DRK Klinikum Köpenick: Kreislauf des Lebens
Das DRK-Klinikum Köpenick wird 100 Jahre alt. Kriege und Politik haben seine Geschichte mitgeprägt. Aber auch viele Kinder sind hier geboren worden. Hebamme Babara Peter hat 5000 von ihnen zur Welt gebracht. Sie arbeitet hier seit über 40 Jahren.
Bäume, wohin man blickt, und irgendwo dahinter: der Müggelsee. Ja, man kann noch gut verstehen, warum das DRK-Klinikum Köpenick 1914 unter dem Namen „Waldkrankenhaus“ eröffnet wurde. Träger war der damalige Landkreis Teltow, Cöpenick schrieb sich mit „C“ und gehörte noch nicht zu Berlin. Der lang gestreckte, prachtvolle Bau war stilistisch an die Fassade des Köpenicker Schlosses angelehnt und galt für seine Zeit als modern. Anders als bei den damals im Krankenhausbau beliebten Pavillons waren nämlich alle Abteilungen unter einem Dach untergebracht. Heute sitzt hier, im Altbau, die Verwaltung. Das Interieur wurde umgebaut, die Räume verkleinert. Doch die Großzügigkeit, die hier einst herrschte, kann man immer noch ahnen.
Trotzdem suggerierte der Name „Waldkrankenhaus“ von Anfang an eine Ruhe, die trügerisch war. Denn tatsächlich stand das Klinikum, das sein 100-jähriges Bestehen im Januar mit einem Festakt gefeiert hat, meistens mittendrin in den politischen Konflikten seiner Zeit. Wenige Monate nach der Eröffnung begann der Erste Weltkrieg, das Haus wurde zum Lazarett umfunktioniert. 1933 lagen hier die (linken) Opfer der „Köpenicker Blutwoche“, Gegner der NSDAP, die die SA in einer ihrer ersten großen Aktionen nach der Machtübernahme verprügelt, gefoltert und verstümmelt hat. Goebbels wollte wissen, wer hier behandelt wurde. „Aber die Krankenhausleitung verweigerte die Herausgabe der Namen“, erzählt Hartmut Kern, ärztlicher Leiter des Klinikums. Ein schon damals nicht mehr selbstverständlicher Mut. Dann erneut Krieg, Bomben zertrümmerten den Nordflügel des Altbaus, die Rote Armee quartierte sich ein.
In den 80er Jahren hieß das Klinikum "Dr.-Salvador-Allende-Krankenhaus"
In der DDR wurde aus dem Haus eine Poliklinik, Ärzte verschiedener Fachrichtungen arbeiteten hier in Festanstellung – eine Konstruktion, die es heute wieder gibt, nur trägt sie den wesentlich weniger klangvollen Namen „MVZ“ (Medizinisches Versorgungszentrum). Anfang der 80er Jahre erhielt das Klinikum, ähnlich wie die Charité, ein Bettenhochhaus – und einen neuen Namen: Dr.-Salvador-Allende-Krankenhaus. Denn weite Teile des Waldes, in den das Haus einst eingebettet war, waren Schritt für Schritt einer neuen Großsiedlung gewichen, die nach dem Helden des lateinamerikanischen Sozialismus benannt ist. Mit der Wende und der vom Senat angestrebten Trägerpluralität übernahm die DRK-Schwesternschaft das Haus. Die Präsenz des Krieges war immer noch spürbar, ein großer Bunker verhinderte weiteres bauliches Wachstum. 2008 zerschnitt ihn eine Spezialfirma aus Österreich mit Diamantenschneidern. Erst danach konnte 2010 ein weiterer Neubau eröffnet werden, in dem die Funktionsdiagnostik untergebracht ist.
Köpenick ist – auch – ein Kiezklinikum, viele Patienten und Angestellte kommen aus der unmittelbaren Umgebung. Dass der südöstliche Bezirk relativ schlecht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar ist, mag dabei eine Rolle spielen. Medizinisch liegt ein Schwerpunkt seit jeher auf der Tumorchirurgie. Auch dies ist historisch gewachsen, vor allem der Chirurg Günter Kubo – er starb 2012 – hat die Krebsbehandlung zur Chefsache gemacht. Nach der Charité war das Klinikum Köpenick außerdem das zweite Krankenhaus der DDR, in dem ein Herzschrittmacher implantiert wurde. „Natürlich konnte der Versorgungsstandard nicht so hoch sein wie in Westdeutschland“, erzählt Kern, „trotzdem behalf man sich mit viel Einfallsreichtum.“ Medizinische Geräte wurden ausgekocht und mehrfach verwendet, der ökonomische Leiter Georg Bick sorgte dafür, dass für die Patienten immer frisches Obst zur Verfügung stand.
Seit Januar gibt es eine neue Geriatriestation
Wer heute das nötige Kleingeld mitbringt, kann sich in einer der holzvertäfelten Komfortstationen behandeln lassen, die bewusst Hotelatmosphäre verbreiten wollen. 72 Euro kostet hier ein Doppelzimmer am Tag. Und noch eine Neuerung: Im Januar hat eine neue Geriatriestation eröffnet, in der Patienten akut oder rehabilitativ behandelt werden, die von Pflegebedürftigkeit bedroht sind. Kein Zufall, dass die Station gerade hier entstand: „Laut Sozialstrukturatlas haben die Köpenicker die längste Lebenserwartung aller Berliner“, sagt Kern.
Kreislauf des Lebens: In dem sogenannten „Gartenhaus“, wo jetzt die Geriatriestation entstanden ist, war früher die Geburtsstation untergebracht. Die befindet sich heute im Bettenhaus, mit schönem Blick über die Wälder, mit zwei Kreißsälen, einer Kreißsaal-OP und fünf Geburtsapartments. Barbara Peter arbeitet hier seit fast 41 Jahren als Hebamme. Sie erinnert sich genau: „Am 1. September 1973 habe ich angefangen.“ Seither hat die 63-Jährige über 5000 Kinder zur Welt gebracht, darunter auch ihre beiden Enkelkinder. Die Entwicklung des Klinikums hat sie aus nächster Nähe mitbekommen und auch erlebt, wie sich der Geburtsvorgang gewandelt hat. „Anatomisch hat sich natürlich nichts verändert“, sagt sie. „Aber viele Mütter wissen heute durch Ultraschall und andere Techniken schon so viel über ihr Kind, dass sie beinahe überinformiert sind.“ Der „heilige Moment“ der Geburt würde ihnen dadurch im Grunde entgehen. Trotzdem liebt Barbara Peter ihre Arbeit über alles – vor allem, dass sie dabei nicht abstumpft. „Jede Geburt ist einzigartig, der Glücksmoment stellt sich immer wieder aufs Neue ein.“ Noch zwei Jahre, dann will sie in Ruhestand gehen.
Am 24. Mai veranstaltet das DRK-Klinikum Köpenick zum 100-jährigen Bestehen einen Tag der offenen Tür.
Udo Badelt
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