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Arztbrief: Parkinson

Unser Expertin Andrea Kühn ist Leiterin der Sektion Bewegungsstörungen und Neuromodulation der Charité und Oberärztin der Klinik für Neurologie der Charité am Campus Virchow-Klinikum.

ERKLÄRUNG Zitternde Hände, versteifte Glieder, stark verlangsamte Bewegungen - wegen dieser äußerlichen Anzeichen wurde Morbus Parkinson, wie die Krankheit fachsprachlich heißt, früher Schüttellähmung genannt. „Mit einer Lähmung hat Parkinson aber nichts zu tun“, sagt Andrea Kühn, Leiterin der Hochschulambulanz Bewegungsstörungen der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité am Campus Virchow-Klinikum. Denn an Muskelkraft mangele es den Betroffenen nicht. Wohl aber an der Fähigkeit, diese Muskeln zu aktivieren und damit Bewegungen zu initiieren. Der Grund dafür sind Signalstörungen im Gehirn, die auf einen Mangel des Botenstoffes Dopamin zurückgehen.

Parkinson ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems: Schätzungen zufolge leiden in Deutschland bis zu 400 000 Menschen darunter, jedes Jahr kommen rund 12 500 neue Betroffene dazu. Diese sind zumeist älter: Nur rund jeder zehnte Parkinson-Patient ist jünger als 40 Jahre, bei den meisten tritt die Krankheit zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr auf. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen.

Bisher ist Parkinson nicht heilbar. Das bedeutet: Die chronische Erkrankung des Gehirns schreitet mit der Zeit immer weiter voran, die Betroffenen werden immer unbeweglicher. Neben den motorischen Störungen treten zudem im Verlauf der Erkrankung häufig weitere Beschwerden auf, wie beispielsweise Depressionen und Demenz. „Mithilfe von Medikamenten und anderen Therapieformen lassen sich die Parkinson-Symptome jedoch bis zu einem gewissen Grad sehr gut behandeln“, sagt Kühn. So ist die Lebenserwartung der Patienten durch den Parkinson an sich auch kaum verringert. In einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit, in dem die Patienten beispielsweise bettlägerig sind, können jedoch Schluckstörungen und Lungenentzündungen zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.

Die Basalganglien (1) sind unter anderem für die Motorik zuständig. In diesem Bereich sterben bei Parkinson die Zellen ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Dies führt dazu, dass unter anderem die Bewegungen der Betroffenen gestört werden.
Die Basalganglien (1) sind unter anderem für die Motorik zuständig. In diesem Bereich sterben bei Parkinson die Zellen ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Dies führt dazu, dass unter anderem die Bewegungen der Betroffenen gestört werden.
© Fabian Bartel

SYMPTOME Die auffälligsten Anzeichen einer Parkinson-Erkrankung sind Störungen der Motorik. Dazu zählen der Tremor, also ein Zittern, das vor allem im Ruhezustand auftritt, sowie feinmotorische Störungen der Hände. Die Betroffenen haben dann beispielsweise Schwierigkeiten, Knöpfe zu schließen oder Schleifen zu binden. Auch ihr Schriftbild verändert sich häufig. Sehr charakteristisch ist auch, dass sich die Menschen immer langsamer bewegen und zunehmend Schwierigkeiten haben, Bewegungsabläufe zu koordinieren.

Allerdings entwickelt sich ein Parkinson meist schleichend. Anfangs zeigen sich nur leichte und eher diffuse Symptome wie meist einseitige Verspannungen im Schulterbereich, Riechstörungen, depressive Verstimmungen oder Verstopfungen. Auch ein veränderter Gang mit kleiner, langsamer und vorsichtiger werdenden Schritten gehört zu den typischen Anfangserscheinungen der Krankheit.

„Im fortgeschrittenen Stadium kommt es dann häufig zu zunehmender Verlangsamung und plötzlich auftretender Unbeweglichkeit, dem sogenannten Freezing“, sagt Neurologin Kühn. Viele Patienten haben Haltungsstörungen, ihre Körperhaltung würde insgesamt zunehmend instabil, sodass das Sturzrisiko ansteige. Mit der Zeit kann auch die Mimik verarmen.

Neben diesen motorischen Symptomen kann es bei Parkinson auch zu einem vermehrten Speichelfluss kommen, zu Problemen beim Sprechen sowie einer immer leiser werdenden Stimme. Depressionen und Demenz kommen schließlich ebenfalls oft hinzu.

URSACHEN Die Symptome von Parkinson gehen auf einen Defekt im Gehirn zurück: Dort, in den Basalganglien, einem Areal im Inneren unter der Hirnrinde des Großhirns, das unter anderem für die Motorik zuständig ist, sterben die Dopamin produzierenden Neuronen langsam ab. Mit verheerenden Folgen. Dopamin ist ein Botenstoff, der für die Kommunikation zwischen den Zellen benötigt wird. „Ein Dopaminmangel führt dazu, dass Signale nicht mehr fehlerfrei übertragen werden können“, sagt Kühn. In der Folge seien dann bestimmte Körperfunktionen gestört.

Warum genau die Dopamin produzierenden Neuronen zugrunde gehen, ist bisher nicht bekannt. Bei rund fünf bis zehn Prozent der Betroffenen spielen jedoch die Gene eine entscheidende Rolle: Bei ihnen lässt sich eine familiäre Häufung der Krankheit feststellen, die dann meist auch schon in jüngeren Jahren ausbricht. Ein ebenfalls sehr kleiner Teil der Betroffenen leidet unter sogenanntem Boxer-Parkinson, bei ihnen rühren die Veränderungen im Gehirn von Mikroblutungen her, wie sie beispielsweise durch Schläge auf den Kopf verursacht werden können. „Rund 85 Prozent der Patienten haben jedoch ein sporadisch auftretendes, sogenanntes idiopathisches Parkinson-Syndrom“, sagt Kühn. „Das bedeutet, dass es keine erkennbare Ursache hat.“

DIAGNOSE Für eine erste Diagnose von Parkinson sind in der Regel keine speziellen Verfahren notwendig. „In den meisten Fällen reicht es aus, die Krankengeschichte des Patienten zu erfragen und ihn körperlich zu untersuchen“, sagt Charité-Expertin Kühn. Dazu gehört in vielen Fällen auch die Einmal-Gabe von Parkinson-Medikamenten, die Aufschluss darüber geben, ob ein Patient an der Krankheit leidet. Diese enthalten den Dopamin-Ersatzstoff L-Dopa. „Zeigt ein Patient danach deutlich weniger Symptome, zittert er beispielsweise weniger, ist das ein sehr eindeutiger Hinweis auf Parkinson“, sagt Kühn. Um andere Ursachen für die Beschwerden wie beispielsweise einen Tumor oder kleinen Schlaganfall auszuschließen, können sich weitere Untersuchungen anschließen. Dazu zählen zum einen bildgebende Verfahren wie die Computertomografie (CT) und die Magnetresonanz-Tomografie (MRT). Mit einer speziellen Szintigrafie des Gehirns, dem sogenannten DaTSCAN, kann der Dopaminmangel im Gehirn nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um eine nuklearmedizinische Untersuchung, mit deren Hilfe Ärzte überprüfen können, wie gut bestimmte Nervenverbindungen im Gehirn - die sogenannten Dopamintransporter - funktionieren. „Bei Parkinson-Patienten ist diese Funktion eingeschränkt“, sagt Kühn.

THERAPIE Parkinson ist eine chronisch fortschreitende Krankheit und bisher nicht heilbar. „Die Symptome lassen sich allerdings sehr gut behandeln, sodass die Lebensqualität der Patienten über viele Jahre erhalten bleibt“, sagt Andrea Kühn. Dafür verordnen die Ärzte den Betroffenen in der Regel Medikamente, sogenannte Dopaminagonisten oder L-Dopa. Diese Wirkstoffe sollen den zunehmenden Verlust des Botenstoffs ausgleichen. „Vor allem mit dem Fortschreiten der Krankheit kann es immer schwieriger werden, das optimale Wirkstoff-Level zu halten“, sagt Kühn. Dies führt möglicherweise zu Problemen: Ist zu wenig Dopamin vorhanden, sinkt die Beweglichkeit der Patienten. Ist es zu hoch, kommt es dagegen zu unwillkürlichen Bewegungen. Weitere Nebenwirkungen der Medikamente können Übelkeit, Erbrechen und Schwindel sein, sowie psychische Effekte wie Halluzinationen oder Verwirrtheit. „Zudem können die Patienten auch Impulskontrollstörungen entwickeln, wie eine Kaufsucht oder Spielsucht“, sagt Kühn. Dies komme bei rund jedem Zehnten vor, insbesondere bei jüngeren Patienten.

Um die Medikamentendosis und damit auch die Nebenwirkungen zu senken, kann bei manchen Patienten ein weiteres Verfahren zum Einsatz kommen: die Tiefe Hirnstimulation. Dabei implantieren Ärzte je eine Elektrode in die beiden Hirnhälften, die - gesteuert von einem in die Brust implantierten Schrittmacher - bestimmte Bereiche in den Basalganglien elektrisch stimulieren. „Die Effekte davon zeigen sich meist unmittelbar“, sagt Kühn. „Das Zittern der Patienten lässt nach, ebenso die Muskelanspannung. Die Beweglichkeit verbessert sich.“ Damit die Operateure die Elektroden millimetergenau an der richtigen Stelle platzieren, wird während der OP die neuronale Aktivität des Gehirns gemessen. Dafür muss der Patient zumindest vorübergehend wach sein. „Eine lokale Betäubung besteht natürlich trotzdem - und das Gehirn selbst empfindet keinen Schmerz“, sagt Kühn. Der Patient spüre also nichts davon. Die Tiefe Hirnstimulation gibt es seit rund 25 Jahren, mittlerweile ist sie vor allem bei Parkinson und anderen Bewegungsstörungen als Therapie etabliert, wird aber auch weiterhin erforscht. Weltweit gibt es rund 120 000 Operierte. „Sie ist vor allem für jüngere Patienten geeignet, bei denen Medikamente nicht mehr ausreichend gut gegen die Bewegungsstörungen helfen“, sagt Kühn. Mögliche Nebenwirkungen der Stimulation sind Sprachstörungen, die auftreten können, wenn die elektrischen Signale zu stark sind. Darüber hinaus kann es durch den Eingriff in sehr seltenen Fällen zu Infektionen kommen oder zu Blutungen, die möglicherweise bleibende Schäden im Gehirn hinterlassen.

Des Weiteren können Psycho- und Physiotherapien sowie Sprach- und Schlucktherapien den Betroffenen helfen, ihren Alltag trotz Krankheit möglichst gut zu meistern.

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