Arztbrief: Herzschrittmacher
Unser Experte Michael Wiedemann ist Leiter des Herz-Rhythmus-Zentrums am Helios Klinikum Berlin-Buch. Die Klinik ist das von niedergelassenen Ärzten Berlins für die Implantation eines Herzschrittmachers am häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).
ERKLÄRUNG Ein gesundes Herz zieht sich bei körperlicher Ruhe etwa 60 Mal pro Minute zusammen und pumpt kontinuierlich Blut durch den Kreislauf. Bei Herzrhythmusstörungen ist der normale Herzschlag aus dem Takt gekommen. „Herzrhythmusstörung ist erst einmal ein Überbegriff für verschiedene Beschwerden“, sagt Michael Wiedemann, Leiter des Herz-Rhythmus-Zentrums am Helios Klinikum Berlin-Buch. „Entweder schlägt das Herz dabei zu schnell, zu langsam oder verstolpert; den Rhythmus.“ Bei langsamen Herzrhythmusstörungen erzeugt der Sinusknoten, der Taktgeber des Herzens, nicht ausreichend elektrische Impulse. Häufig wird dem Patient dann ein Herzschrittmacher implantiert, der dies ausgleicht. Bei der schnellen Herzrhythmusstörung liegt das Problem entweder in der Vorkammer oder in der Hauptkammer des Herzens. „Die Rhythmusstörungen aus der Vorkammer können sehr unangenehm sein, sind aber nicht lebensbedrohlich“, sagt Wiedemann. Die aus der Hauptkammer könnten dagegen zum plötzlichen Herztod führen.
SYMPTOME Bei der langsamen Herzrhythmusstörung ist die Herzfrequenz zu niedrig, liegt beispielsweise nur noch bei 30 oder 40 Schlägen pro Minute. Zudem kann das Herz zwischendurch Pausen machen oder plötzliche Doppelschläge vollführen, bemerkbar als „Stolpern“. Durch die zu niedrige Herzfrequenz entsteht ein Schwindelgefühl und Luftnot, die Leistungsfähigkeit nimmt ab. Setzt der Herzschlag länger als dreieinhalb Sekunden aus, wird das Gehirn nicht mehr ausreichend durchblutet, der Patient wird bewusstlos. Das nennt man Synkope. Bei der schnellen Herzrhythmusstörung rast das Herz, oft anfallsartig.
URSACHEN Für die Herzschläge gibt es einen Dirigenten, der den Takt vorgibt: den Sinusknoten. Dieser sitzt im rechten Vorhof und wird vom zentralen Nervensystem sowie von Stresshormonen wie dem Adrenalin beeinflusst. Seine „Befehle“ werden über Leitungsbahnen - wie Kabel in einem Elektrogerät - in alle Bereiche des Herzens weitergeleitet. Dadurch läuft die Muskelkontraktion der Herzkammern in einer bestimmten Reihenfolge ab.
Wenn das Herz nicht mehr richtig schlägt, kann das daran liegen, dass der Taktgeber Pausen macht oder die Impulse nicht mehr richtig auf die Hauptkammer geleitet werden. Die Ursache für beides könne sein, dass Teile des Muskelgewebes des Herzens vernarbt sind, die eigentlich die elektrischen Impulse weiterleiten sollten, sagt Wiedemann. Die kleinen Narben, auch Fibrosen genannt, entstünden zum Beispiel durch permanenten hohen Blutdruck, infolge von Herzmuskelentzündungen oder durch einen Infarkt. Viele Rhythmusstörungen werden zudem auf eine Unterversorgung der Herzmuskelzellen mit Sauerstoff zurückgeführt. Diese kann zum Beispiel auftreten, weil Gefäßverengungen am Herzen die Blutversorgung drosseln.
Bei anderen Erkrankungen sind die Rythmusstörungen eher ein Symptom, etwa bei einer Herzschwäche, bei Herzklappenfehlern oder bei Herzmuskelentzündungen. Herzrhythmusstörungen werden außerdem durch hohes Alter, Schilddrüsenüberfunktion, Übergewicht, Diabetes und unwillkürliche Atemstillstände während des Schlafs begünstigt. Und auch die Erbanlagen sind manchmal beteiligt. „Bei der schnellen Herzrhythmusstörung sind es angeborene zusätzliche elektrische Leitungsbahnen, die dem vom Sinusknoten vorgegebenen Takt dazwischenfunken und so Herzrasen hervorrufen“, sagt Michael Wiedemann.
DIAGNOSE Herzrhythmusstörungen diagnostiziert der Arzt mithilfe unterschiedlicher Elektrokardiogramme (EKG): Ruhe-, Belastungs- und Langzeit-EKG. Mittlerweile gibt es implantierbare Rekorder, die ein Langzeit-EKG bis zu drei Jahre aufzeichnen. Dadurch können Herzrhythmusstörungen diagnostiziert werden, die zum Beispiel bei kurzer Bewusstlosigkeit nur schwer zu erfassen sind. „Im Nachhinein kann man dann sehr genau betrachten, was zum Zeitpunkt der Bewusstlosigkeit mit dem Herzen los war“, sagt Wiedemann. Der Rekorder ist etwa zwei bis drei Zentimeter lang und so breit wie eine Kugelschreibermine. Er wird unter örtlicher Betäubung neben dem Brustbein unter die Haut eingesetzt.
Zur Diagnose können Ärzte unter Umständen auch Blutuntersuchungen vornehmen sowie solche im Magnetresonanz- (MRT) und Computertomografen (CT) oder mit Ultraschall. Ebenfalls können sie einen Herzkatheter einsetzen - das ist ein dünner Kunststoffschlauch, der durch die Blutgefäße bis ans Herz geschoben wird (siehe Seite 69). Durch ihn können Ärzte Kontrastmittel in die Gefäße spritzen und damit Engstellen oder Zirkulationsprobleme auf einer Röntgenaufnahme sichtbar machen.
THERAPIE Die Therapie fällt je nach Art der Herzrhythmusstörung unterschiedlich aus. Zunächst wird versucht, den Herzschlag mit Medikamenten wie beispielsweise Betablockern zu normalisieren. Da deren Wirkung je nach Patient unterschiedlich ausfallen kann, muss das Rhythmusmedikament unter Umständen mehrfach gewechselt werden, bis Wirkstoff und Dosis stimmen, um die Störung auszugleichen. Herzspezialisten setzen sie deshalb eher zurückhaltend ein.
Sind es unkoordinierte Impulse von anderen elektrisch aktiven Arealen im Herzen, die dem Sinusknoten dazwischenfunken und eine schnelle Herzrythmusstörung verursachen, ist es möglich, die zusätzlichen Impulsleitungen zu unterbrechen. Das geschieht durch die Wirkung von Kälte oder Hitze, die mit kleinen Sonden, sogenannten Ablationskathetern, zum überaktiven Areal gebracht wird. Diese führt dazu, dass das Gewebe vernarbt und so die Leitungsbahnen unterbrochen werden. „Wenn das Herz langfristig zu langsam schlägt oder Pausen macht, können Medikamente das nicht langfristig beseitigen“, sagt Wiedemann. „Das kann nur ein Herzschrittmacher.“
Das auch Pacemaker genannte Gerät reguliert den Herzschlag. Er ist ungefähr zwei mal drei Zentimeter groß und drei Millimeter dick. „Zum einen besteht er aus dem Teil, in dem die Elektronik enthalten ist. Zum anderen aus Sonden, die in das Herz eingebracht werden“, sagt Wiedemann. Mit diesen Elektroden steuert der Herzschrittmacher die Pumpbewegungen des Muskels mittels elektrischer Impulse. „Meistens wird eine Sonde in die Hauptkammer und eine Sonde in die Vorkammer eingeschraubt“, sagt der Leiter des Herz-Rhythmus-Zentrums. Die neueste Gerätegeneration ist so klein, dass sie direkt in der Herzkammer verankert werden kann und die Impulse nicht mehr per Sonden übermitteln muss.
„Der Herzschrittmacher kon-trolliert, ob der Herzmuskel auf das Kontraktionssignal des Sinusknotens reagiert. Kommt in einem bestimmten Intervall keine Reaktion, setzt der Schrittmacher ein und senden seinerseits einen Impuls.“ Gleichzeitig kann der Schrittmacher auch eine EKG-Langzeitfunktion haben. „Moderne Geräte können erkennen, welche Art von Herzrhythmusstörungen auftreten“, sagt Wiedemann. Sie lassen sich von außen überwachen, programmieren und an den Patienten anpassen. „Hat der Patient zu Hause einen Sender installiert, verbindet sich der Herzschrittmacher im Notfall automatisch mit den Servern in der Klinik, sodass wir es hier erfahren, wenn etwas nicht stimmt.“ Mittlerweile bieten alle Hersteller solche Schrittmacher an, sagt Wiedemann. Welche Art von Schrittmacher implantiert wird, hänge jedoch von der Herzsituation des Patienten ab.
Das Gerät wird unter örtlicher Betäubung eingesetzt. „Der Eingriff dauert zwischen 30 und 45 Minuten“, sagt Wiedemann. Um dem Patienten große Narben zu ersparen, implantieren Kardiologen den Herzschrittmacher über einen etwa drei Zentimeter langen Schnitt - ein Stückchen unterhalb des Schlüsselbeins. Der Schrittmacher wird unter der Haut im Unterhautfettgewebe eingesetzt. Damit der kleine Computer die elektrischen Impulse an den Herzmuskel weiterleiten kann, muss der Operateur die beiden miteinander verkabeln. „Dazu sucht er eine körpernahe daumendicke Vene unterhalb des Schlüsselbeins, durch die er zwei Sonden zum Herz legt“, sagt Wiedemann. Am Ende des einen Elektrodenkabels ist eine kleine Spirale, die in den Herzmuskel der rechten Vorkammer geschraubt wird. Das andere endet in einem winzigen Anker, der im dicken Muskel an der Spitze der rechten Herzkammer verhakt wird. „Der Krankenhausaufenthalt bei einer Herzschrittmacherimplantation dauert in der Regel drei bis vier Tage“, sagt Wiedemann. Inzwischen können die Implantationen auch ambulant von niedergelassenen Ärzten vorgenommen werden.
Wenn die Lithium-Batterien des Herzschrittmachers erschöpft sind, muss das gesamte Gerät ausgetauscht werden, da die Energiespeicher fest verbaut sind. Es ist dann also jedes Mal eine kleine Operation notwendig. Allerdings geschieht dies nicht allzu häufig. „Ein Herzschrittmacher hält in der Regel acht bis zehn Jahre“, sagt Experte Wiedemann vom Herz-Rhythmus-Zentrum. Batteriestand und auch die allgemeine Schrittmacherfunktion wird in regelmäßigen Nachkontrollen überprüft.
„Im Alltag können sich Herzschrittmacherpatienten heute praktisch ohne Einschränkungen bewegen“, sagt Wiedemann. Selbst bei den Diebstahlschutzdetektoren in Geschäften gebe es meist keine Probleme mehr. Bei der Kontrolle am Flughafen zeigt der Patient seinen Herzschrittmacherausweis und wird dann manuell kontrolliert. Auch wenn die meisten Kardiologen Magnetfelder als Gefahrenquellen ausschließen, werden Betroffene immer wieder vor Starkstromanlagen gewarnt. Starke elektromagnetische Felder könnten den Herzschrittmacher zwar beeinflussen, sagt Wiedemann. Im häuslichen Umfeld gebe es diese aber kaum. Auch Mobiltelefone könnten normal genutzt werden, sie sollten nur nicht ständig in der Jackentasche über dem Herzschrittmacher getragen werden. So empfiehlt beispielsweise das Bundesamt für Strahlenschutz einen Mindestabstand von 20 Zentimetern zum implantierten Schrittmacher, weil sonst die Elektronik des Steuerteils beeinflusst werden könnte. Der Einsatz elektromagnetischer Felder für medizinische Behandlungen, etwa bei einer Magnetresonanztomografie oder einer Stromtherapie, ist bei Schrittmacherträgern allerdings nicht oder nur eingeschränkt möglich. Es gibt mittlerweile allerdings auch Schrittmacher, die speziell für diesen Einsatz geeignet sind.
Die Redaktion des Magazins "Tagesspiegel Kliniken Berlin 2016" hat die Berliner Kliniken, die diese Erkrankung behandeln, verglichen. Dazu wurden die Behandlungszahlen, die Krankenhausempfehlungen der ambulanten Ärzte und die Patientenzufriedenheit in übersichtlichen Tabellen zusammengestellt, um den Patienten die Klinikwahl zu erleichtern. Das Magazin kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel Shop.
Gwendolin Gurr