sinnvoll sind. Bereits jetzt müssen wir mit den Antibiotika nach dem Motto „weniger ist mehr“ umgehen. Auch der Patient hat in diesem Zusammenhang eine große Verantwortung, indem er nicht einfach Antibiotika verlangt, wenn es nicht notwendig ist.

Die Autorin ist Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Petra Gastmeier

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