Arztbrief: Prostatavergrößerung
Unsere Expertin Karin Lehrich ist Oberärztin der Urologie am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin-Schöneberg. Die Klinik ist das von niedergelassenen Ärzten Berlins für die Operation einer gutartigen Prostatavergrößerung am häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).
ERKLÄRUNG Die Prostata - auch Vorsteherdrüse genannt - hat normalerweise die Form einer Kastanie und wiegt 25 bis 30 Gramm. Sie grenzt direkt an die Vorderwand des Enddarmes. Die Prostata produziert einen Teil der Samenflüssigkeit und die Muskelzellen der Drüse sorgen beim Orgasmus dafür, dass das Ejakulat mit ausreichend Druck die Harnröhre verlässt. Zum Problem kann die Prostata aber werden, wenn sie plötzlich zu wachsen beginnt. Denn durch die Prostata hindurch führt die Harnröhre. Und wenn sich die Prostata vergrößert, drückt sie die Harnröhre zusammen. Unter einer solchen gutartigen Wucherung verstehen Mediziner das altersbedingte Wachsen der Vorsteherdrüse ab dem 40. Lebensjahr. Sie kann dann 60 Gramm und mehr an Gewicht zulegen. 30 bis 40 Prozent aller Männer werden im Laufe ihres Lebens deshalb an der Prostata operiert.
SYMPTOME Das wuchernde Drüsengewebe engt die Harnröhre ein und drückt auf den Blasenboden. Die Folgen - oder wie es im Fachjargon heißt: die obstruktiven Symptome - sind Schwierigkeiten beim Urinieren. Dazu zählen etwa Unterbrechungen im Harnstrahl - das sogenannte Harnstottern - und eine unvollständige Entleerung der Harnblase.
Umliegende Organe wie die Harnblase können gereizt werden. Hieraus folgen die sogenannten irritativen Symptome wie häufiger nächtlicher und schmerzhafter Harndrang, Blasenkrämpfe oder eine leichte Inkontinenz.
URSACHEN „Bislang ist noch nicht geklärt, warum die Prostata bei einigen Männern im Alter völlig unnötig zu wachsen beginnt“, sagt Karin Lehrich, Oberärztin der Urologie und ärztliche Leiterin des Laserzentrums am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum. Vermutet werde jedoch ein Ungleichgewicht des männlichen Geschlechtshormons Testosteron und seines weiblichen Gegenspielers Östrogen.
DIAGNOSE „Ab dem 45. Lebensjahr sollten Männer ein Mal pro Jahr zur urologischen Vorsorgeuntersuchung“, rät Lehrich. So könne eine Prostatavergrößerung früh erkannt und therapiert werden. Bei der Untersuchung fragen Ärzte nach Dauer und Verlauf der Beschwerden beim Wasserlassen und untersuchen den Patienten auch rektal. Der Arzt tastet dabei die Vorsteherdrüse mit seinem Finger im Enddarm ab. So kann er beurteilen, ob die Prostata vergrößert, schmerzhaft oder verhärtet ist. Um Begleiterscheinungen einzuschätzen, werden meist auch Urin und Blut auf Krankheitserreger und chemische Veränderungen untersucht. Mit Ultraschall werden auch die Harnblase und Nieren beobachtet, um andere Gründe für die Beschwerden auszuschließen.
THERAPIE Bei einer gutartigen Vergrößerung der Vorsteherdrüse muss der Arzt nicht gleich zum Skalpell beziehungsweise zum Elektrohobel greifen. „Studien zeigen, dass Extrakte aus Kürbiskernöl oder der Sägeblätterpalme das subjektive Wohlbefinden bei frühen Symptomen einer Prostatavergrößerung verbessern können“, sagt Lehrich.
Helfen solche natürlichen Präparate nicht mehr, lassen sich die Beschwerden einer Prostatavergrößerung in den frühen Stadien auch noch mit Medikamenten gut behandeln. So lassen sogenannte Alphablocker das Muskelgewebe des inneren Schließmuskels erschlaffen und erleichtern so den Harndurchfluss. Mithilfe von anderen Medikamenten, die in den Testosteronstoffwechsel eingreifen, kann das Wachstum der Drüsen gebremst werden. Mit solchen medikamentösen Therapien könne ein operativer Eingriff oft Jahre hinausgezögert werden. Doch nicht immer sei das sinnvoll, sagt Lehrich. Denn oft verschlechtern sich mit zunehmendem Alter nicht nur die Symptome einer Prostatavergrößerung, sondern auch der körperliche Zustand des Patienten. „Je älter ein Patient ist, desto größer sind die Risiken einer Operation.“
Das überflüssige Gewebe an der Prostata, das auf die Harnröhre drückt, wird meist entweder mit einer unter Strom stehenden Drahtschlaufe abgehobelt oder mit einem hochenergetischen Lichtstrahl verdampft oder herausgeschnitten. Und das nicht bei einer offenen Operation, sondern über die Harnröhre. Das älteste - und somit bewährteste - Verfahren ist der Elektrohobel. „Er wurde 1936 zum ersten Mal eingesetzt“, sagt Oberärztin Lehrich. Die Schlaufe des Hobels sitzt an der Spitze eines Stabes, den ein Chirurg durch ein Metallrohr, das zuvor in die Harnröhre geschoben wurde, bis an die Prostata führt. Mit ihm hobelt er Schicht für Schicht des überflüssigen Gewebes ab, die mit einer Flüssigkeit sofort auf natürlichem Wege herausgespült werden. Der Strom in der Schleife erhitzt diese, sodass der Hobel besser durch das Gewebe gleitet, und er verschließt zugleich die verletzten kleinen Gefäße. Eine ebenfalls an der Spitze sitzende Kamera sendet hoch aufgelöste, mehrfach vergrößerte Bilder auf einen Monitor. Das ermöglicht Chirurgen, millimetergenau zu operieren. Meist wird der Eingriff in Vollnarkose oder einer Teilbetäubung durchgeführt.
Für 80 Prozent der Patienten ist so eine Operation ein Erfolg. Sie müssen danach seltener auf die Toilette, die Blase kann sich vollständig entleeren. Doch einige Männer leiden nach dem Eingriff zunächst an einer Harndrang-inkontinenz, also an einem nicht kontrollierbaren Harndrang und einem unwillkürlichen Wasserlassen. Doch das ist meist kein dauerhaftes Problem. Bei ihnen muss der geschwächte Schließmuskel nach der Operation nur einige Wochen trainieren, um dem Druck der Harnblase wieder standhalten zu können. Die Ejakulationsfähigkeit des Mannes - und damit auch seine Fruchtbarkeit - ist dann jedoch dauerhaft betroffen. Oberärztin Lehrich erklärt, wieso: „Der Samenerguss ist ein Zusammenspiel von zwei Muskeln.“ Während sich der äußere Schließmuskel unterhalb der Prostata während des Orgasmus öffnet und dem Sperma freien Lauf lässt, schottet der innere Muskel die Harnblase ab, damit kein Urin dazwischengerät. Nach der Operation kann dieser Muskel jedoch nicht mehr schließen. „Der Samen wird größtenteils in die Harnblase gepresst und beim nächsten Urinieren ausgeschieden“, sagt die Oberärztin.
Neben dem Elektrohobel nutzen deutsche Urologen aber immer öfter Laserstrahlen, um das wuchernde Drüsengewebe berührungsfrei zu entfernen. Doch Laser ist nicht gleich Laser, sagt Expertin Lehrich. Seit dem Jahr 2002 verwenden deutsche Urologen einen grünen, hochenergetischen Laserstrahl, um krankhaft gewuchertes Prostatagewebe zu verdampfen: den Greenlight-Laser. Der größte Vorteil des gebündelten Lichtstrahls ist dessen Hitze, die verletzte Blutgefäße sofort verschließt und auch größere Blutungen stoppt. „Für Patienten mit Blutgerinnungsstörungen eignet sich ein Laser besser als der Hobel“, sagt Lehrich. Und zu diesen würden Männer mit einer Prostatavergrößerung aufgrund ihres Alters deutlich über 50 Jahren häufig zählen: 35 bis 40 Prozent der Patienten müssten Medikamente einnehmen, die die Blutgerinnung verringern. Diese abzusetzen, was bei einer Behandlung mit dem Elektrohobel notwendig ist, würde das Thromboserisiko erhöhen.
Allerdings habe der Greenlight-Laser auch entscheidende Nachteile: Er eigne sich nicht für große Tumore und da das Gewebe verdampft werde, könne man es anschließend auch nicht im Labor auf krankhafte Veränderungen, also etwa Krebszellen, untersuchen. „Der Greenlight-Laser eignet sich daher eher für ältere Patienten und Patienten, die Blutverdünner einnehmen.“
Oberärztin Karin Lehrich favorisiert ein anderes Lasergerät - mit dem sogenannten Holium-Laser therapierte ihr Team allein im Jahr 2014 rund 880 Prostatavergrößerungen. Das Gerät wurde 1998 zugelassenen. Der Vorteil des Holium-Lasers sei, dass das Prostatagewebe nicht wie bei Hobel und Greenlight-Laser Stück für Stück entfernt werde, sondern im Ganzen herausgeschnitten. „Wie eine Orange, die man von innen aushöhlt“, sagt Lehrich. Das sei schonender und Urologen könnten so auch große Wucherungen entfernen. Eine vergleichbare Alternative mit ebenfalls guter Blutstillung sei der Tulium-Laser.
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