„Ich habe die kreativsten Jahre meines Lebens damit verbracht, Kühlschränke zu bauen.“ Die kreativsten Jahre des Wolfgang Ketterle – sie haben eben erst begonnen. Das jedenfalls war der Eindruck der mehr als 400 Zuhörer, die den Nobelpreisträger am Montagabend in der Berliner Humboldt-Universität erlebten.
Der 47-jährige Physiker wurde vor drei Jahren mit der höchsten Auszeichnung geehrt, die ein Forscher erhalten kann. Er hatte sein Labor in den wohl kältesten Ort des Weltalls verwandelt, ein neues Polargebiet der Forschung betreten. Seither erkundet er, wie sich diese extreme Kälte für die Wissenschaft nutzen lässt.
Es ist ein seltenes Vergnügen, Ketterle als Vortragsredner zu erleben. Der in Heidelberg geborene Wissenschaftler steckt nach wie vor meist in seinem Labor am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge in den USA. Er hat nach der Nobelpreis-Verleihung einen kühlen Kopf behalten und keine hohen Ämter angenommen. Einladungen zu Vorträgen hält er sich am liebsten vom Halse. Um so mehr hat er bei seinen seltenen Auftritten zu erzählen.
Ketterle baut „Kühlschränke“, Kältefallen, in denen Atome eng zusammenrücken müssen. Mit Laserstrahlen bringt er die eingesperrten Atome zunächst dazu, ihre Energie abzustrahlen. Partikel, die bei Raumtemperatur mit der Geschwindigkeit eines Düsenjets durch die Luft jagen, werden so immer langsamer.
Nachdem er die energiereichsten von ihnen noch mit Radiowellen weggeblasen hat wie heißen Dampf über einer Teetasse, legen die verbliebenen Atome nur noch einen Zentimeter pro Sekunde zurück. Ketterles Kühlmethoden sind ungemein trickreich. Im September vergangenen Jahres stellte er im Fachblatt „Science“ vor, wie er 2500 Atome auf die niedrigste Temperatur herunterkühlte, die jemals in einem Labor erreicht worden war: nicht mal ein milliardstel Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius.
Am Montagabend lächelte auf der silbergrauen Krawatte des Physikers ein goldgelber Albert Einstein. Denn bei so tiefen Temperaturen passiert etwas, was Einstein in den 20er Jahren vorhergesagt hatte: Die Atome, die zuvor ungeordnet durcheinander fliegen, bewegen sich plötzlich im Gleichschritt. Sie bilden einen neuen Zustand der Materie, ein „Bose-Einstein-Kondensat“. .
Die Entdeckung brachte Ketterle und zwei anderen Forschern 1995 den Nobelpreis. „Denn ein Bose-Einstein-Kondensat ist für Atome, was der Laser für Licht ist“, sagt er. Eine Materiewelle also, die ähnliche Eigenschaften aufweist wie eine gebündelte Laserlichtwelle einer festen Frequenz. Nur sich die kalten Atome längst nicht so gut einsetzen lassen wie das Licht eines Lasers, das an Supermarktkasse und in CD-Playern leuchtet.
Ketterle aber hat einen Weg gefunden, wie sich neuartige Spiegel konstruieren lassen, an denen die getakteten Atome reflektiert werden wie ein Lichtstrahl. Zusammen mit anderen Forschern entwirft er solche optischen Bauteile etwa für die künftige Handhabung von Atomlasern.
Er hat kalte Atome auch dazu gebracht, sich zu Molekülen zu verbinden, ohne dass dabei die sonst übliche Bindungswärme entsteht. Mit großer Neugier ist Ketterle seither den Grundlagen der Supraleitung auf der Spur, der verlustfreien Leitung des elektrischen Stroms bei tiefen Temperaturen. Aber auch damit hat er „eben erst begonnen“. Er wird in den kommenden Jahren noch manch neuen Kühlschrank bauen.
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