Von Tisch zu Tisch - die Restaurantkritik: Zu Gast bei den guten Metzgern
Rustikal geht es zu in der Kreuzberger Speisewirtschaft "Kumpel und Keule", die Sitzbänke sind etwas hart. Dafür ist das Fleisch von bester Herkunft.
Das also darf man sich unter einer „Speisewirtschaft“ vorstellen: Telefonnummer? Gibt’s nicht. Reservierungen funktionieren nur online. Der Tisch wird höchstens fünf Minuten frei gehalten. Kein eigener Tisch, sondern einer, an dem man in einer größeren Gesellschaft Platz nimmt. Dann darf man auch anderthalb Stunden bleiben, jedenfalls wenn man zu zweit ist, drei bis sechs Personen dürfen zwei, Gruppen ab sieben Leute sogar drei Stunden bleiben. Das Lokal ist schon oft gelobt worden, aber mit dieser Art Gastronomie-Bürokratie beißt man sicher auch Leute weg.
Holzbänke mit Fellen, Fotos von Schlachtvieh an den Wänden
Es gibt hier Holzbänke ohne Rücklehnen; zwar sind sie immerhin mit Fellen bedeckt, aber nach einem gemütlichen Abend sehen sie nicht wirklich aus. An den Backsteinwänden hängen ländliche Idyllen mit fotogenem Schlachtvieh. Es gibt eine Showküche und reichlich junge Männer, die den Laden schmeißen.
Unter einem Brotkorb mit Leberwurst hätte ich mir zum Preis von 5 Euro etwas Prachtvolleres vorgestellt als einen schlichten weißen Teller mit je zwei Scheiben Weiß- und Vollkornbrot aus der Markthalle IX und zwei Batzen Leberwurst von immerhin ordentlicher Qualität. Das Schwarzwurzelsüppchen, im hohen Glas serviert, war leider laff. Irgendwie war dem nostalgischen Gemüse der prägnante Eigengeschmack ausgetrieben, ohne einen anderen passenden zu addieren. Dafür gab es einige kleine, gute Blutwurstscheibchen zwischen Apfelschnitzen mit Crunch (8 Euro).
„Brainfood“, das Futter fürs Gehirn, ist säuerlich arrangiert in Gestalt zweier Tortenstückchen: Bries, Lardo, Kohlrabi, grüne Tomate, fester Boden. Schmeckt ganz gut, vor allem mit der Sauce (12 Euro).
Gutes will Weile haben: Nach 75 Minuten kommt der Hauptgang
Bis wir unsere Hauptgerichte bekamen, waren bereits 75 Minuten vergangen, also fast das ganze Zeitkontingent. Dem „Burger Dry Aged“ im Papierumschlag merkte man das gute Metzgerhandwerk aufs Angenehmste an. Er steckte in einer fluffigen Brioche, war mit gutem Käse überbacken. Viel Grünzeug und eine großzügige Scheibe von der Ochsenherztomate taten das Ihre, um die sparsame Dosierung der Mayonnaise etwas auszugleichen. Auf Nachfrage gab es eine Miniportion extra dazu. Was es nicht gab, waren Ketchup und Senf (11 Euro).
Der Verweis auf den Dip, den es zu den „Fetten Karotten“ gab, die als Beilage extra angeboten wurden, muss ironisch gemeint gewesen sein, denn der kam auch nur als Miniportion. Die Karotten selbst, in vielen Farben und im knusprigen Teigmantel, schmeckten exzellent, eine tolle, gesunde und abwechslungsreiche Beilage, der ich Nachahmer wünsche (8 Euro). Gut und zart war auch der Kalbsnacken mit einer schönen, extra im Kännchen servierten Sauce und einem Gemisch aus klein gewürfelter Roter Bete, Erdnüssen, leicht angeschwärzten Rosenköhlchen und dem Aroma von Salzzitrone (18 Euro).
Mit „Springbreak“ durften wir dann tatsächlich in die Verlängerung gehen. Dieses Dessert besteht aus sehr gutem Birneneis, einem goldbraunen, warmen Riegel aus Maisgrieß mit Tupfern von Petersilien-Gel darauf und einem Spiegel von winzigem weißen Knusper aus Schweineschwarte (10 Euro). Dazu schmeckte ein pfälzischer Weißburgunder von Sven Leiner aus dem Jahr 2017, auch wenn um uns herum viel Bier getrunken wurde (25 Euro).
Was das Preis-Leistungs-Verhältnis angeht, kann man wirklich nicht meckern. So gutes Fleisch kostet eben. Der Rest in der „Kumpel und Keule Speisewirtschaft“ ist Kult, wie er in der Kreuzberger Markthalle IX rituell zelebriert wird. Wer dafür einen Sinn hat, wird sich an dem Getue und der hier praktizierten eingeschränkten Gastfreundschaft sicher nicht stören. Elisabeth Binder
Kumpel & Keule Speisewirtschaft, Skalitzer Str. 97, Kreuzberg, Di–Sa 11.30–15 und 17–22 Uhr, kumpelundkeule.de
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