Dr. Dollas Diagnose (47): Sport bei Minusgraden: Ist das gesund?
Bei eisigen Temperaturen scheuen viele Menschen den Sport im Freien. Doch was ist mit denen, die trotz Kälte raus wollen? Dr. Thorsten Dolla erklärt in seiner neuen Kolumne, worauf "Winter"-Sportler achten sollten.
Strenger Frost hat Deutschland im Griff. Trotzdem geht der Sportbetrieb weiter. In der Bundesliga wurde am Wochenende trotz eisiger Kälte der 20. Spieltag ausgetragen - keine einzige Partie musste abgesagt werden. Temperaturen von minus 15 Grad wurden dafür für die Spieler, aber auch für die Fans, zur echten Herausforderung. Was ist bei einer solchen Kälte zu beachten? Wie können sich Profis, Hobbysportler und Zuschauer schützen? Sport kann auch bei sehr kalten Temperaturen gesund sein. Jedoch sollten gewisse Regeln eingehalten werden. Fakt ist, dass bei Temperaturen von etwa minus 15 Grad bezüglich der Verletzungsgefahr ein leicht erhöhtes Risiko besteht. Die Fußballprofis kennen solche Frostspieltage, sie kehren alle Jahre wieder. Die medizinische Abteilung der Vereine ist darauf gut eingestellt. Die Spieler tragen Handschuhe, Langarmtrikots, Thermounterwäsche, und in den Kabine steht gerade für die Halbzeitpause ausreichend Obst für die Vitaminzufuhr bereit.
Da bei Minusgraden die Muskulatur und Durchblutung langsamer auf Touren kommen, müssen sich die Spieler noch gewissenhafter warm machen. Aber auch die große Zahl der Hobbysportler muss jetzt nicht auf Sport verzichten. Klar ist aber auch hier, dass alles, was man tut, in Maßen geschieht. Empfehlenswert sind Ausdauersportarten wie Walking oder Jogging. Selbst Radfahrer sind anzutreffen, weil es derzeit nicht besonders glatt ist. Da aber für sie die Abkühlung durch den Fahrtwind noch größer ist als beim Laufen, sollten sie einen Windstopper im Brustbereich tragen. Auch große, schlanke Läufer sollten ihren Brustbereich extra schützen.
Bei allen Aktivitäten an der Luft ist auf eine gleichmäßige Belastung zu achten. Intervalltraining oder Steigerungsläufe sind nicht ratsam. Damit verhindert man auch längere Verschnaufpausen, bei denen der Körper abkühlen könnte. Bei Bewegung sollte die kalte und oft sehr trockene Luft durch die Nase eingeatmet werden. In den oberen Atemwegen wird die Luft so leicht erwärmt, angefeuchtet und gefiltert. Das Atmen durch den Mund trocknet die Schleimhäute schneller aus. Bakterien gelangen ungefiltert in die Lunge. Die Atemwege werden durch die kalte und trockene Luft gereizt. Das führt schneller zu Reizhusten, der nichts mit einer Erkältung zu tun hat, und zu Bronchitis.
Funktionskleidung statt Baumwoll-T-Shirts
Auf langes Dehnen in der Kälte vor oder nach dem Laufen sollte verzichtet werden. Wenn es geht, sollte man im Warmen dehnen. Grundsätzlich gilt: Nach dem Training so schnell wie möglich unter die warme Dusche, zumindest aber sofort trockene Kleidung anziehen, also nicht erst zwanzig Minuten in den feuchten Sachen im Auto nach Hause fahren. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Körper besonders in der ersten Stunde nach der Belastung besonders anfällig für Erkältungen ist. Auch deshalb ist für Leistungssportler wie Hobbysportler darauf zu achten, dass sie keine Baumwoll-T-Shirts tragen, sondern Funktionskleidung, die den Schweiß nach außen ableitet.
Man kleidet sich nach dem Zwiebelprinzip, dabei nicht die Mütze vergessen, da rund 40 Prozent der Wärme über den Kopf verloren gehen. Weiterhin sorgen Thermosohlen in den Schuhen für ein angenehmes Gefühl. Ein Multifunktionstuch oder eine so genannte „Überfallmaske“ kann Gesicht und Hals schützen.
Vor allem der maßvolle Ausdauersport in der Kälte stärkt das Immunsystem und hilft, Häufigkeit und Dauer von Infekten zu reduzieren. Dagegen hat der Fußballprofi mit seiner Trainings- und Wettkampfbelastung ein höheres Infektionsrisiko als der Hobbysportler. Gerade hier gilt: Obwohl man bei kalten Temperaturen ein geringes Durstgefühl hat, ist die ausreichende Aufnahme von Flüssigkeit sehr wichtig. Denn auch im Winter schwitzt man. Dabei kann ein Sportlergetränk geeignet sein oder einfach Apfelsaft mit Mineralwasser ohne Kohlensäure aber mit etwas Salz. Auf keinen Fall in der Kälte Alkohol trinken, was die Fans zu beachten hätten. Die Folge wäre eine Gefäßerweiterung, wodurch mehr Blut in Bereiche der Hautoberfläche gelangt.
Bei Anzeichen einer beginnenden Erkältung oder eines Infekts sollte unbedingt eine Trainingspause eingelegt werden. Und wer sich gerade überhaupt nicht in der Kälte bewegen möchte, kann natürlich in ein Fitnessstudio ausweichen. Bewegung ist gesund – auch im Winter.
Der Berliner Orthopäde Dr. Thorsten Dolla, 48, ist seit vielen Jahren in der Sportmedizin tätig. Er war Mannschaftsarzt bei Hertha BSC, beim 1. FC Union und dem Footballteam Berlin Thunder. Beim ISTAF war er bis 2009 leitender Arzt und ist heute Ringarzt beim Boxen. Für Tagesspiegel.de schreibt er regelmäßig über Sportverletzungen und ihre Folgen.
Aufgezeichnet von Michael Rosentritt