Kolumne: Dr. Wewetzer: Heilsame Igitt-Therapie
Unser Gesundheitsexperte fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Darmbakterien gegen schweren Durchfall
Es ist eine perfekte Symbiose. Billionen von Bakterien leben in unserem Darm. Wir ernähren die Mikroben, und sie helfen uns beim Verdauen und der Abwehr von Krankheitserregern. Aber die Harmonie kann gestört werden, zum Beispiel durch eine Behandlung mit Antibiotika, also mit Medikamenten gegen Bakterien. Die kann dazu führen, dass Clostridium difficile Besitz vom Darm ergreift. Der heimtückische Erreger ist eine Art „Schläfer“, der beim Gesunden mitunter in Sporenform überwintert, gewissermaßen als Dauerkonserve.
Ist die im Darm ansässige Bakterienflora durch Antibiotika geschwächt, dann schlägt die Stunde von C. difficile. Er überwuchert die harmlosen Keime und produziert Giftstoffe. Die Folge sind Durchfall, Bauchkrämpfe und Eiweißverlust. Meist geht das Ganze glimpflich aus, in schweren Fällen jedoch kann die Darmentzündung tödlich enden. Behandelt wird der Keim hauptsächlich mit Antibiotika, eine Therapie, deren Erfolg längst nicht immer von Dauer ist.
Bei einem besonders hartnäckigen, wiederkehrenden Befall kann die fäkale Bakterientherapie helfen. Im Klartext: Die Patienten bekommen den bakterienhaltigen Kot eines anderen Menschen „verpflanzt“. Das klingt unappetitlich, ist aber eine hochwirksame und gut verträgliche Therapie, die dem Namen „biologisch“ alle Ehre macht. Die geschädigte Darmflora wird so neu angezüchtet. Wie erfolgreich die „Stuhltransplantation“ sein kann, zeigt eine Studie amerikanischer Magen-Darmspezialisten, die nun beim Jahrestreffen der US-Fachgesellschaft ACG vorgestellt wurde.
Mark Mellow und seine Kollegen vom Baptist Medical Center in Oklahoma City behandelten Patienten, die bereits zwei oder mehr Antibiotika-Kuren hinter sich hatten. 77 Patienten nahmen teil, bei mehr als 90 Prozent war die Behandlung erfolgreich. Obwohl sie im Durchschnitt schon elf Monate erkrankt waren, schlug die Stuhl-Therapie in nur sechs Tagen an. Die Infektion kehrte lediglich bei manchen Patienten zurück, die aus anderen Gründen wieder Antibiotika nehmen mussten. Stuhl ist eben mehr als eine „geruchsintensive, reaktionsträge Substanz“, sagt Mark Mellow. Er sei biologisch aktiv und imstande, Krankheitserreger abzutöten. „Wenn man einmal den Igitt-Faktor überwunden hat, dann erscheint einem die Sache sehr sinnvoll“, kommentiert Lawrence Schiller, Präsident der Fachgesellschaft ACG.
Um den Igitt-Faktor wie das Risiko gering zu halten, empfiehlt es sich, den Kot eines Menschen zu verwenden, der mit dem Patienten eng verbunden ist, etwa den des Partners. Es genügen ein paar Gramm. Auch diese enthalten schon Milliarden Bakterien. Bewährt hat sich die „Aussaat“ mit Hilfe der Darmspiegelung. Das dünne Rohr kann weit in den Dickdarm eingeführt werden, so dass die Besiedelung auch dort garantiert ist, wo der Keim häufig zu finden ist – am Ausgang des Dünndarms in den Dickdarm. Es gibt noch andere Wege, die Darmbakterien zu verpflanzen, aber darüber decke ich jetzt den Mantel des Schweigens.
Unser Kolumnist leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels. Haben Sie eine Frage zu seiner guten Nachricht?
Bitte an: sonntag@tagesspiegel.de