Gute Vorsätze: Gemeinsam geht’s besser
Mehr Sport treiben, abnehmen, besser ernähren, mit dem Rauchen aufhören: Zum Jahresende haben gute Vorsätze Konjunktur Doch viele scheitern schon nach einer Woche. Studien zeigen: Strukturierte Begleitung ist wirksamer als Hauruckentschlüsse.
„Der gute Vorsatz ist ein Gaul, der oft gesattelt, aber selten geritten wird“, sagt ein mexikanisches Sprichwort. Nie werden so viele Pferde gesattelt wie jetzt. Für das unberührte Jahr wünschen sich Menschen nicht nur gegenseitig alles Gute, sondern oft auch sich selbst einen Neuanfang – vor allem einen gesundheitlichen.
Aber: „Gute Vorsätze sind oft nicht genug, um wirklich aktiv zu werden“, sagt die Gesundheitspsychologin Lena Fleig von der FU Berlin. Sie hat mit Daniela Schulz von der Universität Maastricht die Idee entwickelt, Menschen per SMS zu mehr körperlicher Bewegung anzuregen. Mitmachen können Erwachsene in Deutschland und den Niederlanden. Das Programm mit dem schönen Namen „MoMo – Mobil mit Mobiltelefon“ ist gerade angelaufen, es wird von der Europäischen Gesellschaft für Gesundheitspsychologie finanziert und soll wissenschaftlich ausgewertet werden.
Aus früheren Studien ist bekannt, dass gute Vorsätze besser umzusetzen und durchzuhalten sind, wenn Menschen einen realistischen Plan für die Umsetzung haben, wenn ihnen positive Auswirkungen winken und sie zwischendurch immer wieder ihre Ziele mit dem aktuellen Verhalten vergleichen können. Außerdem sind persönliche Ansprachen, die individuelle Besonderheiten berücksichtigen, wirkungsvoller als Standardnachrichten. MoMo will belegen, dass das auch per SMS und E-Mail klappt. Die Teilnehmer der Studie, zu der man sich noch anmelden kann, werden in drei Gruppen eingeteilt. Die erste füllt nur einen Monat lang wöchentlich einen kurzen Fragebogen aus, die zweite erhält zusätzlich bis zu neun Standard-Kurznachrichten aufs Handy, die dritte bekommt persönliche SMS. Die Forscherinnen gehen davon aus, dass persönliche, maßgeschneiderte Ansprache am meisten motiviert – die Studie soll zeigen, ob das stimmt. Erste Ergebnissen könnten Ende Januar vorliegen. Eine frühere Studien hat gezeigt, dass sich auch andere Bereiche des Lebens positiv verändern, wenn Menschen bei sportlichen Aktivitäten unterstützt werden. Zum Beispiel stehen dann plötzlich mehr Obst und Gemüse auf dem Speiseplan.
Ernährung – auch so ein Vorsatz. Viele wollen ein paar Kilo abnehmen, doch wichtig ist auch ein ausgewogener Speiseplan. „Die meisten guten Vorsätze auf diesem Gebiet sind zu ehrgeizig, sie scheitern schon in der ersten Woche“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Andrea Lambeck, Geschäftsführerin von Ernährung und Bewegung e.V. Sie plädiert dafür, die Sache lustvoll anzupacken, mit neuen Rezepten, einem interessanten Kochkurs, mehr „ganz normaler“ Bewegung im Alltag oder Sportarten, die einem persönlich wirklich Spaß machen. „Sport stärkt das Körperbewusstsein und führt damit auch zu mehr Aufmerksamkeit für die Ernährung“, so Lambeck. Im britischen Journal of Epidemiology & Community Health wurde gerade eine Studie veröffentlicht, die beweist, was es bringt, kleine Veränderungen in den Familienalltag einzubauen: Grundschüler, deren Eltern nicht nur selbst viel Obst und Gemüse essen, sondern auch ihren Kindern Äpfel, Orangen, Mandarinen, Karotten und andere Rohkost servieren, essen täglich eine Portion mehr davon.
Der Klassiker unter den Vorsätzen ist natürlich ein Leben ohne Zigaretten. „Weniger als jeder zwanzigste chronische Raucher schafft es, ohne professionelle Hilfe aufzuhören“, sagt Psychologin Karin Vitzthum, Therapieleiterin im Institut für Tabakentwöhnung und Raucherprävention am Vivantes Klinikum Neukölln. Das hat biologische und psychologische Gründe. Nikotin dockt innerhalb von sieben bis acht Sekunden an Hirnrezeptoren an und veranlasst die Ausschüttung von Botenstoffen. Der Belohnungseffekt, der sich einstellt, macht extrem schnell abhängig. Das erlernte Verhalten ist schwer abzutrainieren, weil es Rauchen zum Bestandteil des Lebens macht. Dazu kommen Befürchtungen: Lege ich an Gewicht zu, wenn ich das Rauchen aufgebe? Diese Aspekte werden im Programm „Rauchfrei werden und bleiben“ des Vivantes-Klinikums berücksichtigt. Jeder kann sich selbst anmelden, viele Teilnehmer werden auch vom Hausarzt darauf aufmerksam gemacht oder waren zuvor wegen eines Lungen- oder Herzleidens in Behandlung.
Den Einstieg in den Ausstieg finden sie in acht Sitzungen, sechs in den ersten beiden Wochen, zwei „Stabilisierungstreffen“ nach zwei beziehungsweise vier Wochen. Nach der zweiten Sitzung hören die Teilnehmer mit Rauchen auf. In den Treffen danach sprechen sie über konkrete Alltagsschwierigkeiten, sie erhalten außerdem neben Informationen von Ärzten und Psychologen auch die Tipps der anderen Gruppenmitglieder. Das Programm folgt den Empfehlungen der WHO. Auch danach sind die Teilnehmer nicht ganz auf sich gestellt. Für den Rest des Jahres können sie eine telefonische „Helpline“ oder auch Unterstützung per Mail in Anspruch nehmen. So werden auch Rückfälle und Rückschläge aufgefangen. Nach einem Jahr dann folgt die Nachuntersuchung. Eine Kohlenmonoxidmessung des Atems gibt ganz objektiv Aufschluss darüber, ob man wirklich weg ist von den Zigaretten. Über die Hälfte der Teilnehmer hält das erste Jahr durch. Danach liegt die Rückfallquote bei nur noch zwei Prozent.
Strukturierte Hilfe ist das A und O. Wer als starker Raucher allein auf den eigenen Entschluss und die eigene Willenskraft baut, hat längst nicht so gute Chancen, das haben zahlreiche Studien inzwischen bewiesen. „Einfach nur am Silvesterabend in so etwas hineinzustolpern, ist keine gute Idee, solche Hauruckversuche sind meist von Misserfolg gekrönt“, resümiert Karin Vitzthum.
Informationen zur "MoMo"-Studie unter www.momo-programm.de und www.heute-anfangen.de. Kontakt zum Programm "Rauchfrei werden und bleiben" des Vivantes Klinikums Neukoelln: karin.vitzthum@viventes.de und www.vivantes.de. Webseite der Plattform Ernährung und Bewegung e.V.: www.ernaehrung-und-bewegung.de
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