Arztbrief: Dickdarmkrebs
Unser Experte Thomas Steinmüller ist Chefarzt der Chirurgie am DRK Klinikum Berlin-Westend. Die Klinik ist das von niedergelassenen Ärzten Berlins am häufigsten für die Dickdarmkrebs-Operation empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).
ERKLÄRUNG Der Dickdarm ist der letzte Teil des Verdauungstraktes. Seine Aufgabe besteht darin, Flüssigkeit und Mineralstoffe der vorverdauten Nahrung zu entziehen und so den Stuhl einzudicken. Der Darm ist mit einer Schleimhaut ausgekleidet, die Gift und Schadstoffe davon abhält, in den Körper einzudringen. Dickdarmkrebs (Kolon-Karzinom) ist die häufigste Krebsart in den entwickelten Industriestaaten. Besonders gefährdet sind Menschen über 50 Jahre.
SYMPTOME Krebs im Dickdarm entwickelt sich lange Zeit, ohne Beschwerden zu verursachen. Oft ist der Patient schon seit mehreren Jahren von kleineren Tumoren oder dessen Vorstufen (Adenome) befallen. „Erst größere Tumore führen zu deutlichen Symptomen wie Bauchschmerzen, Schmerzen am Darmausgang, Blut im Stuhl, Durchfall oder Verstopfungen“, sagt Thomas Steinmüller, Chefarzt der Chirurgie an den DRK Kliniken Berlin -Westend. Auch die Blutwerte können sich durch die Karzinome verändern. „Dann entdeckt der Arzt bei Blutuntersuchungen Hinweise auf eine Blutarmut - dabei steckt ein Kolonkarzinom dahinter.“
Im Extremfall kann der Tumor so groß werden, dass er den Darm verschließt. Das ist ein lebensbedrohlicher Notfall und kann dazu führen, dass die Patienten Stuhl erbrechen - oder aber der Darm platzt.
URSACHEN Es sind vor allem die Lebensgewohnheiten in den westlichen Industrienationen, die einen Darmkrebs begünstigen. Also der Konsum von viel Kohlenhydraten, Fetten und Alkohol - dann Übergewicht und zu wenig Sport.
Die jüngste Warnung einer WHO-Unterorganisation aber, dass Wurst und rotes Fleisch vom Rind, Schwein und Lamm das Darmkrebsrisiko erhöht, hält Steinmüller für zu einseitig. Der Mechanismus der Krebsentstehung sei viel komplexer. In Ländern wie Bolivien oder der Mongolei, wo die Menschen traditionell viel rotes Fleisch essen, sei Darmkrebs faktisch unbekannt. „Eine vernünftige Menge Fleisch darf man essen, vor allem ist der gesunde Mix in der Ernährung wichtig.“
Bei der Darmkrebsentstehung spielt auch die genetische Veranlagung eine große Rolle. Bei 20 bis 25 Prozent der Fälle gab es bereits in der Familie einen Darmkrebs oder dessen Vorstufen. Mediziner sprechen dann vom familiär gehäuften Darmkrebs. In solchen Familien gelten dann auch andere Vorsorgeempfehlungen (siehe Prävention).
Zudem nimmt das Risiko im Alter zu - also steigt in unserer alternden Gesellschaft auch die Anzahl der Darmkrebserkrankungen.
DIAGNOSE Der Goldstandard, um einen Tumor im Dickdarm aufzuspüren, ist die Darmspiegelung mithilfe eines Endoskops, der gleichen Technik also, die zur Früherkennung verwendet wird, um Vorstufen des Krebses zu erkennen und zu entfernen (siehe Prävention). Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, im Blut nach bestimmten Eiweißbausteinen, die auf einen Tumor hindeuten - sogenannte Tumormarker - zu suchen. „Eine solche Laboranalyse der Blutwerte wird aber eher zur Verlaufskontrolle nach der Therapie eines Kolonkarzinoms eingesetzt“, sagt Steinmüller.
Um einen Krebs zweifelsfrei nachzuweisen, wird eine Probe des auffälligen Gewebes entnommen und im Labor untersucht (Biopsie).
THERAPIE Die Heilungschancen eines Dickdarmkrebses sind bei rechtzeitiger Erkennung sehr gut. Deswegen empfehlen Ärzte, ab dem 45. Lebensjahr den Stuhl auf verborgenes Blut untersuchen zu lassen und ab dem 55. Lebensjahr zur vorsorglichen und von den Krankenkassen bezahlten Darmspiegelung zu gehen. Werden dabei Vorstufen des Krebses entdeckt - sogenannte Polypen und Adenome - werden diese sofort abgetragen. Die endoskopische Entfernung ist auch noch möglich bei kleineren Krebsgeschwulsten.
Ist der Tumor bereits größer, muss operiert werden. Das geschieht dann meist minimalinvasiv. Dazu werden durch drei kleinere Schnitte in die Bauchdecke langstielige Instrumente eingeführt, ebenso wie eine Lichtquelle und eine Kamera. Denn die Chirurgen können das Operationsfeld nicht mit eigenen Augen sehen, sondern verfolgen den Eingriff am Computerbildschirm.
So eine bösartige Geschwulst im Dickdarm muss komplett entfernt werden, inklusive eines Sicherheitsabstandes des umgebenden gesunden Gewebes und der benachbarten Lymphknoten, weil sich dort bereits Krebszellen verstreut haben könnten. Doch selbst so eine „großzügige“ Entfernung von Teilen des Dickdarms sei auf Dauer nicht problematisch, sagt Thomas Steinmüller. Jeder Mensch hat etwa zwei bis 2,2 Meter Dickdarm. „Selbst wenn man die Hälfte entfernt, hat das funktionell keine Konsequenzen“, sagt er. Schließlich werden im Dickdarm nur Flüssigkeit aus dem Nahrungsbrei aufgenommen. „Das heißt, die Leute können sich nach einer kurzen Umgewöhnungszeit wieder normal ernähren.“ Teilweise könne man schon mal bis zu 1,5 Meter Dickdarm entfernen.
Die Patienten müssen nach der Operation zwischen fünf und acht Tagen im Krankenhaus verbringen.
Ist der Tumor entfernt, folgt meist noch eine Chemo- oder Strahlentherapie, um eine Rückkehr des Krebses zu verhindern.
Auch bei größeren Geschwulsten bestehe durch die Operation noch eine gute Heilungschance, sagt Steinmüller. „Waren in den Lymphknoten noch keine Krebszellen nachweisbar, sind 80 bis 90 Prozent der Patienten nach der Operation geheilt.“
Diese Chancen aber sinken rapide, wenn der Krebs erst so spät entdeckt wird, dass er bereits Tochtergeschwulste (Metastasen) an anderen Organen gebildet hat. „Selbst wenn man alle Metastasen operativ entfernen kann, liegt dann die Heilungschance nur noch bei 40 Prozent.“
Wie bei allen Operationen bestehen auch bei Eingriffen am Dickdarm Risiken. So kann zum Beispiel die OP-Naht am Darm undicht werden, dann muss noch einmal operiert werden.
Und liegen die Geschwulste nahe am Schließmuskel, muss dieser gegebenenfalls von Ärzten mit entfernt und ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. „Doch bei den allermeisten Darmoperationen ist das nicht nötig“, sagt Steinmüller.
Alternative Methoden wie Gentherapie, Stammzelltransplantation oder die Zerstörung des Tumors durch Überwärmung stecken aus medizinischer Sicht noch in den Kinderschuhen. „Bei Dickdarmkrebs müssen wir operieren“, sagt Steinmüller.
FRÜHERKENNUNG Wird ein Darmkrebs früh entdeckt - am besten noch in seinen ungefährlichen Vorstufen -, ist er sehr gut heilbar. Deshalb und weil Darmkrebs lange keine Symptome verursacht, sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen so wichtig.
Die Früherkennung von Tumoren erfolgt über eine Darmspiegelung. Dabei wird ein Endoskop, also ein biegsamer Schlauch mit einer Lichtquelle und einem Kameraobjektiv, an dem sich aber auch Intrumente zum Entfernen von Gewebe befinden können, vom After in den Dickdarm bis zur Mündung des Dünndarms vorgeschoben. Die eigentliche Untersuchung findet aber erst beim langsamen Herausziehen des Endoskops statt. Dabei begutachtet der Arzt die Darmschleimhaut auf krankhafte Veränderungen. Durch die Zufuhr von Luft oder Kohlendioxid wird der Darm „aufgeblasen“, sodass der Arzt eine bessere Sicht hat.
Dabei kann die Untersuchung direkt zum Eingriff werden, nämlich dann, wenn der Arzt Vorformen eines Krebses entdeckt, Polypen und Adenome genannt. Polypen können auf einem kleinen Stiel wuchern, aber auch flach in der Darmschleimhaut. Stiel-Polypen lassen sich mit einer am Endoskop befestigten Elektroschlinge umfassen und abtrennen. Flache Polypen werden durch das Einspritzen vom Medikamenten „angehoben“ und anschließend mit der selben Methode entfernt.
Vor einer solchen Koloskopie genannte Untersuchung muss der Darm aber trotzdem gründlich gereinigt werden. Diese Prozedur, bei der die Patienten einen Tag vorher nichts essen dürfen und eine große Menge Flüssigkeit, die mit Abführmitteln versetzt ist, zu sich nehmen müssen, wird von vielen als unangenehm empfunden. Das mag der Hauptgrund dafür sein, dass noch immer zu wenige Menschen in Deutschland an der Darmkrebsvorsorge teilnehmen. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen die Vorsorgekoloskopie ab dem 55. Lebensjahr alle zehn Jahre.
Sind bereits Familienangehörige von Dickdarmkrebs oder auch schon seinen Vorstufen betroffen gewesen, raten Experten zu einer früheren Vorsorgekoloskopie. Eine Faustregel besagt, dass dann die erste Darmspiegelung zehn Jahre vor dem Alter liegen sollte, in dem bei einem Familienmitglied Darmkrebs oder Darmpolypen festgestellt wurde. Besteht ein erbliches Darmkrebsrisiko, zahlen die Krankenkassen auch diese früheren Untersuchungen.
Die Redaktion des Magazins "Tagesspiegel Kliniken Berlin 2016" hat die Berliner Kliniken, die diese Erkrankung behandeln, verglichen. Dazu wurden die Behandlungszahlen, die Krankenhausempfehlungen der ambulanten Ärzte und die Patientenzufriedenheit in übersichtlichen Tabellen zusammengestellt, um den Patienten die Klinikwahl zu erleichtern. Das Magazin kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel Shop.