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Arztbrief: Bandscheibe

Unser Experte Miguel Alquiza ist Chefarzt der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie am Evangelischen Waldkrankenhaus Spandau. Die Klinik ist das von den niedergelassenen Orthopäden Berlins für die Therapie eines Bandscheibenvorfalls am zweit häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).

ERKLÄRUNG Erklärung Sie ist die Stütze des aufrechten Ganges. Die Wirbelsäule setzt sich aus sieben Halswirbeln, zwölf Brustwirbeln und fünf Lendenwirbeln zusammen. 23 Bandscheiben liegen wie Stoßdämpfer zwischen den Wirbeln. Diese knorpeligen Puffer bestehen aus einem weichen Gallertkern, der von einem Ring aus faserigem Bindegewebe umhüllt wird. „Durch Verschleiß oder Veranlagung kann der äußere Knorpelring einer Bandscheibe reißen und der Kern tritt aus“, sagt Miguel Alquiza, Chefarzt der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie am Evangelischen Waldkrankenhaus Spandau. In vielen Fällen merken die Betroffenen nichts vom Bandscheibenvorfall - drückt der ausgetretene Gallertkern allerdings auf Nerven oder Rückenmark, verursacht er oft starke Schmerzen oder sogar Lähmungen. Vom Bandscheibenvorfall zu unterscheiden ist die Bandscheibenvorwölbung, bei der sich der Faserring nach außen verformt, jedoch ohne dabei zu reißen. Aber auch dieses leichte Hervortreten der Bandscheibe kann bereits Rückenschmerzen verursachen.

Die Wirbelsäule ist eine wichtige Stütze des aufrechten Ganges. Zwischen den knöchernden Wirbeln (1) liegen wie Stoßdämpfer 23 Bandscheiben (2). Im Inneren dieser knorpligen Puffer ist ein weicher hauptsächlich aus Wasser bestehender Kern, der von faserigem Bindegewebe umhüllt wird. Mit dem Alter, durch Veranlagung oder Belastungen kann dieser äußere Knorpelring spröde werden und reißen. Oft merkt der Betroffene davon nichts. Drückt der austretende Gallertkern (3) allerdings auf einen Nerv (4), kann das heftige Schmerzen oder Lähmungen verursachen.
Die Wirbelsäule ist eine wichtige Stütze des aufrechten Ganges. Zwischen den knöchernden Wirbeln (1) liegen wie Stoßdämpfer 23 Bandscheiben (2). Im Inneren dieser knorpligen Puffer ist ein weicher hauptsächlich aus Wasser bestehender Kern, der von faserigem Bindegewebe umhüllt wird. Mit dem Alter, durch Veranlagung oder Belastungen kann dieser äußere Knorpelring spröde werden und reißen. Oft merkt der Betroffene davon nichts. Drückt der austretende Gallertkern (3) allerdings auf einen Nerv (4), kann das heftige Schmerzen oder Lähmungen verursachen.
© Fabian Bartel

SYMPTOME Ein Bandscheibenvorfall ist entlang der gesamten Wirbelsäule - also von Hals über Brust bis zur Lende - möglich. Je nachdem, in welchem der drei Abschnitte das Leiden auftritt, ruft der Bandscheibenvorfall unterschiedliche Symptome hervor. Mediziner unterscheiden daher zwischen dem seltenen zervikalen Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule (HWS), dem ebenfalls seltenen throkalen Vorfall der Brustwirbelsäule (BWS) und dem bei weitem am häufigsten vorkommenden lumbalen Vorfall in der Lendenwirbelsäule (LWS).

Quetscht ein ausgetretener Gallertkern einen Nerv im Halswirbelbereich, klagen die Betroffenen oft über Nackenschmerzen und in den Arm ausstrahlende Schmerzen, Taubheit, Kribbeln oder sogar Lähmungen. Ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Brustwirbelsäule verursacht meist lokal begrenzte Rückenschmerzen. Doch die bei Weitem häufigsten Beschwerden verursachen Vorfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule. Patienten berichten von anhaltenden, stechenden und sich bei Bewegungen verstärkenden Schmerzen. Drückt der Gallertkern auf eine abgehende Nervenwurzel, strahlt der Schmerz von den Lendenwirbeln über das Gesäß bis hin zum Bein aus. Die Schmerzen sind oft so heftig, dass der Volksmund ein treffendes Wort bereithält: Hexenschuss! Und es geht noch schlimmer: Blase und Darm lassen sich oft nicht mehr kontrollieren, wenn das Rückenmark oder der sogenannte Pferdeschweif, ein Nervenfaserbündel, das sich vom Rückenmark fortsetzt, geschädigt werden. Ein Notfall, der sofort untersucht werden sollte!

URSACHEN Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit - fast zwei von drei Deutschen klagen über solche Probleme. Rund 180 000 Männer und Frauen erleiden jedes Jahr einen Bandscheibenvorfall. „Letztlich ist das ein Tribut an den aufrechten Gang“, sagt Wirbelsäulenspezialist Miguel Alquiza. Denn anders als bei Vierbeinern lastet auf der senkrecht aufgestellten Wirbelsäule des Menschen das gesamte Gewicht des Oberkörpers. Darunter leiden besonders die hauptsächlich aus Wasser bestehenden Knorpel. Und noch eine schlechte Nachricht: „Der Körper altert ab dem 30. Lebensjahr“, sagt Alquiza. Und darunter leiden auch die wabbligen Stoßdämpfer - sie verlieren zunehmend Wasser und werden spröde. Den Belastungen des aufrechten Ganges, von Fehlhaltungen oder auch schweren Gewichten können sie so schlechter standhalten - bis irgendwann der Faserring reißt und der Gellerkern austritt.

Dieser ganz natürliche, altersbedingte Verschleiß wird durch Risikofaktoren wie mangelnde Bewegung, Rauchen und Übergewicht noch verstärkt. Auch eine jahrelang vernachlässigte Bauch- und Rückenmuskulatur fördert einseitige Belastungen der Stoßdämpfer und damit deren vorzeitiger Abnutzung. Angeborene Schäden der Wirbelsäule, Verkehrsunfälle oder eine schlechte Körperhaltung können ebenfalls zu Bandscheibenvorfällen führen. Dagegen sind Überbelastungen, etwa durch das Heben schwerer Gegenstände, deutlich seltener Ursache eines Vorfalls als häufig angenommen.

DIAGNOSTIK Am Anfang der Diagnostik steht die Anamnese, also die Krankengeschichte des Patienten, die der Arzt erfragt. Zudem untersucht er Körperfunktionen, wie das Empfinden in Armen oder Beinen, Muskelkraft und Reflexe. Bei Lähmungen oder Taubheitsgefühlen versucht der Arzt zu lokalisieren, welchen Nerv genau der Bandscheibenvorfall quetscht.

Lähmungen oder Gefühlsstörungen können aber auch durch andere Nervenerkrankungen, sogenannte Neuropathien, verursacht werden. In Zweifelsfällen nutzen Mediziner deshalb die die Elektromyografie (EMG), um die elektrische Aktivität einzelner Muskeln zu messen und so die vom Bandscheibenvorfall bedrängte Nervenwurzel zu finden. Auch mit bildgebenden Verfahren, wie der Computertomografie (CT) oder der Magnetresonanztomografie (MRT) sichern Orthopäden die Diagnose ab.

THERAPIE Zeit heilt zwar nicht immer alle Wunden - doch in einigen Fällen bessert sich das Leiden sogar ganz von allein. Denn der Gallertkern besteht hauptsächlich aus Wasser. Ist er ausgetreten, kann es sich lohnen zu warten, bis er austrocknet und schrumpft. So nimmt der Druck auf den gequetschten Nerv ab und der Schmerz lässt nach, bis er ganz verschwunden ist.

„Wenn möglich, ziehen wir die konservative Behandlung einem chirurgischen Eingriff vor“, sagt Miguel Alquiza. So könnten etwa 80 Prozent der Bandscheibenvorfälle mit konservativen Methoden, wie Wärme, Rückenschule, Muskelaufbau und einer ergänzenden Schmerztherapie erfolgreich behandelt werden, ohne zum Skalpell greifen zu müssen.

Bessern sich die Symptome jedoch trotz konservativer Behandlung nicht - Mediziner empfehlen dafür mindestens drei Monate -, kann ein chirurgischer Eingriff notwendig sein. Verschiedene Kriterien helfen Arzt und Patient dabei, zu entscheiden, wann ein Eingriff sinnvoll ist. Treten Symptome wie Lähmungen, unwillkürliche Blasen- und Darmentleerung oder deutliche Muskelschwäche - der Patient kann Gegenstände nicht mehr anheben - auf, raten Ärzte dringen zu einer Operation.

Um das ausgetretene Bandscheibenmaterial chirurgisch zu entfernen, gibt es verschiedene Operationstechniken. Meist wird der - im Fachjargon Diskektomie genannte - Eingriff mithilfe minimalinvasiver Technik durchgeführt. Über kleine Schnitte im Rücken des Patienten führen Ärzte entweder ein Mikroskop, das dreidimensionale Ansichten erlaubt, oder ein Endoskop ein, das, ausgerüstet mit einer Kamera, zweidimensionale Sicht ermöglicht. „Beide Verfahren können ähnlich gute Ergebnisse liefern - entscheidend sind Übung und Können des Operateurs“, sagt Alquiza.

Mit millimeterdünnen langstieligen Instrumenten - sogenannten Laparoskopen - entfernt der Chirurg Teile des ausgetretenen Kerns oder den gesamten Gallertkern minimalinvasiv. In besonderen Fällen, beispielsweise einer deformierten Wirbelsäule, operieren die Ärzte auch über einen offenen Schnitt.

„Die Heilungschancen eines chirurgischen Eingriffs sind sehr gut“, sagt Alquiza. Beide Eingriffe - sowohl die minimalinvasive, als auch die offene Diskektomie - bergen allerdings ein, wenn auch geringes, Risiko, Nerven zu verletzen. Die Folgen können dann Empfindungsstörungen, Lähmungen, Blasen- oder Darminkontinenz sowie chronische Schmerzen sein. Nach einem Eingriff könnten sich auch Narben am Nerv bilden - zieht die Narbe am Nerv, leiden die Betroffenen unter ähnlichen Schmerzen wie bei einem Bandscheibenvorfall. Je nach Studie sind von diesem sogenannten Postnukleotomiesyndrom ein bis fünf Prozent der Operierten betroffen. Allerdings ließe sich das Risiko einer Narbenbildung verringern. „Dazu tragen wir während der Operation ein Barriere-Gel auf Nervenwurzeln und Dura, also dem Schlauch, in dem die Nerven verlaufen, auf“, erklärt Alquiza. Doch nicht in jedem Krankenhaus sei das Standard. Der Grund: „Die Krankenkassen zahlen die zusätzlichen Kosten nicht.“ Patienten sollten sich deshalb vor der Operation beim Chirurgen erkundigen, welche Maßnehmen getroffen werden, um Narben in der Operationswunde zu vermeiden.

Unklar ist bisher der Nutzen von Implantaten, die den ausgetretenen Bandscheibenkern ersetzen. Solche Nucleusprothesen sollen wie die natürlichen Stoßdämpfer die Beweglichkeit der Wirbelsäule erhalten. „Allerdings gibt es bisher keine gesicherte Studienlage, die den Langzeitnutzen belegt“, sagt Alquiza. Bandscheibenprothesen würden daher nicht routinemäßig implantiert.

Bandscheibenvorwölbungen lassen sich auch durch alternative Verfahren wie die Thermo- oder Radiofrequenzablation therapieren. Dabei schiebt der Operateur einen Katheter bis in das Innere der Bandscheibe. Computertomograf oder Röntgengerät weisen ihm den Weg. Durch Radiofrequenzstrom erzeugte Wärme reduziert den Gallertkern und verödet Schmerzfasern. Durch das Reduzieren des Volumens der Bandscheibe nimmt der Druck auf den gequetschten Nerv ab. „Die Radiofrequenzablation ist dabei ein sehr sicheres Verfahren“, sagt Alquiza.

PRÄVENTION Am besten man lässt es gar nicht erst zu einem Bandscheibenvorfall kommen. Jeder kann etwas tun, um dem Leiden vorzubeugen. Eine kräftige Bauch- und Rückenmuskulatur entlastet Wirbelsäule und Bandscheiben und schützt so vor vorzeitigem Verschleiß. Günstig für den Rücken sind Wandern, Skilanglauf, Rückenschwimmen, Kraulen, Wassergymnastik, Bauch- und Rückentraining. Viele Krankenkassen bieten ihren Versicherten dazu professionelle Rückenschulungen an.

Auch Entspannungstechniken wie Yoga, Tai Chi oder Pilates fördern die Körperwahrnehmung und können Fehlhaltungen entgegenwirken.

Obwohl Bandscheibenvorfälle seltener als häufig angenommen durch Überlastungen hervorgerufen werden, sollte man schwere Gegenstände immer richtig heben: Gehen Sie in die Knie und heben Sie die Last mit gestreckter Wirbelsäule „aus den Beinen heraus.“

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