Maria Koch von 032c im Interview: Zack, zack auf den Markt
Aus dem Magazin „032c“ ist eine Marke geworden – jetzt wurde die erste Ready-to-wear-Kollektion in London präsentiert. Ein Gespräch mit Maria Koch.
„032c“ ist zuerst einmal das Magazin, das 2000 von Jörg Koch gegründet wurde. Inzwischen ist daraus eine Plattform für verschiedene Ausdrucksformen geworden. Für die Mode ist seine Frau Maria Koch zuständig. Seit drei Jahren gibt es „Apparel“ mit Streetwear wie T-Shirts, Sweatshirts, Jeans und Accessoires. Alle paar Wochen kommen neue Produkte in geringer Stückzahl heraus, die oft zusammen mit Designern oder Künstlern entstehen. Meist sind sie sofort ausverkauft. Etwas schnell und in kleiner Stückzahl auf den Markt zu bringen, nennt man Drop. Diese Disziplin beherrscht „032c“ perfekt.
Sie haben ein Jahr gebraucht, um den Fertigungsprozess für die Ready-to-wear zu organisieren.
Man braucht viel Zeit, um eine Kollektion zack, zack auf den Markt zu werfen. Wir haben für „Apparel“ einen Prozess gefunden, in dem wir Stückzahlen von fünf bis 5000 skalieren können und zwei Monate nach Designabgabe ausgeliefert wird. Eine Schau zu haben und ein Jahr später auszuliefern, das funktioniert strategisch nicht mehr. Alle, die einen Look gut finden, kaufen ihn innerhalb von zwei Wochen bei Zara oder bei anderen Designern, dann sind die damit durch.
Was setzen Sie dagegen?
Für „Apparel“ bekommen unsere Geschäfte präzise Zeichnungen von den Musterstücken und ordern darüber, nicht über das Kleidungsstück. Das heißt, wir haben vier Wochen Zeit, um Presse zu machen, auf Instagram zu fluten, es irgendwelchen Leuten anzuziehen, sodass alle das unbedingt haben wollen.
Das gilt aber nur für „Apparel“?
Ja, bei der Ready-to-wear funktioniert das leider nicht, weil die Shops nicht so weit sind. Da geht es um viel höhere Budgets als einen Pulli für 50 Euro. Wir wollen aber trotzdem versuchen, früher auszuliefern als alle anderen. Wir zeigen also später und liefern früher aus. Da haben wir zweieinhalb Monate gespart, in der sonst die Energie flöten geht.
Warum haben Sie Ihre Schau in London außerhalb jeder Modewoche gemacht?
Ganz banal, weil gute Freunde, die Eigentümer des Gebäudes „180 Strand“, uns diesen Ort angeboten haben. Sie unterstützen uns sehr, und die Location ist irre, es ist ein riesiges, brutalistisches Gebäude.
Auf den Fotos sieht es aus, als würde das Gebäude gut zur Kollektion passen.
Ja. Dazu kommt, dass London attraktiv ist, weil dort die meisten Modejournalisten arbeiten, und es gibt viele Models. Man kann so auch außerhalb der Fashion Week ein entsprechendes Gerüst auffahren. Und ich glaube, Fashion Weeks funktionieren nicht mehr richtig. Es gibt Preschauen und Nachschauen und Mittelschauen und Drops, das vermischt sich gerade zu etwas Unprägnantem.
Das heißt, die „Apparel“-Linie und die neue Kollektion sind komplett voneinander getrennt?
Ja, der Begriff bedeutet einfach Klamotte. Das heißt, es hat einen moderateren Preis und es sind Sachen, die Männer und Frauen anziehen können. Jetzt haben wir die Ready-to-wear hinzugefügt. Mit viel mehr Fittings, viel ausgefeilteren Schnitten, mit anderen Stoffen. Da steckt mehr Geld in jeder Naht, deshalb ist der Preis auch höher.
Hat „Apparel“ den Prozess leichter gemacht?
Total. Wir haben mit einem Bootleg-T-Shirt angefangen, das man im Copyshop selbst macht. Und dann haben wir mit Cali Thornhill DeWitt, der für Kanye West Grafik gemacht hat, einen Pullover entworfen und mit dem russischen Designer Gosha Rubchinskiy. Dann hat das plötzlich so einen Merchandise-Charakter bekommen. Von da an wollten wir Produkte, die man tragen kann, ohne dass man sich verlinkt zu einer bekannten, erfolgreichen oder reizvollen Person. Jetzt sind wir in 120 Läden, wo man sich als junges Modelabel hinträumt.
Haben Sie für die neue Kollektion wieder bei null angefangen?
Wir haben ein Team für beides, und auch thematisch hat es miteinander zu tun. Denim ist dafür ein gutes Beispiel: Eine Jeans für „Apparel“ kostet 180 Euro, es gibt aber auch im gleichen Schnitt eine aus Seidenmoiré, die kostet deutlich mehr. So kann man das gut ausbalancieren.
Es gibt ja Kunden, die denken, „032c“ sei nur eine Modemarke.
Es gibt auch Leute, die das mit den Klamotten nicht mitbekommen haben, und es gibt Kids, die das Magazin für einen Prachtband halten. Es gibt auch Leute, die nur auf unsere Partys gehen wollen.
Aber das Magazin liefert eine theoretische Grundlage für die Kollektion?
Absolut, wir haben ja eine sehr spezielle Mischung bei „032c“. Dadurch, dass Jörg und ich verheiratet sind, geht es gleich nach dem Aufwachen um Inhalte. Das Thema Clubwear ist ein gutes Beispiel: Jörg fand, dass der Begriff Streetwear gar nichts mehr beschreibt. Als wir Teenager waren, musste man Bescheid wissen, um die richtige Musik, Trends, den richtigen Club und den passenden Pullover zu finden.
Was hat sich verändert?
Die Clubwear war, soweit ich mich erinnere, die letzte Jugendkultur, in der es nicht um Luxus, sondern um Individualität, Sexappeal und ziemlich viel Drogen ging. Daraus wurde ein eigener Look gesponnen, mit dem sich Jugendliche vom Establishment abgrenzen konnten. Inzwischen ist Streetwear das Establishment. Und weil wir darüber gesprochen haben und es ein Thema im Heft war, ist es in der Kollektion gelandet.
Für Sie sind Saisons nicht wichtig, aber braucht der Markt den Rhythmus noch?
Der hochwertige Handel braucht das, aber die müssen sich davon lösen. Durch die Digitalisierung funktioniert dieser Rhythmus nicht mehr. Der Kunde hat das schon längst verstanden. Der ist nur noch gelangweilt, wenn ein halbes Jahr lang eine Vollkollektion in seiner Lieblingsboutique hängt. Was auch nicht gut ankommt, sind Riesenkollektionen, die immer etwas mit Abfall und Spam zu tun haben, das fühlt sich nicht modern und präzise genug an. Die Läden brauchen es noch, die müssen ihre Kleiderstangen füllen. Man muss das jetzt noch begleiten, wenn man mit seinem Produkt auf dem Markt sein will. Aber wir sind sowieso mit unserer „Apparel“ trainiert. Sogar Céline und Burberry machen jetzt Drops.
Ist das nicht nur ein Hype?
Nein, das ist wie bei Zara – einmal in der Woche gibt es was Neues. Da ist immer Bewegung drin. Ein System muss einfach lernen, wie man damit formal umgeht.
War die Modeindustrie zu lange darüber erhaben?
Das sieht man auch in der Presse. Die klassischen großen Modetitel dachten lange: Oh, dieses Streetwearzeug! Und jetzt werden sie überrollt von dem, was gerade passiert. Der Streetwearblog „Highsnobiety“ zum Beispiel hat viel mehr Klicks, aber viele alte Medien reden immer noch von uns als Nischentitel. Allerdings haben wir eine höhere Auflage und mehr Follower als manch etablierter Modetitel! Da kann man sich fragen, wer hier der Nischentitel ist.
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