Arztbrief: Herzkatheter
Unser Experte Burkert Pieske ist Direktor der Klinik für Innere Medizin - Kardiologie am Deutschen Herzzentrum Berlin. Die Klinik ist das von niedergelassenen Ärzten Berlins für die stationäre Behandlung mit einem Herzkatheter am häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).
ERKLÄRUNG Ein Herzkatheter ist ein bis zu 1,50 Meter langer, rund drei Millimeter dünner und äußerst flexibler Plastikschlauch. Mit seiner Hilfe können Ärzte Erkrankungen des Herzens sowohl erkennen als auch behandeln. So kommt er beispielsweise häufig bei einer koronaren Herzkrankheit zum Einsatz: Sind die feinen Herzkranzgefäße (Koronararterien) durch Fettablagerungen oder Verkalkung stark verengt, können sie den Herzmuskel nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. In der Folge ist dieser lebenswichtige Muskel, dessen Kontraktion die Pumpfunktion des Organs ermöglicht - der sozusagen der Herzschlag ist -, immer weiter in seiner Funktion eingeschränkt. Verschließen sich die Gefäße vollständig, stirbt das Muskelgewebe dahinter sogar vollständig ab - es kommt zu einem Herzinfarkt. Mithilfe eines Herzkatheters können Ärzte solche Engstellen aufspüren und wieder aufweiten, damit das Blut wieder ungehindert fließen kann. Um sicherzustellen, dass die Gefäße danach offen bleiben, können sie zusätzlich einen Stent implantieren. Dabei handelt es sich um eine Gefäßstütze, die mit dem Katheter zu der betreffenden Stelle im Herzen geschoben wird.
Die koronare Herzkrankheit ist die häufigste Herzerkrankung - und vor allem in Industrienationen eine der häufigsten Krankheiten überhaupt. In Deutschland weisen rund fünf Prozent der Menschen solche durch Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen verursachten Durchblutungsstörungen auf. „Bei Menschen über 60 Jahren ist der Anteil wahrscheinlich noch viel höher“, sagt Burkert Pieske, Direktor der Klinik für Innere Medizin - Kardiologie am Deutschen Herzzentrum Berlin und an der Charité Campus Virchow-Klinikum in Berlin-Wedding. Allerdings seien nur Schätzungen möglich, da die Krankheit nicht bei jedem Betroffenen gleich Beschwerden verursache. Insgesamt zählt die koronare Herzkrankheit insbesondere in den Industrienationen jedoch zu den häufigsten Todesursachen.
SYMPTOME Ein typisches Symptom der koronaren Herzkrankheit ist die sogenannte Angina Pectoris (Stenokardie). Angina Pectoris kommt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt „Brustenge“. Denn neben Schmerzen in der Herzgegend, die häufig anfallsartig dann auftreten, wenn man sich beispielsweise körperlich anstrengt, geht sie in vielen Fällen auch mit einem dumpfen, engen Gefühl in der Brust einher. Der Schmerz kann in andere Körperteile ausstrahlen, beispielsweise in den Hals oder in die Arme. Während eines solchen Anfalls leiden viele Betroffene unter Atemnot, sie fühlen sich schwach, schwitzen verstärkt und sind blass. Auch Angstgefühle können auftreten. Vor allem bei Frauen zeigt sich die Stenokardie außerdem verstärkt durch Magenschmerzen, Übelkeit, Leistungsschwäche und ein Gefühl der Abgeschlagenheit. Der typische Brustschmerz, der in den linken Arm ausstrahlt, ist bei ihnen oft weniger stark ausgeprägt.
„Anfangs tritt die Angina Pectoris vor allem unter körperlicher Belastung oder bei Aufregung auf“, sagt Pieske. „Kommt man zur Ruhe, verschwinden die Beschwerden wieder.“ Trete allerdings auch im Ruhezustand ein Anfall auf, sei dies ein deutliches Warnsignal - und ein Notfall. „Der Betroffene sollte dann unbedingt eine Klinik aufsuchen, da ein Infarkt droht.“
URSACHEN Eine koronare Herzkrankheit entwickelt sich meist über einen längeren Zeitraum. Deshalb sind auch vor allem ältere Menschen betroffen. Denn im Laufe des Lebens lagern sich an den Wänden der Arterien - und damit auch in den Herzkranzgefäßen - Stoffe wie Cholesterin oder Calcium ab. Diese Fett- und Kalkansammlungen können sich zu einer relativ festen Masse verbinden, die Ärzte als Plaques bezeichnen. „Die Plaques schädigen und verhärten das Gefäß, sodass es sich nicht mehr ausdehnen kann, wenn beispielsweise der Herzmuskel bei Anstrengung mehr Blut benötigt“, sagt Kardiologe Pieske. Je weiter diese Arterienverkalkung (Arteriosklerose) in den Herzkranzgefäßen fortschreitet, desto enger werden die Gefäße - und desto schlechter wird der Herzmuskel mit Blut versorgt.
Bei Männern gilt ein Alter von mehr als 45 Jahren als Risikofaktor, der die Erkrankung begünstigt, bei Frauen ein Alter von mehr als 55 Jahren. Dieser Unterschied ist wahrscheinlich hormonell bedingt. So gehen Experten davon aus, dass das weibliche Östrogen eine Art Schutzfunktion auf das Herz und die Gefäße ausübt. Wie genau diese aussieht, ist allerdings noch nicht geklärt.
Weitere Risikofaktoren, die eine koronare Herzerkrankung begünstigen, sind neben einem fortgeschrittenen Alter vor allem Übergewicht, erhöhte Blutfettwerte, Bluthochdruck und Diabetes. „Auch Nikotinkonsum wirkt sich sehr negativ auf die Gefäße aus“, sagt Pieske. Raucher leiden daher häufig bereits in jüngeren Jahren unter einer koronaren Herzkrankheit.
DIAGNOSE Um lebensbedrohlichen Folgen wie einem Herzinfarkt vorzubeugen, ist es wichtig, dass eine koronare Herzkrankheit - oder ein erhöhtes Erkrankungsrisiko - möglichst frühzeitig entdeckt werden. Deshalb ist es empfehlenswert, regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen teilzunehmen - auch wenn keine akuten Beschwerden bestehen. Beispielsweise zahlen die Krankenkassen ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre einen Gesundheits-Check-up beim Hausarzt, zu dem auch kardiologisch relevante Untersuchungen gehören, wie Blutdruckmessung oder die Bestimmung der Cholesterinwerte im Blut.
Bei der Diagnose einer koronaren Herzkrankheit steht an erster Stelle das Patientengespräch (Anamnese), in dem der Arzt mögliche Risikofaktoren und Beschwerden erfragt. Darauf folgen meist eine körperliche Untersuchung sowie eine Blutuntersuchung, eine Blutdruckmessung sowie ein Elektrokardiogramm (EKG), mit dessen Hilfe die elektrischen Ströme des Herzens dargestellt werden können. Um einen Anfangsverdacht zu erhärten, kommen dann weitere Verfahren zum Einsatz, beispielsweise ein Belastungs-EKG (Ergometrie) oder ein Herzultraschall (Echokardiografie).
Um festzustellen, ob das Herz bei Belastung unterversorgt ist, können die Ärzte auch Aufnahmen mit einem Magnetresonanztomografen (MRT) machen oder eine sogenannte Myokardperfusions-Szintigrafie durchführen. Bei dieser wird die Durchblutung des Herzens mithilfe eines leicht radioaktiven Stoffes, den man in die Blutbahn spritzt, sichtbar gemacht. Unter Umständen kann eine Computertomografie (CT) vorgenommen werden.
Ein weiteres, eindeutiges Diagnoseverfahren ist schließlich die Untersuchung mit dem Herzkatheter, die sogenannte Angiografie. Dafür legen die Ärzte unter lokaler Betäubung mit einer dünnen Nadel einen Zugang zu einer Arterie in der Leiste oder im Armgelenk. „Von dort wird der dünne Katheterschlauch dann zum Herzen geschoben“, sagt Pieske. Das Ganze geschehe unter Röntgenkontrolle - auch mögliche Risikostellen würden unterm Röntgen sichtbar. Dazu wird in das Blut ein Kontrastmittel gespritzt, wodurch die Blutgefäße auf dem Röntgenbildschirme sichtbar werden. Entdecken die Ärzte verengte Bereiche in den Herzkranzgefäßen, können sie diese mithilfe des Katheters gleich an Ort und Stelle behandeln.
THERAPIE Eine beginnende koronare Herzkrankheit lässt sich meist medikamentös behandeln. Zusätzlich sollten die Betroffenen Risikofaktoren wie Rauchen und Übergewicht minimieren. Sind die Herzkranzgefäße jedoch bereits so stark verengt, dass dies nicht ausreicht oder sogar bereits ein Infarkt droht, kommt der Herzkatheter zum Einsatz: Mit seiner Hilfe können die Ärzte ein betroffenes Gefäß wieder weiten. „Dafür wird ein leerer Ballon mit dem Katheter zu der Engstelle geschoben“, sagt Pieske. Dort werde er dann mit hohem Druck „aufgeblasen“ und die Gefäßwände dadurch auseinandergedrückt - die Arterie ist wieder frei. Damit sie das auch bleibt, können die Ärzte mithilfe des Katheters eine Stütze in das Gefäß einbringen: den Stent. Häufig passiert die Aufdehnung der Arterie und die Implantation des Stents in einem Arbeitsschritt.
Es gibt verschiedene Arten von Gefäßstützen: Medikamenten-beschichtete Stents aus Nirosta-Stahl sollen eine Wiederanlagerung von Plaques dauerhaft verhindern. Eine andere Form sind sogenannte resorbierende Stents. Diese bestehen aus einer Zuckersubstanz und lösen sich mit der Zeit von selbst wieder auf. So bleibt zwar kein Fremdkörper dauerhaft im Herzen, für alle Patienten sind sie jedoch laut Pieske nicht geeignet: „Wenn die Kranzgefäße stark verkalkt und verhärtet sind, können die selbstauflösenden Stents zerbröseln.“ Standardmäßig würden daher Stents aus Stahl verwendet. Um Abstoßungsreaktionen oder eine erneute Gefäßverengung zu verhindern, sind diese mit Medikamenten beschichtet, die langsam freigesetzt werden. Damit es im Stent auch langfristig nicht zu Komplikationen wie beispielsweise Thrombosen kommt, müssen die Patienten nach der Implantation Medikamente einnehmen, die die für die Blutgerinnung wichtigen Blutplättchen (Thrombozyten) hemmen.
Die Behandlung mit einem Herzkatheter sowie eine Stent-Implantation zählen für Kardiologen mittlerweile zu den Standardeingriffen. „Dennoch bergen sie natürlich gewisse Risiken“, sagt Experte Pieske. So könnten beispielsweise an der Einstichstelle in der Leiste oder Armbeuge kleine Verletzungen und dadurch blaue Flecke entstehen. Schwerwiegender - aber auch sehr selten - seien mögliche Verletzungen durch den Katheter in den großen Gefäßen auf dem Weg zum Herzen oder an den Herzkranzgefäßen selbst, die im Extremfall zu einem Hirn- oder Herzinfarkt führen könnten. Zudem kann ein Folgeeingriff notwendig werden: entweder weil sich an der behandelten Stelle wieder Ablagerungen bilden und das Gefäß erneut verengen (Re-Stenose) - oder weil sich eine andere Stelle in einem der drei Kranzgefäße verengt.
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