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Eines der ersten Modelle von Philipp Brees neuem Label PB 0110: Eine Handtasche aus Naturleder.
© Promo Philipp Bree

Taschenmode: Zu Besuch bei Philipp Bree

Philipp Bree macht Taschen – bis vor einem Jahr im Unternehmen seines Vaters. Jetzt hat hat er seine eigene kleine Taschenfirma gegründet. Und bleibt zu Hause.

„Jetzt sind wir im Büro“, sagt Philipp Bree und macht einen großen Schritt. Eine Schwelle gibt es nicht, die seinen Arbeitsbereich vom Wohnzimmer trennt. Seit gut einem Jahr fährt er morgens nicht mehr in die Firmenzentrale des Taschenherstellers Bree, um 160 Mitarbeiter und 80 Shops in der ganzen Welt zu betreuen und rund 50 Millionen Euro Umsatz zu verwalten. Philipp Bree bleibt zu Hause. Hier hat er seine eigene kleine Taschenfirma PB 0110 aufgebaut, etwa 20 Produkte sind es für den Anfang.

Zehn Jahre lang war er Geschäftsführer des Unternehmens, das sein Vater gegründet hatte. Geplant war das nicht. 1996 starb Wolf Peter Bree plötzlich mit 51 Jahren an einem Herzinfarkt. Da war Philipp Bree 24 Jahre alt, er hatte gerade seine Ausbildung zum Betriebswirt abgeschlossen. Zusammen mit seinem drei Jahre älteren Bruder Axel beschloss er, das Taschenunternehmen nicht zu verkaufen, sondern es zu übernehmen.

Die Firma, die Taschen waren immer Teil der Familie. Zusammen mit seiner Frau Renate hatte Wolf Peter Bree 1970 die ersten Taschen aus Naturleder produziert und in Möbelläden verkauft. Übers Geschäft sprachen sie beim Mittagessen – für die Kinder gehörte das einfach dazu.

Auf einem Foto lacht Philipp in die Kamera. Auf dem Rücken trägt er einen viel zu großen Lederranzen, sein großer Bruder hält ihn an der Hand. Da ist er vier Jahre alt, das Foto steckt in einer Ledermappe mit alten Werbeaufnahmen. „Das mit den Produkten liegt mir in den Genen“, sagt Bree. Aber es hätten nicht Taschen sein müssen. Kurz bevor sein Vater starb, war der Sohn Praktikant beim Produktdesigner Jasper Morrison in London.

Als Praktikant fing er auch 1996 in seiner eigenen Firma an. Während Philipp und Axel in jeder Abteilung als Lehrlinge arbeiten mussten, führte ein altgedienten Kaufmann die Geschäfte und prüfte, ob die Bree-Brüder zu Nachfolgern taugten. Die ganze Zeit begleitete sie eine Kommunikationstrainerin. So lernten die Brüder, alles miteinander zu besprechen. 2001 übernahmen sie gemeinsam die Geschäftsführung.

Genauso besonnen setzt Philipp Bree jetzt seine eigene Taschenkollektion um. Manchmal hat er Phantomschmerzen, wenn er zu Hause sitzt, seine Hand nach dem Telefon greift und er sich fragt, welche Abteilung er um Rat fragen soll. Bis ihm einfällt: „Oh. Ich habe keine Abteilung, ich bin allein.“

Er hat sich zur Aufgabe gemacht, sich auf das Material zu konzentierten, die Form zu reduzieren. Dafür ist jetzt der richtige Zeitpunkt: Etwas zu machen, was Bree sehr ähnlich ist, aber eben nicht im Unternehmen als kleine Nische funktionieren würde. Lange hat er mit seinem Bruder darüber gesprochen, ob er mit einem eigenen Unternehmen ein Konkurrent werden würde. Sie haben sich darauf geeinigt, dass es funktionieren wird. Erst als er im Janaur 2012 seinen Schreibtisch geräumt hatte, dachte er darüber nach, wie seine Produkte aussehen sollten. „Vorher ging das nicht. Da war ich zu 100 Prozent Bree.“

Das erste halbe Jahr fuhr er mit seinem Auto durch Europa und suchte nach den richtigen Materialien für seine Taschen. Er besuchte die kettenrauchende Inhaberin einer Messingmanufaktur in der Toskana, sah sich in Belgien Schautafeln zum Verarbeitungskreislauf von Flachs an und verglich Lederhäute, die in Gerbereien von der Decke hingen.

Wie immer bei gutem Design sind es die Details, auf die es ankommt. Philipp Bree will, dass seine Taschen mit der Zeit schöner werden wie all die alten Taschen, die er noch von seinem Vater hat. Er überlegt genau, ob die Messingbeschläge und Verbindungstücke für die Griffe aus gegossenem und geschnittenen Messing sein sollen. Philipp Bree hat eine Designerin extra für die Verbindungsstücke engagiert. Friederike Daumiller feilte lange am perfekten Winkel, bis Bree sagte, so bleibt das jetzt. Das Leder kommt aus einer italienischen Gerberei, die Häute von Rindern werden mit pflanzlichen Farbstoffen gegerbt. Das Leinen bestellt er in Belgien, die Reißverschlüsse in Deutschland.

Für 15 Taschen und drei Kleinteile hat er drei Designer angeheuert: eine Designerin für die Damen, eine für die Herren und Christian Metzner, der gerade im hintersten Raum des Hauses sitzt und die Dekoration für den Messestand in Berlin entwirft.

Auf der kleinen Messe „Seek“ der Fashion Week in Berlin zeigt Philipp Bree seine Produkte in dieser Woche zum ersten Mal. Seine Frau Vivica wird auch dabei sein, sie arbeiten zusammen an PB 0110. Bree sagt: „Es war alles von Anfang an da.“ Immer wieder hat er versucht, das Thema in der Firma zu platzieren, aus der Grundidee seines Vaters die ideale Tasche zu machen – beste Materialien und reduzierte, aber sinnvolle Form. Wenn er die blaue Tasche aus stabilem Leder, die aussieht wie ein Puppenkoffer, auf seinen Schreibtisch stellt und betrachtet, wird sie einfach zu einem schönen Gegenstand.

So wie der Skihelm seiner besten Freundin, der hinter ihm im Regal liegt. Er ist rund, blau mit einem Sternen- und Streifenmuster und hat ein rotes Innenfutter und Kinnriemen aus weißem Leder. „Geliebte Objekte“ nennt Philipp Bree das: „Auch Schraubenzieher können mich begeistern.“ Nicht dass eine seiner Taschen nur im Entferntesten an diesen Helm erinnern würde, aber er war wichtig, um ihn daran zu erinnern, was er mit PB 0110 vorhat: aus Altem Neues machen.

Es gibt eine neue Tasche, die sieht einer der alten, die weich und speckig geworden ist, sehr ähnlich. Aber sie ist handlicher, reduzierter, sie hat einen festen Boden und die Trageriemen ziehen sich über die ganze Tasche nach unten. Und vor allem ist das Leder hell, fast roséfarben. Dagegen hebt sich das graubraune Leinen dunkel ab. In ein paar Jahren wird es andersherum sein. Ein Gegenstand, der sich verändert, wenn man ihn benutzt, Gebrauchsspuren bekommt und damit zu einem gehört. Für Bree ist das das Normalste der Welt. Und er hofft, dass es auch anderen Menschen so geht.

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